Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Diplomaten früherer Tage zu bewundern. Demungeachtet muß ich
bekennen, daß die Allianz Oesterreichs und Preußens im Jahre 1840
mit England und Rußland doch weit über mein Vorstellungs-Vermö-
gen ging. Diesen beiden Haifischen, die täglich so fromme Wünsche
für die Wohlfahrt des gesammten Deutschlands zum Himmel empor¬
steigen lassen, diesen wollte man auch gar noch helfen, die Löwen¬
antheile der türkischen Erbschaft einzusacken, und damit sie in diesem
Geschäfte ja nicht gestört würden, ihm mit voller Muße und Bequem¬
lichkeit obzuliegen, zeigte man nicht übel Lust, war man ganz nahe
daran, Deutschland in einen Waffentanz mit Frankreich zu verwickeln,
wollte also wieder einmal für Master John Bull die Kastanien aus
dem Feuer holen, wieder einmal mit deutschem Gut und Blut die Zeche
bezahlen! Es sind damals in Deutschland noch allerlei andere, wenn
auch nicht ganz so, doch annähernd sublime Studien der höhern Di¬
plomatie zu Tage gekommen. So ist mir z. B., als ich las, daß dem
unsterblichen Sänger des NheinliedeS ein gewisser Pokal mit sehr huld¬
vollem Handschreiben Übermacht worden, eingefallen: wie lange König
Otto in Athen wohl noch spaziere,: gehen möchte, wenn Frankreich ihn
aufgeben, nicht mehr im Stande sein würde, ihn auf seinein überaus
wackeligen Throne festzuhalten?

Doch, rechten wir nicht länger über das Vergangene, um so we¬
niger, da es in der Hallt der gütigen Vorsicht andere, als die bezweck¬
ten, sehr erfreuliche Resultate zeitigte. Sorgen wir nur Alle, Jeder
in seinem Kreise, so weit er es vermag, dafür, daß solche Böcke in
Deutschland nicht mehr geschossen werden, nicht mehr geschossen
werden können; unbekümmert darum, daß Jene, die diesem
undankbarsten aller Geschäfte ohne Menschenfurcht, mit Energie und
Freimuth sich widmen, ganz anderer Remunerationen, als silberner
Pokale, sich zu getrösten haben.


S. Sugenheim.


Grenzboten. !V.35

Diplomaten früherer Tage zu bewundern. Demungeachtet muß ich
bekennen, daß die Allianz Oesterreichs und Preußens im Jahre 1840
mit England und Rußland doch weit über mein Vorstellungs-Vermö-
gen ging. Diesen beiden Haifischen, die täglich so fromme Wünsche
für die Wohlfahrt des gesammten Deutschlands zum Himmel empor¬
steigen lassen, diesen wollte man auch gar noch helfen, die Löwen¬
antheile der türkischen Erbschaft einzusacken, und damit sie in diesem
Geschäfte ja nicht gestört würden, ihm mit voller Muße und Bequem¬
lichkeit obzuliegen, zeigte man nicht übel Lust, war man ganz nahe
daran, Deutschland in einen Waffentanz mit Frankreich zu verwickeln,
wollte also wieder einmal für Master John Bull die Kastanien aus
dem Feuer holen, wieder einmal mit deutschem Gut und Blut die Zeche
bezahlen! Es sind damals in Deutschland noch allerlei andere, wenn
auch nicht ganz so, doch annähernd sublime Studien der höhern Di¬
plomatie zu Tage gekommen. So ist mir z. B., als ich las, daß dem
unsterblichen Sänger des NheinliedeS ein gewisser Pokal mit sehr huld¬
vollem Handschreiben Übermacht worden, eingefallen: wie lange König
Otto in Athen wohl noch spaziere,: gehen möchte, wenn Frankreich ihn
aufgeben, nicht mehr im Stande sein würde, ihn auf seinein überaus
wackeligen Throne festzuhalten?

Doch, rechten wir nicht länger über das Vergangene, um so we¬
niger, da es in der Hallt der gütigen Vorsicht andere, als die bezweck¬
ten, sehr erfreuliche Resultate zeitigte. Sorgen wir nur Alle, Jeder
in seinem Kreise, so weit er es vermag, dafür, daß solche Böcke in
Deutschland nicht mehr geschossen werden, nicht mehr geschossen
werden können; unbekümmert darum, daß Jene, die diesem
undankbarsten aller Geschäfte ohne Menschenfurcht, mit Energie und
Freimuth sich widmen, ganz anderer Remunerationen, als silberner
Pokale, sich zu getrösten haben.


S. Sugenheim.


Grenzboten. !V.35
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183843"/>
          <p xml:id="ID_711" prev="#ID_710"> Diplomaten früherer Tage zu bewundern. Demungeachtet muß ich<lb/>
bekennen, daß die Allianz Oesterreichs und Preußens im Jahre 1840<lb/>
mit England und Rußland doch weit über mein Vorstellungs-Vermö-<lb/>
gen ging. Diesen beiden Haifischen, die täglich so fromme Wünsche<lb/>
für die Wohlfahrt des gesammten Deutschlands zum Himmel empor¬<lb/>
steigen lassen, diesen wollte man auch gar noch helfen, die Löwen¬<lb/>
antheile der türkischen Erbschaft einzusacken, und damit sie in diesem<lb/>
Geschäfte ja nicht gestört würden, ihm mit voller Muße und Bequem¬<lb/>
lichkeit obzuliegen, zeigte man nicht übel Lust, war man ganz nahe<lb/>
daran, Deutschland in einen Waffentanz mit Frankreich zu verwickeln,<lb/>
wollte also wieder einmal für Master John Bull die Kastanien aus<lb/>
dem Feuer holen, wieder einmal mit deutschem Gut und Blut die Zeche<lb/>
bezahlen! Es sind damals in Deutschland noch allerlei andere, wenn<lb/>
auch nicht ganz so, doch annähernd sublime Studien der höhern Di¬<lb/>
plomatie zu Tage gekommen. So ist mir z. B., als ich las, daß dem<lb/>
unsterblichen Sänger des NheinliedeS ein gewisser Pokal mit sehr huld¬<lb/>
vollem Handschreiben Übermacht worden, eingefallen: wie lange König<lb/>
Otto in Athen wohl noch spaziere,: gehen möchte, wenn Frankreich ihn<lb/>
aufgeben, nicht mehr im Stande sein würde, ihn auf seinein überaus<lb/>
wackeligen Throne festzuhalten?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_712"> Doch, rechten wir nicht länger über das Vergangene, um so we¬<lb/>
niger, da es in der Hallt der gütigen Vorsicht andere, als die bezweck¬<lb/>
ten, sehr erfreuliche Resultate zeitigte. Sorgen wir nur Alle, Jeder<lb/>
in seinem Kreise, so weit er es vermag, dafür, daß solche Böcke in<lb/>
Deutschland nicht mehr geschossen werden, nicht mehr geschossen<lb/>
werden können; unbekümmert darum, daß Jene, die diesem<lb/>
undankbarsten aller Geschäfte ohne Menschenfurcht, mit Energie und<lb/>
Freimuth sich widmen, ganz anderer Remunerationen, als silberner<lb/>
Pokale, sich zu getrösten haben.</p><lb/>
          <note type="byline"> S. Sugenheim.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. !V.35</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0261] Diplomaten früherer Tage zu bewundern. Demungeachtet muß ich bekennen, daß die Allianz Oesterreichs und Preußens im Jahre 1840 mit England und Rußland doch weit über mein Vorstellungs-Vermö- gen ging. Diesen beiden Haifischen, die täglich so fromme Wünsche für die Wohlfahrt des gesammten Deutschlands zum Himmel empor¬ steigen lassen, diesen wollte man auch gar noch helfen, die Löwen¬ antheile der türkischen Erbschaft einzusacken, und damit sie in diesem Geschäfte ja nicht gestört würden, ihm mit voller Muße und Bequem¬ lichkeit obzuliegen, zeigte man nicht übel Lust, war man ganz nahe daran, Deutschland in einen Waffentanz mit Frankreich zu verwickeln, wollte also wieder einmal für Master John Bull die Kastanien aus dem Feuer holen, wieder einmal mit deutschem Gut und Blut die Zeche bezahlen! Es sind damals in Deutschland noch allerlei andere, wenn auch nicht ganz so, doch annähernd sublime Studien der höhern Di¬ plomatie zu Tage gekommen. So ist mir z. B., als ich las, daß dem unsterblichen Sänger des NheinliedeS ein gewisser Pokal mit sehr huld¬ vollem Handschreiben Übermacht worden, eingefallen: wie lange König Otto in Athen wohl noch spaziere,: gehen möchte, wenn Frankreich ihn aufgeben, nicht mehr im Stande sein würde, ihn auf seinein überaus wackeligen Throne festzuhalten? Doch, rechten wir nicht länger über das Vergangene, um so we¬ niger, da es in der Hallt der gütigen Vorsicht andere, als die bezweck¬ ten, sehr erfreuliche Resultate zeitigte. Sorgen wir nur Alle, Jeder in seinem Kreise, so weit er es vermag, dafür, daß solche Böcke in Deutschland nicht mehr geschossen werden, nicht mehr geschossen werden können; unbekümmert darum, daß Jene, die diesem undankbarsten aller Geschäfte ohne Menschenfurcht, mit Energie und Freimuth sich widmen, ganz anderer Remunerationen, als silberner Pokale, sich zu getrösten haben. S. Sugenheim. Grenzboten. !V.35

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/261
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/261>, abgerufen am 26.08.2024.