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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Edel aus Würzburg, die unter einigen Stunden die Rednerbühne so
leicht nicht verlassen, und dabei wenig Anderes vorbringen, als was
man in jedem Compendium finden könnte. So etwas geschieht in
Karlsruhe entschieden nicht, und die Kammer selbst würde schon nicht
die Geduld haben, solche langathmige Redner wiederholt anzuhören.
Daher währen in der Regel dort die Sitzungen von 9-^ bis 12^, und
in München von 9 bis 2^ Uhr, und die Landtage dort vier, hier aber
7--8 Monate. Was dagegen in München nie stattfindet, ist das willkür¬
liche Abschweifen von den durch die Tagesordnung bestimmten Fragen,
wie in Karlsruhe besonders von einigen Rednern der Opposition, na¬
mentlich Welcker, Hecker, Rapp so oft geschieht. Diese halten sich oft
nicht im Mindesten an die Tagesordnung, sondern bringen in ihren
Reden Gegenstände vor, die oft nicht im geringsten Zusammenhang
mit dem eigentlichen Redezweck stehen. Daher hört man dort so oft
des Präsidenten Mittermaier halb bittenden, halb strafenden Zuruf:
"Aber, meine Herren, ich muß bitten, doch nicht gar zu viele Abschwei¬
fungen zu machen und beim Gegenstand selbst zu bleiben," was in
München nur äußerst selten vorgekommt, obgleich der dortige erste
Präsident Freiherr von Rotenhan hierin bedeutend strenger wie der
badische ist. Auch der Ton der Debatten selbst, ist in München viel
ruhiger und leidenschaftsloser als in Karlsruhe. Man merkt da
gleich, daß Baden ein kleines Land, mit kleinlichen Verhältnissen ist,
daß früherer persönlicher Haß zwischen manchen einzelnen Mitgliedern
besteht, der sich nur in ihren Reden gegeneinander Lust zu machen
sucht. Daher die Erregtheit, die Heftigkeit, welche einzelne Redner
so sehr dort charakterisiert, der Gebrauch der Worte "Lüge", "Büberei"
u. s. w., welche wir daselbst schon vernommen, und welche in keiner
anständigen Gesellschaft und vielweniger uoch in einer Ständekammer
gebraucht werden sollten. Die Abgeordneten Rapp, Mathy und Hecker
von der Opposition, und Buß und der Chef des Justizministeriums
Jolly von der ministeriellen Seite, zeichneten sich vorzüglich durch die
oft unangemessene Heftigkeit ihrer Reden aus, und es bedürfte häufig
der ganzen Gewandtheit des Präsidenten Mittermaier, um, noch ärge¬
ren Excessen vorzubeugen. Offen bekennen wir, daß trotz aller Inlet,
ligenz und dem regen Eifer für den Fortschritt, den man in der badi¬
schen Kammer so vielfältig findet, uns manche Sitzungen derselben den
unangenehmsten Eindruck gemacht haben, und wir bei manchen Dis--
aufstören mehr an eine Studentenversammlung als an eine Kammer


Edel aus Würzburg, die unter einigen Stunden die Rednerbühne so
leicht nicht verlassen, und dabei wenig Anderes vorbringen, als was
man in jedem Compendium finden könnte. So etwas geschieht in
Karlsruhe entschieden nicht, und die Kammer selbst würde schon nicht
die Geduld haben, solche langathmige Redner wiederholt anzuhören.
Daher währen in der Regel dort die Sitzungen von 9-^ bis 12^, und
in München von 9 bis 2^ Uhr, und die Landtage dort vier, hier aber
7—8 Monate. Was dagegen in München nie stattfindet, ist das willkür¬
liche Abschweifen von den durch die Tagesordnung bestimmten Fragen,
wie in Karlsruhe besonders von einigen Rednern der Opposition, na¬
mentlich Welcker, Hecker, Rapp so oft geschieht. Diese halten sich oft
nicht im Mindesten an die Tagesordnung, sondern bringen in ihren
Reden Gegenstände vor, die oft nicht im geringsten Zusammenhang
mit dem eigentlichen Redezweck stehen. Daher hört man dort so oft
des Präsidenten Mittermaier halb bittenden, halb strafenden Zuruf:
„Aber, meine Herren, ich muß bitten, doch nicht gar zu viele Abschwei¬
fungen zu machen und beim Gegenstand selbst zu bleiben," was in
München nur äußerst selten vorgekommt, obgleich der dortige erste
Präsident Freiherr von Rotenhan hierin bedeutend strenger wie der
badische ist. Auch der Ton der Debatten selbst, ist in München viel
ruhiger und leidenschaftsloser als in Karlsruhe. Man merkt da
gleich, daß Baden ein kleines Land, mit kleinlichen Verhältnissen ist,
daß früherer persönlicher Haß zwischen manchen einzelnen Mitgliedern
besteht, der sich nur in ihren Reden gegeneinander Lust zu machen
sucht. Daher die Erregtheit, die Heftigkeit, welche einzelne Redner
so sehr dort charakterisiert, der Gebrauch der Worte „Lüge", „Büberei"
u. s. w., welche wir daselbst schon vernommen, und welche in keiner
anständigen Gesellschaft und vielweniger uoch in einer Ständekammer
gebraucht werden sollten. Die Abgeordneten Rapp, Mathy und Hecker
von der Opposition, und Buß und der Chef des Justizministeriums
Jolly von der ministeriellen Seite, zeichneten sich vorzüglich durch die
oft unangemessene Heftigkeit ihrer Reden aus, und es bedürfte häufig
der ganzen Gewandtheit des Präsidenten Mittermaier, um, noch ärge¬
ren Excessen vorzubeugen. Offen bekennen wir, daß trotz aller Inlet,
ligenz und dem regen Eifer für den Fortschritt, den man in der badi¬
schen Kammer so vielfältig findet, uns manche Sitzungen derselben den
unangenehmsten Eindruck gemacht haben, und wir bei manchen Dis--
aufstören mehr an eine Studentenversammlung als an eine Kammer


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[0233] Edel aus Würzburg, die unter einigen Stunden die Rednerbühne so leicht nicht verlassen, und dabei wenig Anderes vorbringen, als was man in jedem Compendium finden könnte. So etwas geschieht in Karlsruhe entschieden nicht, und die Kammer selbst würde schon nicht die Geduld haben, solche langathmige Redner wiederholt anzuhören. Daher währen in der Regel dort die Sitzungen von 9-^ bis 12^, und in München von 9 bis 2^ Uhr, und die Landtage dort vier, hier aber 7—8 Monate. Was dagegen in München nie stattfindet, ist das willkür¬ liche Abschweifen von den durch die Tagesordnung bestimmten Fragen, wie in Karlsruhe besonders von einigen Rednern der Opposition, na¬ mentlich Welcker, Hecker, Rapp so oft geschieht. Diese halten sich oft nicht im Mindesten an die Tagesordnung, sondern bringen in ihren Reden Gegenstände vor, die oft nicht im geringsten Zusammenhang mit dem eigentlichen Redezweck stehen. Daher hört man dort so oft des Präsidenten Mittermaier halb bittenden, halb strafenden Zuruf: „Aber, meine Herren, ich muß bitten, doch nicht gar zu viele Abschwei¬ fungen zu machen und beim Gegenstand selbst zu bleiben," was in München nur äußerst selten vorgekommt, obgleich der dortige erste Präsident Freiherr von Rotenhan hierin bedeutend strenger wie der badische ist. Auch der Ton der Debatten selbst, ist in München viel ruhiger und leidenschaftsloser als in Karlsruhe. Man merkt da gleich, daß Baden ein kleines Land, mit kleinlichen Verhältnissen ist, daß früherer persönlicher Haß zwischen manchen einzelnen Mitgliedern besteht, der sich nur in ihren Reden gegeneinander Lust zu machen sucht. Daher die Erregtheit, die Heftigkeit, welche einzelne Redner so sehr dort charakterisiert, der Gebrauch der Worte „Lüge", „Büberei" u. s. w., welche wir daselbst schon vernommen, und welche in keiner anständigen Gesellschaft und vielweniger uoch in einer Ständekammer gebraucht werden sollten. Die Abgeordneten Rapp, Mathy und Hecker von der Opposition, und Buß und der Chef des Justizministeriums Jolly von der ministeriellen Seite, zeichneten sich vorzüglich durch die oft unangemessene Heftigkeit ihrer Reden aus, und es bedürfte häufig der ganzen Gewandtheit des Präsidenten Mittermaier, um, noch ärge¬ ren Excessen vorzubeugen. Offen bekennen wir, daß trotz aller Inlet, ligenz und dem regen Eifer für den Fortschritt, den man in der badi¬ schen Kammer so vielfältig findet, uns manche Sitzungen derselben den unangenehmsten Eindruck gemacht haben, und wir bei manchen Dis-- aufstören mehr an eine Studentenversammlung als an eine Kammer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/233>, abgerufen am 26.08.2024.