Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.in eine Seitentasche des Wagens versenkt worden war, rollten wir Ich zog nach einiger Zeit einen Gummibecher aus meinem Reise¬ "Es reist sich unbequem mit so vielem Ballast," erklärte er mir Auch das Fräulein schaute etwas verwundert auf zu solcher Ei¬ Dann kam die Rede auf Reiseveranlassung und Lebensverhältnisse. GrenzVvten. IV. I8i<!. 4Z
in eine Seitentasche des Wagens versenkt worden war, rollten wir Ich zog nach einiger Zeit einen Gummibecher aus meinem Reise¬ „Es reist sich unbequem mit so vielem Ballast," erklärte er mir Auch das Fräulein schaute etwas verwundert auf zu solcher Ei¬ Dann kam die Rede auf Reiseveranlassung und Lebensverhältnisse. GrenzVvten. IV. I8i<!. 4Z
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183903"/> <p xml:id="ID_899" prev="#ID_898"> in eine Seitentasche des Wagens versenkt worden war, rollten wir<lb/> weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_900"> Ich zog nach einiger Zeit einen Gummibecher aus meinem Reise¬<lb/> sacke hervor, löste den Kork der Flasche und den Deckel der Schachtel<lb/> und suchte durch die Einladung zu meinem Mahle das gute Verhält¬<lb/> nis; mit den Mitreisenden zu befestigen. Leider war der Student so<lb/> stolz, jede Theilnahme an dein Imbisse mit dem Bemerken abzulehnen,<lb/> daß in Meißen zu Mittag gespeist werde. Indessen dehnte sich der<lb/> Weg dorthin doch ziemlich lang aus)- ich wiederholte mein Anerbieten<lb/> bei jedem Gegenstande, den ich der Schachtel entnahm, und als sich<lb/> selbst das Fräulein zu einer mit NheinlachS belegten Semmel halte<lb/> bestimmen lassen, ward auch das alte Haus vermocht, einige Schnitten<lb/> Bayonner Schinkens mit eingemachten Gurken zu versuchen. Ich hatte<lb/> ihm zu diesem Behufe die ganze Schachtel gereicht, mit der er plötzlich<lb/> zu meinem athemlosen Erstaunen einen Handwerksburschen beschenkte,<lb/> der einen Zehrpfennig von uns forderte. Auch den Weinrest sammt<lb/> der Flasche fügte er der Gabe großmüthig hinzu, und schon fürchtete<lb/> ich selbst für den Gummibecher, weshalb ich ihn rasch in den Reisesack<lb/> rettete.</p><lb/> <p xml:id="ID_901"> „Es reist sich unbequem mit so vielem Ballast," erklärte er mir<lb/> beiläufig, „und die Wirthshäuser an der Straße sind ganz gut ver¬<lb/> sehen."</p><lb/> <p xml:id="ID_902"> Auch das Fräulein schaute etwas verwundert auf zu solcher Ei¬<lb/> genmächtigkeit, die ich mich anstrengte, recht liebenswürdig zu finden,<lb/> obschon sie mich außer einer Braunschweiger Schlackwurst auch noch<lb/> einen ganz unangetastet gebliebenen Straßburger Käse kostete.</p><lb/> <p xml:id="ID_903" next="#ID_904"> Dann kam die Rede auf Reiseveranlassung und Lebensverhältnisse.<lb/> Der Student kehrte aus Breslau nach Leipzig zurück und war ein<lb/> Mecklenburger, der den Ausflug nach Schlesien nur unternommen hatte,<lb/> um Land und Leute kennen zu lernen. Von dem Riesengebirge und<lb/> der Verbindung der Silesen ans der Breslauer Universität sprach er<lb/> mit großer Befriedigung. Schlechter hatten ihm die Gasthöfe im Ge¬<lb/> birge und unter den Studenten die Polen gefallen. „Unter den Silesen,"<lb/> sagte er, „sind prächtige Jungen, Bursche, die Haare auf den Zähnen,<lb/> die Klinge beständig blank und auf der Mensur das frischeste Forellen¬<lb/> blut haben. Ich hoffe, daß wir von Leipzig aus in ein perpetuirliches<lb/> Cartel mit ihnen treten. Auch die Adersbacher Felsen sind der Mühe<lb/> werth. Die Polen hingegen sehen verwildert aus, trinken Schnaps,<lb/> schlagen mit dem Knüppel drein und ein anständiger Kerl geht ihrer</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> GrenzVvten. IV. I8i<!. 4Z</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0321]
in eine Seitentasche des Wagens versenkt worden war, rollten wir
weiter.
Ich zog nach einiger Zeit einen Gummibecher aus meinem Reise¬
sacke hervor, löste den Kork der Flasche und den Deckel der Schachtel
und suchte durch die Einladung zu meinem Mahle das gute Verhält¬
nis; mit den Mitreisenden zu befestigen. Leider war der Student so
stolz, jede Theilnahme an dein Imbisse mit dem Bemerken abzulehnen,
daß in Meißen zu Mittag gespeist werde. Indessen dehnte sich der
Weg dorthin doch ziemlich lang aus)- ich wiederholte mein Anerbieten
bei jedem Gegenstande, den ich der Schachtel entnahm, und als sich
selbst das Fräulein zu einer mit NheinlachS belegten Semmel halte
bestimmen lassen, ward auch das alte Haus vermocht, einige Schnitten
Bayonner Schinkens mit eingemachten Gurken zu versuchen. Ich hatte
ihm zu diesem Behufe die ganze Schachtel gereicht, mit der er plötzlich
zu meinem athemlosen Erstaunen einen Handwerksburschen beschenkte,
der einen Zehrpfennig von uns forderte. Auch den Weinrest sammt
der Flasche fügte er der Gabe großmüthig hinzu, und schon fürchtete
ich selbst für den Gummibecher, weshalb ich ihn rasch in den Reisesack
rettete.
„Es reist sich unbequem mit so vielem Ballast," erklärte er mir
beiläufig, „und die Wirthshäuser an der Straße sind ganz gut ver¬
sehen."
Auch das Fräulein schaute etwas verwundert auf zu solcher Ei¬
genmächtigkeit, die ich mich anstrengte, recht liebenswürdig zu finden,
obschon sie mich außer einer Braunschweiger Schlackwurst auch noch
einen ganz unangetastet gebliebenen Straßburger Käse kostete.
Dann kam die Rede auf Reiseveranlassung und Lebensverhältnisse.
Der Student kehrte aus Breslau nach Leipzig zurück und war ein
Mecklenburger, der den Ausflug nach Schlesien nur unternommen hatte,
um Land und Leute kennen zu lernen. Von dem Riesengebirge und
der Verbindung der Silesen ans der Breslauer Universität sprach er
mit großer Befriedigung. Schlechter hatten ihm die Gasthöfe im Ge¬
birge und unter den Studenten die Polen gefallen. „Unter den Silesen,"
sagte er, „sind prächtige Jungen, Bursche, die Haare auf den Zähnen,
die Klinge beständig blank und auf der Mensur das frischeste Forellen¬
blut haben. Ich hoffe, daß wir von Leipzig aus in ein perpetuirliches
Cartel mit ihnen treten. Auch die Adersbacher Felsen sind der Mühe
werth. Die Polen hingegen sehen verwildert aus, trinken Schnaps,
schlagen mit dem Knüppel drein und ein anständiger Kerl geht ihrer
GrenzVvten. IV. I8i<!. 4Z
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