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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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mit einem andern Vereine vorangegangen sind, so daß Viele dieses Ge¬
sangsfest blos als eine Demonstration gegen jenen Verein betrachteten
und ein Freund von mir eine Caricatur entworfen, wo der personi-
ficirte "Männerverein von K." den sogenannten Brüdervereinen liebend
die Arme öffnet, während er seinen nächsten Bruder mit dem Fuße von
sich stößt. In dieser heillosen Zwietracht im Innern von Köln, ist der
Grund alles Übeln Erfolges des Sängerfestes zu suchen. Nicht die
Stadt Köln war es nun, die das Sängerfest gab, sondern eine Gesell¬
schaft, die an und für sich ohne bedeutenden Einfluß auf die Bürger¬
schaft die Gegenwirkung einer andern Gesellschaft zu bekämpfen hatte.
Dadurch wurden die Hindernisse von Anfang an fast unübersteiglich.
Um sich einen festern Halt zu gebe", wurden Leute aus der aristokra¬
tischen Gesellschaftsklasse (?) in das Comite gewählt. Indessen war
es sehr natürlich, daß diese sich der Sache nur in soweit annahmen,
als sie ihr eine gewisse Wendung geben konnten; bei der liberalen
Bürgerschaft wurde die Sache aber um Nichts gebessert, obschon man
den Dombau (der indessen schon etwas abgebraucht ist) als Panier
aussteckte. So mußte die ungeheure Last das Comite mit seinen im
Ganzen geringen Kräften, trotz des Eifers, mit dem Einzelne sich der
Sache annahmen, zu Boden drücken und zermalmen, während das
Sängerfest, die einmal gelöste Lawine auf eigener Spur, in eigenem
Wege zerstörend cinherzog, von keiner höhern Hand mehr geleitet.

Daher die Wirkungslosigkeit des Comite's, daher die, allen Be¬
griff übersteigende Kälte der Einwohner Kölns, die die auösteigenden
Sänger begafften, statt sie zu begrüßen, daher die Prellereien der Wirthe,
die hier nicht die Sache ihrer Vaterstadt zu vertreten hatten, sondern
im Trüben der allgemeinen Verwirrung fischen wollten, daher der
Mangel irgend einer hervortretenden Idee, die nur durch gehörig ge¬
leitetes Zusammenwirken lebendig erhalten werden kann, daher endlich
das gänzliche Auseinanderfallen des ganzen Festes und die allgemeine
Unzufriedenheit aller Gäste, trotz mancher schönen Elemente, trotz man¬
cher Aufopferung, trotz manches das Uebermenschliche erstrebenden, aber
durch Vereinzelung urmächtigen Eifers.


Leo Alt.


mit einem andern Vereine vorangegangen sind, so daß Viele dieses Ge¬
sangsfest blos als eine Demonstration gegen jenen Verein betrachteten
und ein Freund von mir eine Caricatur entworfen, wo der personi-
ficirte „Männerverein von K." den sogenannten Brüdervereinen liebend
die Arme öffnet, während er seinen nächsten Bruder mit dem Fuße von
sich stößt. In dieser heillosen Zwietracht im Innern von Köln, ist der
Grund alles Übeln Erfolges des Sängerfestes zu suchen. Nicht die
Stadt Köln war es nun, die das Sängerfest gab, sondern eine Gesell¬
schaft, die an und für sich ohne bedeutenden Einfluß auf die Bürger¬
schaft die Gegenwirkung einer andern Gesellschaft zu bekämpfen hatte.
Dadurch wurden die Hindernisse von Anfang an fast unübersteiglich.
Um sich einen festern Halt zu gebe», wurden Leute aus der aristokra¬
tischen Gesellschaftsklasse (?) in das Comite gewählt. Indessen war
es sehr natürlich, daß diese sich der Sache nur in soweit annahmen,
als sie ihr eine gewisse Wendung geben konnten; bei der liberalen
Bürgerschaft wurde die Sache aber um Nichts gebessert, obschon man
den Dombau (der indessen schon etwas abgebraucht ist) als Panier
aussteckte. So mußte die ungeheure Last das Comite mit seinen im
Ganzen geringen Kräften, trotz des Eifers, mit dem Einzelne sich der
Sache annahmen, zu Boden drücken und zermalmen, während das
Sängerfest, die einmal gelöste Lawine auf eigener Spur, in eigenem
Wege zerstörend cinherzog, von keiner höhern Hand mehr geleitet.

Daher die Wirkungslosigkeit des Comite's, daher die, allen Be¬
griff übersteigende Kälte der Einwohner Kölns, die die auösteigenden
Sänger begafften, statt sie zu begrüßen, daher die Prellereien der Wirthe,
die hier nicht die Sache ihrer Vaterstadt zu vertreten hatten, sondern
im Trüben der allgemeinen Verwirrung fischen wollten, daher der
Mangel irgend einer hervortretenden Idee, die nur durch gehörig ge¬
leitetes Zusammenwirken lebendig erhalten werden kann, daher endlich
das gänzliche Auseinanderfallen des ganzen Festes und die allgemeine
Unzufriedenheit aller Gäste, trotz mancher schönen Elemente, trotz man¬
cher Aufopferung, trotz manches das Uebermenschliche erstrebenden, aber
durch Vereinzelung urmächtigen Eifers.


Leo Alt.


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[0556] mit einem andern Vereine vorangegangen sind, so daß Viele dieses Ge¬ sangsfest blos als eine Demonstration gegen jenen Verein betrachteten und ein Freund von mir eine Caricatur entworfen, wo der personi- ficirte „Männerverein von K." den sogenannten Brüdervereinen liebend die Arme öffnet, während er seinen nächsten Bruder mit dem Fuße von sich stößt. In dieser heillosen Zwietracht im Innern von Köln, ist der Grund alles Übeln Erfolges des Sängerfestes zu suchen. Nicht die Stadt Köln war es nun, die das Sängerfest gab, sondern eine Gesell¬ schaft, die an und für sich ohne bedeutenden Einfluß auf die Bürger¬ schaft die Gegenwirkung einer andern Gesellschaft zu bekämpfen hatte. Dadurch wurden die Hindernisse von Anfang an fast unübersteiglich. Um sich einen festern Halt zu gebe», wurden Leute aus der aristokra¬ tischen Gesellschaftsklasse (?) in das Comite gewählt. Indessen war es sehr natürlich, daß diese sich der Sache nur in soweit annahmen, als sie ihr eine gewisse Wendung geben konnten; bei der liberalen Bürgerschaft wurde die Sache aber um Nichts gebessert, obschon man den Dombau (der indessen schon etwas abgebraucht ist) als Panier aussteckte. So mußte die ungeheure Last das Comite mit seinen im Ganzen geringen Kräften, trotz des Eifers, mit dem Einzelne sich der Sache annahmen, zu Boden drücken und zermalmen, während das Sängerfest, die einmal gelöste Lawine auf eigener Spur, in eigenem Wege zerstörend cinherzog, von keiner höhern Hand mehr geleitet. Daher die Wirkungslosigkeit des Comite's, daher die, allen Be¬ griff übersteigende Kälte der Einwohner Kölns, die die auösteigenden Sänger begafften, statt sie zu begrüßen, daher die Prellereien der Wirthe, die hier nicht die Sache ihrer Vaterstadt zu vertreten hatten, sondern im Trüben der allgemeinen Verwirrung fischen wollten, daher der Mangel irgend einer hervortretenden Idee, die nur durch gehörig ge¬ leitetes Zusammenwirken lebendig erhalten werden kann, daher endlich das gänzliche Auseinanderfallen des ganzen Festes und die allgemeine Unzufriedenheit aller Gäste, trotz mancher schönen Elemente, trotz man¬ cher Aufopferung, trotz manches das Uebermenschliche erstrebenden, aber durch Vereinzelung urmächtigen Eifers. Leo Alt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/556>, abgerufen am 27.11.2024.