Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

,,Centrum" genannt, die schroff ministeriellen, ja das jetzige Ministerium
oft weit in der Conservativität oder Reaction ihrer Gesinnungen über-
treffenden Abgeordneten aber die rechte Seite, daher auch als "Rechte"
bezeichnet. In München kann man dergleichen Bezeichnungen auch
nicht gebrauchen, wie denn überhaupt, mit einigen Ausnahmen, die
Parteien dort nicht so scharf sich abzeichnen.

Die ganze Erscheinung der badischen Kammer, die sehr viele, theils
ehrwürdig schöne Köpfe, z. V. v, Itzstein, Mittermaier, theils jugendlich
kräftige, wie Buhl, Hecker, Bassermann, Mitglieder zählt, ist sowohl
im Ausdruck der Gesichter im Allgemeinen geistvoller, wie im äußern
Auftreten eleganter, wozu schon viel beiträgt, daß sämmtliche Mitglie¬
der stets im Frack erscheinen. In München dagegen findet man gar
manche etwas stupide Bierbrauergesichtcr, und die Abgeordneten
sitzen im Paletot und ganz wie es ihnen beliebt, angezogen da. Zum
Gegensatz erscheinen in München stets alle Minister und sonstige Ver¬
treter der Regierung in voller Uniform, mit großen Ordensbändern,
in Karlsruhe aber nur im einfachen Leibrock; der Saal selbst hat in
Karlsruhe eine runde, in München eine, lange Gestalt, und ist dort
zwar kleiner, aber viel zweckmäßiger eingerichtet wie in letzterer Stadt.
Die Sitze der Abgeordneten, die in Karlsruhe mit grünem, in München
mit rothem Tuch ausgeschlagen sind, haben in ersterer Stadt bequeme
Tische mit schließbaren Fächern vor sich, was in letzterer gänzlich fehlt.
Die Zuschauer-Tribünen fassen in Karlsruhe noch zweimal so viel
Sitzplätze und ebenso viel Stehplätze wie in München, wo dieselben
sehr eng und schlecht eingerichtet sind. In München dagegen kann
man sich an einer Masse Bedienten in Hoflivree erbauen, die Ord¬
nung unter den Zuschauern erhalten, was in Karlsruhe gänzlich fehlt;
dort bedarf man auch eines Billets, was man übrigens unemgeldlich
ohne weitere Umstände erhält, um in den Saal zugelassen zu werden,
was hier aber nicht nothwendig ist. Störend fällt es aber in Karls¬
ruhe auf, daß während der Discussion ein Bedienter der Kammer mit
Circnlären und Missiven bei den einzelnen Mitgliedern herumgeht und
sie unterschreiben läßt, was allerdings auch in Paris, Brüssel u. f. w
der Fall ist.

Dies eine kurze, aber unparteiische vergleichende Schilderung bei¬
der Kammern. ^


O . ..


32*

,,Centrum" genannt, die schroff ministeriellen, ja das jetzige Ministerium
oft weit in der Conservativität oder Reaction ihrer Gesinnungen über-
treffenden Abgeordneten aber die rechte Seite, daher auch als „Rechte"
bezeichnet. In München kann man dergleichen Bezeichnungen auch
nicht gebrauchen, wie denn überhaupt, mit einigen Ausnahmen, die
Parteien dort nicht so scharf sich abzeichnen.

Die ganze Erscheinung der badischen Kammer, die sehr viele, theils
ehrwürdig schöne Köpfe, z. V. v, Itzstein, Mittermaier, theils jugendlich
kräftige, wie Buhl, Hecker, Bassermann, Mitglieder zählt, ist sowohl
im Ausdruck der Gesichter im Allgemeinen geistvoller, wie im äußern
Auftreten eleganter, wozu schon viel beiträgt, daß sämmtliche Mitglie¬
der stets im Frack erscheinen. In München dagegen findet man gar
manche etwas stupide Bierbrauergesichtcr, und die Abgeordneten
sitzen im Paletot und ganz wie es ihnen beliebt, angezogen da. Zum
Gegensatz erscheinen in München stets alle Minister und sonstige Ver¬
treter der Regierung in voller Uniform, mit großen Ordensbändern,
in Karlsruhe aber nur im einfachen Leibrock; der Saal selbst hat in
Karlsruhe eine runde, in München eine, lange Gestalt, und ist dort
zwar kleiner, aber viel zweckmäßiger eingerichtet wie in letzterer Stadt.
Die Sitze der Abgeordneten, die in Karlsruhe mit grünem, in München
mit rothem Tuch ausgeschlagen sind, haben in ersterer Stadt bequeme
Tische mit schließbaren Fächern vor sich, was in letzterer gänzlich fehlt.
Die Zuschauer-Tribünen fassen in Karlsruhe noch zweimal so viel
Sitzplätze und ebenso viel Stehplätze wie in München, wo dieselben
sehr eng und schlecht eingerichtet sind. In München dagegen kann
man sich an einer Masse Bedienten in Hoflivree erbauen, die Ord¬
nung unter den Zuschauern erhalten, was in Karlsruhe gänzlich fehlt;
dort bedarf man auch eines Billets, was man übrigens unemgeldlich
ohne weitere Umstände erhält, um in den Saal zugelassen zu werden,
was hier aber nicht nothwendig ist. Störend fällt es aber in Karls¬
ruhe auf, daß während der Discussion ein Bedienter der Kammer mit
Circnlären und Missiven bei den einzelnen Mitgliedern herumgeht und
sie unterschreiben läßt, was allerdings auch in Paris, Brüssel u. f. w
der Fall ist.

Dies eine kurze, aber unparteiische vergleichende Schilderung bei¬
der Kammern. ^


O . ..


32*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183821"/>
          <p xml:id="ID_648" prev="#ID_647"> ,,Centrum" genannt, die schroff ministeriellen, ja das jetzige Ministerium<lb/>
oft weit in der Conservativität oder Reaction ihrer Gesinnungen über-<lb/>
treffenden Abgeordneten aber die rechte Seite, daher auch als &#x201E;Rechte"<lb/>
bezeichnet. In München kann man dergleichen Bezeichnungen auch<lb/>
nicht gebrauchen, wie denn überhaupt, mit einigen Ausnahmen, die<lb/>
Parteien dort nicht so scharf sich abzeichnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_649"> Die ganze Erscheinung der badischen Kammer, die sehr viele, theils<lb/>
ehrwürdig schöne Köpfe, z. V. v, Itzstein, Mittermaier, theils jugendlich<lb/>
kräftige, wie Buhl, Hecker, Bassermann, Mitglieder zählt, ist sowohl<lb/>
im Ausdruck der Gesichter im Allgemeinen geistvoller, wie im äußern<lb/>
Auftreten eleganter, wozu schon viel beiträgt, daß sämmtliche Mitglie¬<lb/>
der stets im Frack erscheinen. In München dagegen findet man gar<lb/>
manche etwas stupide Bierbrauergesichtcr, und die Abgeordneten<lb/>
sitzen im Paletot und ganz wie es ihnen beliebt, angezogen da. Zum<lb/>
Gegensatz erscheinen in München stets alle Minister und sonstige Ver¬<lb/>
treter der Regierung in voller Uniform, mit großen Ordensbändern,<lb/>
in Karlsruhe aber nur im einfachen Leibrock; der Saal selbst hat in<lb/>
Karlsruhe eine runde, in München eine, lange Gestalt, und ist dort<lb/>
zwar kleiner, aber viel zweckmäßiger eingerichtet wie in letzterer Stadt.<lb/>
Die Sitze der Abgeordneten, die in Karlsruhe mit grünem, in München<lb/>
mit rothem Tuch ausgeschlagen sind, haben in ersterer Stadt bequeme<lb/>
Tische mit schließbaren Fächern vor sich, was in letzterer gänzlich fehlt.<lb/>
Die Zuschauer-Tribünen fassen in Karlsruhe noch zweimal so viel<lb/>
Sitzplätze und ebenso viel Stehplätze wie in München, wo dieselben<lb/>
sehr eng und schlecht eingerichtet sind. In München dagegen kann<lb/>
man sich an einer Masse Bedienten in Hoflivree erbauen, die Ord¬<lb/>
nung unter den Zuschauern erhalten, was in Karlsruhe gänzlich fehlt;<lb/>
dort bedarf man auch eines Billets, was man übrigens unemgeldlich<lb/>
ohne weitere Umstände erhält, um in den Saal zugelassen zu werden,<lb/>
was hier aber nicht nothwendig ist. Störend fällt es aber in Karls¬<lb/>
ruhe auf, daß während der Discussion ein Bedienter der Kammer mit<lb/>
Circnlären und Missiven bei den einzelnen Mitgliedern herumgeht und<lb/>
sie unterschreiben läßt, was allerdings auch in Paris, Brüssel u. f. w<lb/>
der Fall ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_650"> Dies eine kurze, aber unparteiische vergleichende Schilderung bei¬<lb/>
der Kammern. ^</p><lb/>
          <note type="byline"> O . ..</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 32*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0239] ,,Centrum" genannt, die schroff ministeriellen, ja das jetzige Ministerium oft weit in der Conservativität oder Reaction ihrer Gesinnungen über- treffenden Abgeordneten aber die rechte Seite, daher auch als „Rechte" bezeichnet. In München kann man dergleichen Bezeichnungen auch nicht gebrauchen, wie denn überhaupt, mit einigen Ausnahmen, die Parteien dort nicht so scharf sich abzeichnen. Die ganze Erscheinung der badischen Kammer, die sehr viele, theils ehrwürdig schöne Köpfe, z. V. v, Itzstein, Mittermaier, theils jugendlich kräftige, wie Buhl, Hecker, Bassermann, Mitglieder zählt, ist sowohl im Ausdruck der Gesichter im Allgemeinen geistvoller, wie im äußern Auftreten eleganter, wozu schon viel beiträgt, daß sämmtliche Mitglie¬ der stets im Frack erscheinen. In München dagegen findet man gar manche etwas stupide Bierbrauergesichtcr, und die Abgeordneten sitzen im Paletot und ganz wie es ihnen beliebt, angezogen da. Zum Gegensatz erscheinen in München stets alle Minister und sonstige Ver¬ treter der Regierung in voller Uniform, mit großen Ordensbändern, in Karlsruhe aber nur im einfachen Leibrock; der Saal selbst hat in Karlsruhe eine runde, in München eine, lange Gestalt, und ist dort zwar kleiner, aber viel zweckmäßiger eingerichtet wie in letzterer Stadt. Die Sitze der Abgeordneten, die in Karlsruhe mit grünem, in München mit rothem Tuch ausgeschlagen sind, haben in ersterer Stadt bequeme Tische mit schließbaren Fächern vor sich, was in letzterer gänzlich fehlt. Die Zuschauer-Tribünen fassen in Karlsruhe noch zweimal so viel Sitzplätze und ebenso viel Stehplätze wie in München, wo dieselben sehr eng und schlecht eingerichtet sind. In München dagegen kann man sich an einer Masse Bedienten in Hoflivree erbauen, die Ord¬ nung unter den Zuschauern erhalten, was in Karlsruhe gänzlich fehlt; dort bedarf man auch eines Billets, was man übrigens unemgeldlich ohne weitere Umstände erhält, um in den Saal zugelassen zu werden, was hier aber nicht nothwendig ist. Störend fällt es aber in Karls¬ ruhe auf, daß während der Discussion ein Bedienter der Kammer mit Circnlären und Missiven bei den einzelnen Mitgliedern herumgeht und sie unterschreiben läßt, was allerdings auch in Paris, Brüssel u. f. w der Fall ist. Dies eine kurze, aber unparteiische vergleichende Schilderung bei¬ der Kammern. ^ O . .. 32*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/239
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/239>, abgerufen am 26.08.2024.