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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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"Sanct Catharin', Sanct Barbara,
"Sanct Agnes, Sanct Cäcilia,
"Madonna! -- Laßt es doch geschehn,
"Daß bald mein Esel mag aufrecht stehn!"
Darauf Petrus also sprach zum Herrn;
So Du es willst, Meister, helf' ich ihm gern.
"Mit Nichten," war des Meisters Befehl;
Deß staunte Petrus in seiner Seel'.
Und weiter schritten sie durch das Thal
Und sah'n einen Esel abermal;
Und einen Mann, der flucht' und grollt',
Dieweil sein Esel nicht weiter wollt'.
Er hieb mit dem Stecken auf das Thier,
Daß die Splitter stoben dort und hier.
"Vermaledeiter, fauler Knab'!
"Ich bring', beim Teufel, Dich in Trab.
"Madonna, Hölle, Pest und Mord!
"Ich trieb' schon andre Esel fort."
Er zerrt' am Zaum ihn, Hals und Ohr
Schon zog er halb ihn dran empor.
Er hieb unbändig auf ihn ein,
Doch träge lag er wie ein Stein.
Dü Petrus sprach zum Herren so:
Wie hurtig ist der Mensch und roh!
"Dem helfet" war des Meisters Befehl;
Des staunte Petrus in seiner Seel'.
Da sprach der Meister: "Das wundert Dich?
Wer selbst sich hilft, dem helf' auch ich."

Wer sollte bei der indifferenten Masse des römischen Volkes dieses
verkörperte ,,-übe-toi öl I<z alvi l'i>i<Jei-u" vermuthen? In den letzten
Tagen scheint man im Kirchenstaat allerdings ernster an eine Verbesse¬
rung der Verhältnisse zu denken. Da man mit dem Erdolchen einzelner
Polizeiagentcn nicht weiter kommt und von einem bewaffneten Aufstand
aus Hochachtung vor den nahen österreichischen Bajonnetten und Kanonen
nichts hoffen kann, so versucht man's im friedlichen Wege. Eine An¬
zahl Notablen aus der Romagna hat an das Conclave eine Bittschrift
gerichtet, um den neuen Papst zur Einsetzung von Provinzialständen zu
bewegen. Unter den Hauptunterzeichneten findet sich auch Freund Ros¬
sini, unser berühmter, dicker und fauler Othello und Barbiermeister.
Es muß schlimm zugehen, wenn sogar die Musiker zu Politikern wer-


„Sanct Catharin', Sanct Barbara,
„Sanct Agnes, Sanct Cäcilia,
„Madonna! — Laßt es doch geschehn,
„Daß bald mein Esel mag aufrecht stehn!"
Darauf Petrus also sprach zum Herrn;
So Du es willst, Meister, helf' ich ihm gern.
„Mit Nichten," war des Meisters Befehl;
Deß staunte Petrus in seiner Seel'.
Und weiter schritten sie durch das Thal
Und sah'n einen Esel abermal;
Und einen Mann, der flucht' und grollt',
Dieweil sein Esel nicht weiter wollt'.
Er hieb mit dem Stecken auf das Thier,
Daß die Splitter stoben dort und hier.
„Vermaledeiter, fauler Knab'!
„Ich bring', beim Teufel, Dich in Trab.
„Madonna, Hölle, Pest und Mord!
„Ich trieb' schon andre Esel fort."
Er zerrt' am Zaum ihn, Hals und Ohr
Schon zog er halb ihn dran empor.
Er hieb unbändig auf ihn ein,
Doch träge lag er wie ein Stein.
Dü Petrus sprach zum Herren so:
Wie hurtig ist der Mensch und roh!
„Dem helfet" war des Meisters Befehl;
Des staunte Petrus in seiner Seel'.
Da sprach der Meister: „Das wundert Dich?
Wer selbst sich hilft, dem helf' auch ich."

Wer sollte bei der indifferenten Masse des römischen Volkes dieses
verkörperte ,,-übe-toi öl I<z alvi l'i>i<Jei-u" vermuthen? In den letzten
Tagen scheint man im Kirchenstaat allerdings ernster an eine Verbesse¬
rung der Verhältnisse zu denken. Da man mit dem Erdolchen einzelner
Polizeiagentcn nicht weiter kommt und von einem bewaffneten Aufstand
aus Hochachtung vor den nahen österreichischen Bajonnetten und Kanonen
nichts hoffen kann, so versucht man's im friedlichen Wege. Eine An¬
zahl Notablen aus der Romagna hat an das Conclave eine Bittschrift
gerichtet, um den neuen Papst zur Einsetzung von Provinzialständen zu
bewegen. Unter den Hauptunterzeichneten findet sich auch Freund Ros¬
sini, unser berühmter, dicker und fauler Othello und Barbiermeister.
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[0589] „Sanct Catharin', Sanct Barbara, „Sanct Agnes, Sanct Cäcilia, „Madonna! — Laßt es doch geschehn, „Daß bald mein Esel mag aufrecht stehn!" Darauf Petrus also sprach zum Herrn; So Du es willst, Meister, helf' ich ihm gern. „Mit Nichten," war des Meisters Befehl; Deß staunte Petrus in seiner Seel'. Und weiter schritten sie durch das Thal Und sah'n einen Esel abermal; Und einen Mann, der flucht' und grollt', Dieweil sein Esel nicht weiter wollt'. Er hieb mit dem Stecken auf das Thier, Daß die Splitter stoben dort und hier. „Vermaledeiter, fauler Knab'! „Ich bring', beim Teufel, Dich in Trab. „Madonna, Hölle, Pest und Mord! „Ich trieb' schon andre Esel fort." Er zerrt' am Zaum ihn, Hals und Ohr Schon zog er halb ihn dran empor. Er hieb unbändig auf ihn ein, Doch träge lag er wie ein Stein. Dü Petrus sprach zum Herren so: Wie hurtig ist der Mensch und roh! „Dem helfet" war des Meisters Befehl; Des staunte Petrus in seiner Seel'. Da sprach der Meister: „Das wundert Dich? Wer selbst sich hilft, dem helf' auch ich." Wer sollte bei der indifferenten Masse des römischen Volkes dieses verkörperte ,,-übe-toi öl I<z alvi l'i>i<Jei-u" vermuthen? In den letzten Tagen scheint man im Kirchenstaat allerdings ernster an eine Verbesse¬ rung der Verhältnisse zu denken. Da man mit dem Erdolchen einzelner Polizeiagentcn nicht weiter kommt und von einem bewaffneten Aufstand aus Hochachtung vor den nahen österreichischen Bajonnetten und Kanonen nichts hoffen kann, so versucht man's im friedlichen Wege. Eine An¬ zahl Notablen aus der Romagna hat an das Conclave eine Bittschrift gerichtet, um den neuen Papst zur Einsetzung von Provinzialständen zu bewegen. Unter den Hauptunterzeichneten findet sich auch Freund Ros¬ sini, unser berühmter, dicker und fauler Othello und Barbiermeister. Es muß schlimm zugehen, wenn sogar die Musiker zu Politikern wer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/589>, abgerufen am 23.07.2024.