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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Rohheit aus dem Wege. Den Elbfall konnte ich ebenfalls nicht be¬
suchen, weil noch zu viel schmutziger Schnee in den Bergschluchten lag."

"Du bist also Leipziger Student und trägst die Silesenfarben
nur --?"

"Weil ich mein Band mit dem des Subseniors tauschte. Der
herrlichste Mensch, mit dem jemals ein Schmollis getrunken ward!
Ich heiße Perglow und bin bei den Seminolen."

Wenn ich vorhin von dem überwältigenden Eindrucke erzählte,
den es auf mich hervorbrachte, daß das Fräulein ihren Schleier lüftete,
so kann damit nur verglichen werden, was ich empfand, als mein
Nachbar seinen Namen nannte. Es war der gefeierte Name eines der
berühmtesten Häuptlinge, die damals in der Bewunderung der Studen¬
tenwelt und in den Erzählungen lebten, denen wir Schüler mit beben¬
der Ehrfurcht lauschten, wenn uns die Ferien irgend einen gutherzigen
Kameraden zuführten, der auf der Universität nicht ganz vergessen hatte,
daß er einst auf dem Gymnasium Freunde besaß. Warum hatte ich
nicht eine ganze Schiffölast von gepökelten und geräucherten Waaren,
sie seiner Verfügung unweigerlich zu überlassen, anstatt der elenden
Schachtel, mit der er dem Anscheine nach etwas willkürlich verfahren!
Zugleich gehörte er der Genossenschaft meines Stammes an, -- des
Stammes der Seminolen, wenn es mir erlaubt ist, wie ich den Namen
des Häuptlings etwas veränderte, auch ti^> uoch fortblühende Lands¬
mannschaft mit einem indianischen Worte zu bezeichnen.

"Du bist Perglow! Und auch ich bin durch Schicksal und Nei¬
gung Seminole!" rief ich ihm in schöner Begeisterung zu. Er nickte,
wie eben ein berühmter Krieger nickt, der einen Rekruten ohne Ahnen
und Thaten zu seinem mächtigen Banner treten steht.

Die Reihe der Mittheilungen war an dem Fräulein. Sie reiste
in ihre thüringische Heimath, nachdem sie eine kranke Tante den Win¬
ter hindurch in Tharant gepflegt. Julie von Eichmann war ihr
Name.

"Dich brauchen wir nicht erst um Auskunft zu bitten, Fuchs,"
sprach der Seminolenhäuptling und das gefährliche Lächeln spielte wie¬
der um seinen Mund, "da wir Zeugen davon gewesen sind, wie die
Familie Polonius vou Dir Abschied nahm. Befolge die Mahnungen
Deines Vaters und Du wirst ein überaus glückliches Examen bestehen,
und wenn Du die Warnungen Deiner Mutter nicht in den Wind
schlägst, Dein glattes Gesicht und das volle Gewicht Deiner Feder¬
betten dereinst unversehrt nach Hause zurückbringen."


Rohheit aus dem Wege. Den Elbfall konnte ich ebenfalls nicht be¬
suchen, weil noch zu viel schmutziger Schnee in den Bergschluchten lag."

„Du bist also Leipziger Student und trägst die Silesenfarben
nur —?"

„Weil ich mein Band mit dem des Subseniors tauschte. Der
herrlichste Mensch, mit dem jemals ein Schmollis getrunken ward!
Ich heiße Perglow und bin bei den Seminolen."

Wenn ich vorhin von dem überwältigenden Eindrucke erzählte,
den es auf mich hervorbrachte, daß das Fräulein ihren Schleier lüftete,
so kann damit nur verglichen werden, was ich empfand, als mein
Nachbar seinen Namen nannte. Es war der gefeierte Name eines der
berühmtesten Häuptlinge, die damals in der Bewunderung der Studen¬
tenwelt und in den Erzählungen lebten, denen wir Schüler mit beben¬
der Ehrfurcht lauschten, wenn uns die Ferien irgend einen gutherzigen
Kameraden zuführten, der auf der Universität nicht ganz vergessen hatte,
daß er einst auf dem Gymnasium Freunde besaß. Warum hatte ich
nicht eine ganze Schiffölast von gepökelten und geräucherten Waaren,
sie seiner Verfügung unweigerlich zu überlassen, anstatt der elenden
Schachtel, mit der er dem Anscheine nach etwas willkürlich verfahren!
Zugleich gehörte er der Genossenschaft meines Stammes an, — des
Stammes der Seminolen, wenn es mir erlaubt ist, wie ich den Namen
des Häuptlings etwas veränderte, auch ti^> uoch fortblühende Lands¬
mannschaft mit einem indianischen Worte zu bezeichnen.

„Du bist Perglow! Und auch ich bin durch Schicksal und Nei¬
gung Seminole!" rief ich ihm in schöner Begeisterung zu. Er nickte,
wie eben ein berühmter Krieger nickt, der einen Rekruten ohne Ahnen
und Thaten zu seinem mächtigen Banner treten steht.

Die Reihe der Mittheilungen war an dem Fräulein. Sie reiste
in ihre thüringische Heimath, nachdem sie eine kranke Tante den Win¬
ter hindurch in Tharant gepflegt. Julie von Eichmann war ihr
Name.

„Dich brauchen wir nicht erst um Auskunft zu bitten, Fuchs,"
sprach der Seminolenhäuptling und das gefährliche Lächeln spielte wie¬
der um seinen Mund, „da wir Zeugen davon gewesen sind, wie die
Familie Polonius vou Dir Abschied nahm. Befolge die Mahnungen
Deines Vaters und Du wirst ein überaus glückliches Examen bestehen,
und wenn Du die Warnungen Deiner Mutter nicht in den Wind
schlägst, Dein glattes Gesicht und das volle Gewicht Deiner Feder¬
betten dereinst unversehrt nach Hause zurückbringen."


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[0322] Rohheit aus dem Wege. Den Elbfall konnte ich ebenfalls nicht be¬ suchen, weil noch zu viel schmutziger Schnee in den Bergschluchten lag." „Du bist also Leipziger Student und trägst die Silesenfarben nur —?" „Weil ich mein Band mit dem des Subseniors tauschte. Der herrlichste Mensch, mit dem jemals ein Schmollis getrunken ward! Ich heiße Perglow und bin bei den Seminolen." Wenn ich vorhin von dem überwältigenden Eindrucke erzählte, den es auf mich hervorbrachte, daß das Fräulein ihren Schleier lüftete, so kann damit nur verglichen werden, was ich empfand, als mein Nachbar seinen Namen nannte. Es war der gefeierte Name eines der berühmtesten Häuptlinge, die damals in der Bewunderung der Studen¬ tenwelt und in den Erzählungen lebten, denen wir Schüler mit beben¬ der Ehrfurcht lauschten, wenn uns die Ferien irgend einen gutherzigen Kameraden zuführten, der auf der Universität nicht ganz vergessen hatte, daß er einst auf dem Gymnasium Freunde besaß. Warum hatte ich nicht eine ganze Schiffölast von gepökelten und geräucherten Waaren, sie seiner Verfügung unweigerlich zu überlassen, anstatt der elenden Schachtel, mit der er dem Anscheine nach etwas willkürlich verfahren! Zugleich gehörte er der Genossenschaft meines Stammes an, — des Stammes der Seminolen, wenn es mir erlaubt ist, wie ich den Namen des Häuptlings etwas veränderte, auch ti^> uoch fortblühende Lands¬ mannschaft mit einem indianischen Worte zu bezeichnen. „Du bist Perglow! Und auch ich bin durch Schicksal und Nei¬ gung Seminole!" rief ich ihm in schöner Begeisterung zu. Er nickte, wie eben ein berühmter Krieger nickt, der einen Rekruten ohne Ahnen und Thaten zu seinem mächtigen Banner treten steht. Die Reihe der Mittheilungen war an dem Fräulein. Sie reiste in ihre thüringische Heimath, nachdem sie eine kranke Tante den Win¬ ter hindurch in Tharant gepflegt. Julie von Eichmann war ihr Name. „Dich brauchen wir nicht erst um Auskunft zu bitten, Fuchs," sprach der Seminolenhäuptling und das gefährliche Lächeln spielte wie¬ der um seinen Mund, „da wir Zeugen davon gewesen sind, wie die Familie Polonius vou Dir Abschied nahm. Befolge die Mahnungen Deines Vaters und Du wirst ein überaus glückliches Examen bestehen, und wenn Du die Warnungen Deiner Mutter nicht in den Wind schlägst, Dein glattes Gesicht und das volle Gewicht Deiner Feder¬ betten dereinst unversehrt nach Hause zurückbringen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/322>, abgerufen am 23.07.2024.