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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Kanzlei die Presse mit Processen verfolgt, und wenn auch die Unter¬
geriehte frei sprechen, das höchste Gericht doch gewöhnlich verurtheilt.
Die Strafen bestehen gewöhnlich darin, daß der Versasser oder Re¬
dacteur eine gewisse Mulet zahlen muß, oder auf gewisse Jahre, bis
aus Lebenszeit, unter Censur gestellt wird, während welcher Zeit er
nicht als Redacteur auftreten darf. Der Tage- und Wochenblätter
gibt es in Dänemark sehr viele. Die censirten, d.i. diejenigen, welche
politische Nachrichten mittheilen, sind höchst unbedeutend; sie übersetzen
nur aus deutschen Zeitungen. Wollen sie zugleich über inländische
Angelegenheiten verhandeln, so werden die desfallsigen Artikel mit cen-
strt. Es wird so strenge darauf gehalten, daß die nicht censirten Zei¬
tungen keine politische Nachrichten mittheilen, daß gleich eine Beschlag¬
nahme erfolgt, wenn die Mittheilung sonst auch ganz unverfänglich,
längst bekannt ist. Ein freiwilliges und selbstständiges konservatives
Journal gibt es in Dänemark gar nicht, wenigstens keins von irgend
einer Bedeutung; aber die Regierung hat selbst ein officielles Organ,
"die Collegialzeitung," und ein halb officielles, die "Berlingsche Zei¬
tung," worin die Erlasse der Regierung bekannt gemacht und das
Verfahren der Regierung so wie überhaupt der gegenwärtige Zustand
der Dinge gegen die Oppositionsprcsse vertheidigt wird. Der Oppo-
sitionsblättcr gibt es sehr viele, ich nenne nur die bedeutendsten:
"Faedrelandet" (das Vaterland) und "Kjöbenhavespost" (die Kopen¬
hagener Post); das erste Blatt ist vorherrschend national-dänisch und
national-scandinavisch, das andere ist vorherrschend constitutionel. Alle
dänischen Blatter, liberale und konservative, mit Ausnahme der offici-
ellen Collegialzeitung, polemisiren sehr stark gegen daS Deutschthum,
besonders gegen die Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg,
die sie als dänische Besitzthümer wollen angesehen wissen, aber am
ärgsten polemisirt gerade die Oppositionspresse, die zuweilen so lächer¬
liche Bravaden vorbringt, als könne das kleine Dänemark wohl dem
großen Deutschland gebieten. Die Polemik gegen das Deutsche ist
überhaupt auffallend, da dasselbe sich hier durchaus nicht aufdringt,
wenigstens jetzt nicht, aber doch ganz natürlich Alles den deutschen
Charakter trägt, besonders Wissenschaft und Literatur, was auch leicht
begreiflich ist, da das national-dänische Sprach- und Literaturgcbiet
zu klein ist; denn wenn auch Norwegen mit Dänemark eine Schrift¬
sprache hat, so ist die schwedische doch wieder zu bedeutend abwei¬
chend, als daß schwedische Schriften im Allgemeinen in Dänemark
verstanden würden. Man beschäftigt sich jetzt viel mit schwedischer
Sprache und Literatur und sucht mehr Wechselverkehr zwischen beiden
scandinavischen Hauptdiilekten hervorzubringen; aber wenn das auch
einigermaßen gelingen sollte, so wird damit die deutsche Wissenschaft
nicht außer Gebrauch kommen, da man auch in Schweden sich auf sie
besonders stützt, und ebenfalls die deutsche Sprache nicht, die gleich-


Kanzlei die Presse mit Processen verfolgt, und wenn auch die Unter¬
geriehte frei sprechen, das höchste Gericht doch gewöhnlich verurtheilt.
Die Strafen bestehen gewöhnlich darin, daß der Versasser oder Re¬
dacteur eine gewisse Mulet zahlen muß, oder auf gewisse Jahre, bis
aus Lebenszeit, unter Censur gestellt wird, während welcher Zeit er
nicht als Redacteur auftreten darf. Der Tage- und Wochenblätter
gibt es in Dänemark sehr viele. Die censirten, d.i. diejenigen, welche
politische Nachrichten mittheilen, sind höchst unbedeutend; sie übersetzen
nur aus deutschen Zeitungen. Wollen sie zugleich über inländische
Angelegenheiten verhandeln, so werden die desfallsigen Artikel mit cen-
strt. Es wird so strenge darauf gehalten, daß die nicht censirten Zei¬
tungen keine politische Nachrichten mittheilen, daß gleich eine Beschlag¬
nahme erfolgt, wenn die Mittheilung sonst auch ganz unverfänglich,
längst bekannt ist. Ein freiwilliges und selbstständiges konservatives
Journal gibt es in Dänemark gar nicht, wenigstens keins von irgend
einer Bedeutung; aber die Regierung hat selbst ein officielles Organ,
„die Collegialzeitung," und ein halb officielles, die „Berlingsche Zei¬
tung," worin die Erlasse der Regierung bekannt gemacht und das
Verfahren der Regierung so wie überhaupt der gegenwärtige Zustand
der Dinge gegen die Oppositionsprcsse vertheidigt wird. Der Oppo-
sitionsblättcr gibt es sehr viele, ich nenne nur die bedeutendsten:
„Faedrelandet" (das Vaterland) und „Kjöbenhavespost" (die Kopen¬
hagener Post); das erste Blatt ist vorherrschend national-dänisch und
national-scandinavisch, das andere ist vorherrschend constitutionel. Alle
dänischen Blatter, liberale und konservative, mit Ausnahme der offici-
ellen Collegialzeitung, polemisiren sehr stark gegen daS Deutschthum,
besonders gegen die Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg,
die sie als dänische Besitzthümer wollen angesehen wissen, aber am
ärgsten polemisirt gerade die Oppositionspresse, die zuweilen so lächer¬
liche Bravaden vorbringt, als könne das kleine Dänemark wohl dem
großen Deutschland gebieten. Die Polemik gegen das Deutsche ist
überhaupt auffallend, da dasselbe sich hier durchaus nicht aufdringt,
wenigstens jetzt nicht, aber doch ganz natürlich Alles den deutschen
Charakter trägt, besonders Wissenschaft und Literatur, was auch leicht
begreiflich ist, da das national-dänische Sprach- und Literaturgcbiet
zu klein ist; denn wenn auch Norwegen mit Dänemark eine Schrift¬
sprache hat, so ist die schwedische doch wieder zu bedeutend abwei¬
chend, als daß schwedische Schriften im Allgemeinen in Dänemark
verstanden würden. Man beschäftigt sich jetzt viel mit schwedischer
Sprache und Literatur und sucht mehr Wechselverkehr zwischen beiden
scandinavischen Hauptdiilekten hervorzubringen; aber wenn das auch
einigermaßen gelingen sollte, so wird damit die deutsche Wissenschaft
nicht außer Gebrauch kommen, da man auch in Schweden sich auf sie
besonders stützt, und ebenfalls die deutsche Sprache nicht, die gleich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/81>, abgerufen am 26.06.2024.