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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Hals mit blühend weiße", steifen Spitzen umgeben war. Um den Leib
wand sich, leicht geschlungen, eine dicke, weiße, seidene Schnur, die vorn
in langen Quasten herunterfiel. Der Fuß stak in kleinen, schwarzen
Sainmtschuhen mit rothen Absätzen und in weißen, durchbrochenen
Strümpfen, die an den Seiten mit rothen Schnörkeln besetzt waren.
Der Schleier war an das Haar durch eine silberne Nadel befestigt,
derenKöpfemit hellrothglänzenden Steinen geziert waren. Ich fühlte mich
sehr geschmeichelt, daß sie sich so aufgeputzt hatte und erwartete eine
nahe, schöne Zukunft. Sie ging ganz nahe an mir vorüber, ohne
mich zu bemerken und kniete in einem Seitengänge auf einem Bet¬
stuhle nieder. Ich schlich mich ihr leise "ach und kniete ebenfalls auf ei¬
nen Stuhl in ihrer nächsten Nähe, aber sie bemerkte mich noch immer
nicht, sondern sah andächtig in ihr Gebetbuch und betete eifrig. Es
war ein schöner Anblick. Aber ich sehnte mich nach noch schönerem.
Ich faßte nun ein Herz und zupfte sie am Schleier, der auf meinen
rechten Arm herabfiel. Sie sah sich um und lächelte. -- Ah, bist Du
da, Birbante, sagte sie, indem sie wieder andächtig in's Gebetbuch
blickte.

-- Weißt Du, daß Du ein unverschämter Mensch bist, fuhr sie fort,
indem sie sich anbetend neigte.

-- Nur ein Verliebter, sagte ich, mich ebenfalls verneigend.

-- Sprich nicht so laut, lispelte sie, und klopfte reuig an ihr Herz.
Wie heißt Du? frug sie weiter.

-- Ich heiße Moritz, und Du?

-- Zerina; -- Moritz ist ein barbarischer Name, sagte sie und fal¬
tete fromm die Hände.

-- Zerina ist ein süßer Name, sprach ich mit frommer Geberde und
neigte mich so tief, daß ich mit meinen Lippen ihren Arm berührte.
Wenn Du willst, so nenne ich mich Nizzio, es ist dasselbe, fuhr ich
fort.

-- Rizzio klingt schöner, sagte sie und küßte einen heiligen Ambro-
sius, dessen Bild in ihrem Gebetbuche lag. Woher bist Du denn?

-- Aus Böhmen.

-- Seid Ihr Ketzer oder Christen in Böhmen? fragte sie weiter
und bekreuzte sich.

-- Gute, katholische Christe", sagte ich und machte ebenfalls das
Zeichen des Kreuzes.

-- Also bete, wenn Du ein Christ bist. Hast Du denn kein Ge¬
betbuch? fragte sie weiter.


Hals mit blühend weiße», steifen Spitzen umgeben war. Um den Leib
wand sich, leicht geschlungen, eine dicke, weiße, seidene Schnur, die vorn
in langen Quasten herunterfiel. Der Fuß stak in kleinen, schwarzen
Sainmtschuhen mit rothen Absätzen und in weißen, durchbrochenen
Strümpfen, die an den Seiten mit rothen Schnörkeln besetzt waren.
Der Schleier war an das Haar durch eine silberne Nadel befestigt,
derenKöpfemit hellrothglänzenden Steinen geziert waren. Ich fühlte mich
sehr geschmeichelt, daß sie sich so aufgeputzt hatte und erwartete eine
nahe, schöne Zukunft. Sie ging ganz nahe an mir vorüber, ohne
mich zu bemerken und kniete in einem Seitengänge auf einem Bet¬
stuhle nieder. Ich schlich mich ihr leise »ach und kniete ebenfalls auf ei¬
nen Stuhl in ihrer nächsten Nähe, aber sie bemerkte mich noch immer
nicht, sondern sah andächtig in ihr Gebetbuch und betete eifrig. Es
war ein schöner Anblick. Aber ich sehnte mich nach noch schönerem.
Ich faßte nun ein Herz und zupfte sie am Schleier, der auf meinen
rechten Arm herabfiel. Sie sah sich um und lächelte. — Ah, bist Du
da, Birbante, sagte sie, indem sie wieder andächtig in's Gebetbuch
blickte.

— Weißt Du, daß Du ein unverschämter Mensch bist, fuhr sie fort,
indem sie sich anbetend neigte.

— Nur ein Verliebter, sagte ich, mich ebenfalls verneigend.

— Sprich nicht so laut, lispelte sie, und klopfte reuig an ihr Herz.
Wie heißt Du? frug sie weiter.

— Ich heiße Moritz, und Du?

— Zerina; — Moritz ist ein barbarischer Name, sagte sie und fal¬
tete fromm die Hände.

— Zerina ist ein süßer Name, sprach ich mit frommer Geberde und
neigte mich so tief, daß ich mit meinen Lippen ihren Arm berührte.
Wenn Du willst, so nenne ich mich Nizzio, es ist dasselbe, fuhr ich
fort.

— Rizzio klingt schöner, sagte sie und küßte einen heiligen Ambro-
sius, dessen Bild in ihrem Gebetbuche lag. Woher bist Du denn?

— Aus Böhmen.

— Seid Ihr Ketzer oder Christen in Böhmen? fragte sie weiter
und bekreuzte sich.

— Gute, katholische Christe», sagte ich und machte ebenfalls das
Zeichen des Kreuzes.

— Also bete, wenn Du ein Christ bist. Hast Du denn kein Ge¬
betbuch? fragte sie weiter.


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[0438] Hals mit blühend weiße», steifen Spitzen umgeben war. Um den Leib wand sich, leicht geschlungen, eine dicke, weiße, seidene Schnur, die vorn in langen Quasten herunterfiel. Der Fuß stak in kleinen, schwarzen Sainmtschuhen mit rothen Absätzen und in weißen, durchbrochenen Strümpfen, die an den Seiten mit rothen Schnörkeln besetzt waren. Der Schleier war an das Haar durch eine silberne Nadel befestigt, derenKöpfemit hellrothglänzenden Steinen geziert waren. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, daß sie sich so aufgeputzt hatte und erwartete eine nahe, schöne Zukunft. Sie ging ganz nahe an mir vorüber, ohne mich zu bemerken und kniete in einem Seitengänge auf einem Bet¬ stuhle nieder. Ich schlich mich ihr leise »ach und kniete ebenfalls auf ei¬ nen Stuhl in ihrer nächsten Nähe, aber sie bemerkte mich noch immer nicht, sondern sah andächtig in ihr Gebetbuch und betete eifrig. Es war ein schöner Anblick. Aber ich sehnte mich nach noch schönerem. Ich faßte nun ein Herz und zupfte sie am Schleier, der auf meinen rechten Arm herabfiel. Sie sah sich um und lächelte. — Ah, bist Du da, Birbante, sagte sie, indem sie wieder andächtig in's Gebetbuch blickte. — Weißt Du, daß Du ein unverschämter Mensch bist, fuhr sie fort, indem sie sich anbetend neigte. — Nur ein Verliebter, sagte ich, mich ebenfalls verneigend. — Sprich nicht so laut, lispelte sie, und klopfte reuig an ihr Herz. Wie heißt Du? frug sie weiter. — Ich heiße Moritz, und Du? — Zerina; — Moritz ist ein barbarischer Name, sagte sie und fal¬ tete fromm die Hände. — Zerina ist ein süßer Name, sprach ich mit frommer Geberde und neigte mich so tief, daß ich mit meinen Lippen ihren Arm berührte. Wenn Du willst, so nenne ich mich Nizzio, es ist dasselbe, fuhr ich fort. — Rizzio klingt schöner, sagte sie und küßte einen heiligen Ambro- sius, dessen Bild in ihrem Gebetbuche lag. Woher bist Du denn? — Aus Böhmen. — Seid Ihr Ketzer oder Christen in Böhmen? fragte sie weiter und bekreuzte sich. — Gute, katholische Christe», sagte ich und machte ebenfalls das Zeichen des Kreuzes. — Also bete, wenn Du ein Christ bist. Hast Du denn kein Ge¬ betbuch? fragte sie weiter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/438>, abgerufen am 24.11.2024.