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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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mente vorgenommen werde, wo die Kalifornien und noch andere Stücke
Meriko's in den geräumigen Magen des kleinen Jonathan spazieren.
Von allen Cabinetten war das zu Washington von dem bevorstehenden
Abschlüsse der Heirath Montpenster bestimmt am frühesten unterrichtet;
man bemerke, wie fein das abgekartet gewesen, wie trefflich sich das
gegenseitig unterstützt. --

Wenn irgend etwas, so mochte die hier vorgeschlagene Gruppirung
der Großmächte zunächst im Stande sein, zu einer friedlichen Lö¬
sung der orientalischen Frage zu führen, und selbst diese, die Erhaltung
des Weltfriedens so bedrohend" Angelegenheit, ohne Störung desselben
zu erledigen; die schwarze Wetterwolke auch für Deutschland in be¬
fruchtende Regenschauer aufzulösen, wie denn überhaupt die Erhaltung
des europäischen Friedens durch eine Allianz zwischen Deutschland und
Frankreich mir weit kräftiger verbürgt zu werden scheint, wie durch die
zwischen Frankreich und England. Dieses und Rußland werden, wenn
Oesterreich, Preußen, das übrige Deutschland und Frankreich, mit Nord¬
amerika im Hintergrunde, vereint ihnen zurufen: "Halt da, Ihr Schnapp¬
hähne; ehrlich getheilt! Wir sind ebenso nahe Anverwandte des theuern
Verblichenen wie Ihr!" sich wohl dazu bequemen müssen, auf die Lö¬
wenportionen der türkischen Erbschaft zu verzichten und selbe so zu
vertheilen, daß hierdurch das Gleichgewicht unter den Großmächten
nicht gestört werde, das Interesse Aller gebührende Berücksichtigung
finde.

Von dein Kampfe für oder gegen Principien, Ideen, Meinungen,
Systeme ist noch kein Staat fett geworden; wohl aber sind schon mäch¬
tige Monarchen dadurch zu Grunde gegangen, wie z. B. die Philipps
des Zweiten. Wenn es überhaupt von jeher thöricht und fruchtlos
gewesen, gegen Meinungen, gegen Ideen zu streiten, so muß das im
Zeitalter der Eisenbahnen vollends als baarer Unsinn erscheinen. Die
Principien der innern Politik, die persönlichen Sympathien oder An¬
tipathien, die Vorliebe der Machthaber sür dieses oder jenes System,
dürfen durchaus von keinem Einflüsse auf die auswärtige Politik,
auf die Allianzen mit dem Auslande, für diese darf nur das In¬
teresse des Staats, der Staatövortheil maßgebend fein. Wo man daS
vergißt, werden Böcke, wie der im Jahre 184V gemachte, immer un¬
vermeidlich sein, aber nur nicht immer so glücklich wie damals noch
rechtzeitig zurückgenommen werden können.

Meine historischen Studien und Arbeiten haben mir Gelegenheit
genug gegeben, den Witz, den Scharfsinn deutscher Staatsmänner und


mente vorgenommen werde, wo die Kalifornien und noch andere Stücke
Meriko's in den geräumigen Magen des kleinen Jonathan spazieren.
Von allen Cabinetten war das zu Washington von dem bevorstehenden
Abschlüsse der Heirath Montpenster bestimmt am frühesten unterrichtet;
man bemerke, wie fein das abgekartet gewesen, wie trefflich sich das
gegenseitig unterstützt. —

Wenn irgend etwas, so mochte die hier vorgeschlagene Gruppirung
der Großmächte zunächst im Stande sein, zu einer friedlichen Lö¬
sung der orientalischen Frage zu führen, und selbst diese, die Erhaltung
des Weltfriedens so bedrohend« Angelegenheit, ohne Störung desselben
zu erledigen; die schwarze Wetterwolke auch für Deutschland in be¬
fruchtende Regenschauer aufzulösen, wie denn überhaupt die Erhaltung
des europäischen Friedens durch eine Allianz zwischen Deutschland und
Frankreich mir weit kräftiger verbürgt zu werden scheint, wie durch die
zwischen Frankreich und England. Dieses und Rußland werden, wenn
Oesterreich, Preußen, das übrige Deutschland und Frankreich, mit Nord¬
amerika im Hintergrunde, vereint ihnen zurufen: „Halt da, Ihr Schnapp¬
hähne; ehrlich getheilt! Wir sind ebenso nahe Anverwandte des theuern
Verblichenen wie Ihr!" sich wohl dazu bequemen müssen, auf die Lö¬
wenportionen der türkischen Erbschaft zu verzichten und selbe so zu
vertheilen, daß hierdurch das Gleichgewicht unter den Großmächten
nicht gestört werde, das Interesse Aller gebührende Berücksichtigung
finde.

Von dein Kampfe für oder gegen Principien, Ideen, Meinungen,
Systeme ist noch kein Staat fett geworden; wohl aber sind schon mäch¬
tige Monarchen dadurch zu Grunde gegangen, wie z. B. die Philipps
des Zweiten. Wenn es überhaupt von jeher thöricht und fruchtlos
gewesen, gegen Meinungen, gegen Ideen zu streiten, so muß das im
Zeitalter der Eisenbahnen vollends als baarer Unsinn erscheinen. Die
Principien der innern Politik, die persönlichen Sympathien oder An¬
tipathien, die Vorliebe der Machthaber sür dieses oder jenes System,
dürfen durchaus von keinem Einflüsse auf die auswärtige Politik,
auf die Allianzen mit dem Auslande, für diese darf nur das In¬
teresse des Staats, der Staatövortheil maßgebend fein. Wo man daS
vergißt, werden Böcke, wie der im Jahre 184V gemachte, immer un¬
vermeidlich sein, aber nur nicht immer so glücklich wie damals noch
rechtzeitig zurückgenommen werden können.

Meine historischen Studien und Arbeiten haben mir Gelegenheit
genug gegeben, den Witz, den Scharfsinn deutscher Staatsmänner und


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[0260] mente vorgenommen werde, wo die Kalifornien und noch andere Stücke Meriko's in den geräumigen Magen des kleinen Jonathan spazieren. Von allen Cabinetten war das zu Washington von dem bevorstehenden Abschlüsse der Heirath Montpenster bestimmt am frühesten unterrichtet; man bemerke, wie fein das abgekartet gewesen, wie trefflich sich das gegenseitig unterstützt. — Wenn irgend etwas, so mochte die hier vorgeschlagene Gruppirung der Großmächte zunächst im Stande sein, zu einer friedlichen Lö¬ sung der orientalischen Frage zu führen, und selbst diese, die Erhaltung des Weltfriedens so bedrohend« Angelegenheit, ohne Störung desselben zu erledigen; die schwarze Wetterwolke auch für Deutschland in be¬ fruchtende Regenschauer aufzulösen, wie denn überhaupt die Erhaltung des europäischen Friedens durch eine Allianz zwischen Deutschland und Frankreich mir weit kräftiger verbürgt zu werden scheint, wie durch die zwischen Frankreich und England. Dieses und Rußland werden, wenn Oesterreich, Preußen, das übrige Deutschland und Frankreich, mit Nord¬ amerika im Hintergrunde, vereint ihnen zurufen: „Halt da, Ihr Schnapp¬ hähne; ehrlich getheilt! Wir sind ebenso nahe Anverwandte des theuern Verblichenen wie Ihr!" sich wohl dazu bequemen müssen, auf die Lö¬ wenportionen der türkischen Erbschaft zu verzichten und selbe so zu vertheilen, daß hierdurch das Gleichgewicht unter den Großmächten nicht gestört werde, das Interesse Aller gebührende Berücksichtigung finde. Von dein Kampfe für oder gegen Principien, Ideen, Meinungen, Systeme ist noch kein Staat fett geworden; wohl aber sind schon mäch¬ tige Monarchen dadurch zu Grunde gegangen, wie z. B. die Philipps des Zweiten. Wenn es überhaupt von jeher thöricht und fruchtlos gewesen, gegen Meinungen, gegen Ideen zu streiten, so muß das im Zeitalter der Eisenbahnen vollends als baarer Unsinn erscheinen. Die Principien der innern Politik, die persönlichen Sympathien oder An¬ tipathien, die Vorliebe der Machthaber sür dieses oder jenes System, dürfen durchaus von keinem Einflüsse auf die auswärtige Politik, auf die Allianzen mit dem Auslande, für diese darf nur das In¬ teresse des Staats, der Staatövortheil maßgebend fein. Wo man daS vergißt, werden Böcke, wie der im Jahre 184V gemachte, immer un¬ vermeidlich sein, aber nur nicht immer so glücklich wie damals noch rechtzeitig zurückgenommen werden können. Meine historischen Studien und Arbeiten haben mir Gelegenheit genug gegeben, den Witz, den Scharfsinn deutscher Staatsmänner und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/260>, abgerufen am 23.07.2024.