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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Kölnern, jetzt, nachdem kaum das erste deutsche Sängerfest als ein
Anfang gelungen zu nennen war, eine solche deutsch-flämische Vereini¬
gung in's Werk zu setzen. So wie Deutschland zuerst selbst sich mehr
consolidiren und vereinigen muß, ehe an ein engeres Anschließen an die
Nachbaren gedacht werden kann, ebenso schien es in der Natur der
Sache zu liegen, daß der deutsche Sängerbund sich zuerst als solcher
befestigen müsse, ehe er mit den Flamingern gemeinschaftliche Sache zu
machen habe. Indessen müßte die Idee nur als eine um so großarti¬
gere bezeichnet werden, wenn wirklich eine solche Idee vorgelegen hätte.
Dies ist aber sehr zu bestreik'". Denn hätte eine solche Idee der Ver¬
einigung vorgewaltet, so müßte doch irgend eine Bestrebung, dieselbe
in's Werk zu setzen, sich gezeigt haben. Und wer möchte behaupten,
daß es genug sei, eine ungeheure Menschenmenge an einen Ort zu¬
sammen zu treiben, um alsbald ihre Vereinigung und Verschmelzung
zu bewirken? Hätten die Kölner die Flaminger allein eingeladen, ich
glaube es hätte sich unter allen Verhältnissen eine innigere Verbindung
herausgestellt, als nun selbst bei den besten Anordnungen möglich gewesen
wäre. Hörte ich doch einen der bedeutendsten Köpfe Belgiens bei der
begeisterten Rede eines Holsteiners, der über innere Zustände sprach,
sich mißbilligend äußern, daß hier nur von Kunst die Rede sein könne,
ein Zeichen, wie wenig es in die Bedeutung des Festes eingedrungen
war, wie wenig Sympathie für Deutschland überhaupt in ihm lebte.
Aber abgesehen von dieser beabsichtigten Vereinigung Flanderns mit
Deutschland, wie wenig war dafür gesorgt, Anknüpfungspunkte für
sich bildende Freundschaften darzubieten und eine Vereinigung der man-
nichfachen Elemente herbeizuführen! Man glaubte Alles gethan zu
haben, indem man die Gäste in verschiedene Wirthsgärten schickte, wo
sie durch die Prellereien der Wirthe und die schlechte Bedienung von
vorne herein in schlimmen Humor versetzt wurde, wo aber das Comite,
wenn es ja anwesend war, unsichtbar blieb.

Indessen möchten wir nicht gern allzuharte Vorwürfe aussprechen
und uns lieber auf die selbst eingestandene Unerfahrenheit verweisen
lassen, hätten wir nicht auf der einen Seite die genannten Sängerfeste
von Frankfurt a. M. und Würzburg, sowie die von Würtemberg und
der Schweiz, auf der andern einen Umstand, der arge Bedenken ein¬
flößen muß.

Es ist nämlich durchaus kein Geheimniß geblieben, daß dem Sän¬
gerfeste, also der vielgerühmten Vereinigung des kölner Männergesang¬
vereins mit auswärtigen Vereinen jeder Art, die heftigsten Reibungen


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Kölnern, jetzt, nachdem kaum das erste deutsche Sängerfest als ein
Anfang gelungen zu nennen war, eine solche deutsch-flämische Vereini¬
gung in's Werk zu setzen. So wie Deutschland zuerst selbst sich mehr
consolidiren und vereinigen muß, ehe an ein engeres Anschließen an die
Nachbaren gedacht werden kann, ebenso schien es in der Natur der
Sache zu liegen, daß der deutsche Sängerbund sich zuerst als solcher
befestigen müsse, ehe er mit den Flamingern gemeinschaftliche Sache zu
machen habe. Indessen müßte die Idee nur als eine um so großarti¬
gere bezeichnet werden, wenn wirklich eine solche Idee vorgelegen hätte.
Dies ist aber sehr zu bestreik'». Denn hätte eine solche Idee der Ver¬
einigung vorgewaltet, so müßte doch irgend eine Bestrebung, dieselbe
in's Werk zu setzen, sich gezeigt haben. Und wer möchte behaupten,
daß es genug sei, eine ungeheure Menschenmenge an einen Ort zu¬
sammen zu treiben, um alsbald ihre Vereinigung und Verschmelzung
zu bewirken? Hätten die Kölner die Flaminger allein eingeladen, ich
glaube es hätte sich unter allen Verhältnissen eine innigere Verbindung
herausgestellt, als nun selbst bei den besten Anordnungen möglich gewesen
wäre. Hörte ich doch einen der bedeutendsten Köpfe Belgiens bei der
begeisterten Rede eines Holsteiners, der über innere Zustände sprach,
sich mißbilligend äußern, daß hier nur von Kunst die Rede sein könne,
ein Zeichen, wie wenig es in die Bedeutung des Festes eingedrungen
war, wie wenig Sympathie für Deutschland überhaupt in ihm lebte.
Aber abgesehen von dieser beabsichtigten Vereinigung Flanderns mit
Deutschland, wie wenig war dafür gesorgt, Anknüpfungspunkte für
sich bildende Freundschaften darzubieten und eine Vereinigung der man-
nichfachen Elemente herbeizuführen! Man glaubte Alles gethan zu
haben, indem man die Gäste in verschiedene Wirthsgärten schickte, wo
sie durch die Prellereien der Wirthe und die schlechte Bedienung von
vorne herein in schlimmen Humor versetzt wurde, wo aber das Comite,
wenn es ja anwesend war, unsichtbar blieb.

Indessen möchten wir nicht gern allzuharte Vorwürfe aussprechen
und uns lieber auf die selbst eingestandene Unerfahrenheit verweisen
lassen, hätten wir nicht auf der einen Seite die genannten Sängerfeste
von Frankfurt a. M. und Würzburg, sowie die von Würtemberg und
der Schweiz, auf der andern einen Umstand, der arge Bedenken ein¬
flößen muß.

Es ist nämlich durchaus kein Geheimniß geblieben, daß dem Sän¬
gerfeste, also der vielgerühmten Vereinigung des kölner Männergesang¬
vereins mit auswärtigen Vereinen jeder Art, die heftigsten Reibungen


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[0555] Kölnern, jetzt, nachdem kaum das erste deutsche Sängerfest als ein Anfang gelungen zu nennen war, eine solche deutsch-flämische Vereini¬ gung in's Werk zu setzen. So wie Deutschland zuerst selbst sich mehr consolidiren und vereinigen muß, ehe an ein engeres Anschließen an die Nachbaren gedacht werden kann, ebenso schien es in der Natur der Sache zu liegen, daß der deutsche Sängerbund sich zuerst als solcher befestigen müsse, ehe er mit den Flamingern gemeinschaftliche Sache zu machen habe. Indessen müßte die Idee nur als eine um so großarti¬ gere bezeichnet werden, wenn wirklich eine solche Idee vorgelegen hätte. Dies ist aber sehr zu bestreik'». Denn hätte eine solche Idee der Ver¬ einigung vorgewaltet, so müßte doch irgend eine Bestrebung, dieselbe in's Werk zu setzen, sich gezeigt haben. Und wer möchte behaupten, daß es genug sei, eine ungeheure Menschenmenge an einen Ort zu¬ sammen zu treiben, um alsbald ihre Vereinigung und Verschmelzung zu bewirken? Hätten die Kölner die Flaminger allein eingeladen, ich glaube es hätte sich unter allen Verhältnissen eine innigere Verbindung herausgestellt, als nun selbst bei den besten Anordnungen möglich gewesen wäre. Hörte ich doch einen der bedeutendsten Köpfe Belgiens bei der begeisterten Rede eines Holsteiners, der über innere Zustände sprach, sich mißbilligend äußern, daß hier nur von Kunst die Rede sein könne, ein Zeichen, wie wenig es in die Bedeutung des Festes eingedrungen war, wie wenig Sympathie für Deutschland überhaupt in ihm lebte. Aber abgesehen von dieser beabsichtigten Vereinigung Flanderns mit Deutschland, wie wenig war dafür gesorgt, Anknüpfungspunkte für sich bildende Freundschaften darzubieten und eine Vereinigung der man- nichfachen Elemente herbeizuführen! Man glaubte Alles gethan zu haben, indem man die Gäste in verschiedene Wirthsgärten schickte, wo sie durch die Prellereien der Wirthe und die schlechte Bedienung von vorne herein in schlimmen Humor versetzt wurde, wo aber das Comite, wenn es ja anwesend war, unsichtbar blieb. Indessen möchten wir nicht gern allzuharte Vorwürfe aussprechen und uns lieber auf die selbst eingestandene Unerfahrenheit verweisen lassen, hätten wir nicht auf der einen Seite die genannten Sängerfeste von Frankfurt a. M. und Würzburg, sowie die von Würtemberg und der Schweiz, auf der andern einen Umstand, der arge Bedenken ein¬ flößen muß. Es ist nämlich durchaus kein Geheimniß geblieben, daß dem Sän¬ gerfeste, also der vielgerühmten Vereinigung des kölner Männergesang¬ vereins mit auswärtigen Vereinen jeder Art, die heftigsten Reibungen 70-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/555>, abgerufen am 24.11.2024.