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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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auch unterläßt. Oesterreich hat in den letzten Jahren Eine energische
Seite gezeigt und diese ist die Hofkammer. Die Eisenbahnen, die so
rasch den ganzen Staat bedecken, so wie Verbesserungen im Commer-
ciellen und Finanzwesen haben gezeigt, was ein festes Wollen vermag.
Wir zweifeln keineswegs, daß manche Maßregel des Baron Kübel
eine scharfe Kritik von Seiten unserer Finanzmänner und Ingenieure
gefunden und wahrscheinlich auch verdiente; aber in der Gesammtheit,
in den Hauptpunkten, ist das Wirken dieses Staatsmannes eine der
größten Wohlthaten, ein Wendepunkt österreichischer Civilisation. Hätte
man andere Pläne, die zur Verbesserung der einzelnen Branchen der
Verwaltung vorliegen, nicht vor lauter Hin - und Herüberlegen stau¬
big lassen werden, hätte man sie nicht durch hundert eingeholte Gut¬
achten erdrückt und zu einem erschrecklichen Actenhaufen anwachsen
lassen, wir stünden auf einem ganz anderen Punkte und die Ereig¬
nisse in Galizien setzten uns nicht in die Verlegenheit, um die Mit¬
tagsstunde, in dem Augenblicke, wo die Hungrigen an der Thüre po¬
chen, erst zu überlegen: Was werden wir kochen? Der Hauptstein
des Anstoßes, die Aenderung der Bodenverhältnisse in Galizien ist der
unabweisliche Gedanke, daß man cousequenter Weise dadurch zu ähn¬
lichen Schritten in Böhmen und Mähren wird gezwungen sein. Trau¬
rig genug, daß blutige Katastrophen in der einen Ecke des Staates
diesen erst daran erinnern mußten, was er der Gesammtheit schuldig
ist. Ungefähr 60 Jahre sind seit den Urbarialreformen Josephs it.
verflossen. Alle gebildeten Staaten rings um Oesterreich haben ihre
Ackerbaugesetze revidirt und mit den Forderungen der Zeit und der Hu¬
manität in Einklang gebracht. Und sie thaten es nicht etwa blos in
behaglicher Friedenszeit, sondern zum Theil mitten in stürmischen Kriegs¬
epochen. Oesterreich aber hat 30 Friedensjahre unverantwortlich vor¬
überstreichen lassen, ohne an eine Umschmelzung der gesetzlichen Zu¬
stände zu gehen, welche die Mehrzahl der Bevölkerung, den Grund¬
stock seiner wichtigsten Lebenskraft, seiner Agrikultur in so traurigen
Verhältnissen schmachten läßt.

In Bezug auf die Frobnenablvsung in Böhmen und Mähren
sind in letzterer Zeit selbst in liberalen deutschen Blättern Stimmen
aus Oesterreich ertönt, welche die Bedenklichkeit des Adels dem
deutschen Publicum mit süßen Worten schmackhaft zu machen sucht.
Ein Korrespondent der deutschen allgemeinen Zeitung hebt (132) be¬
sonders drei Punkte hervor, die er als gefährliche Klippen bezeichnet.
Erstens, daß man die Berechnung der Leistungen zu Gunsten der Bau-


auch unterläßt. Oesterreich hat in den letzten Jahren Eine energische
Seite gezeigt und diese ist die Hofkammer. Die Eisenbahnen, die so
rasch den ganzen Staat bedecken, so wie Verbesserungen im Commer-
ciellen und Finanzwesen haben gezeigt, was ein festes Wollen vermag.
Wir zweifeln keineswegs, daß manche Maßregel des Baron Kübel
eine scharfe Kritik von Seiten unserer Finanzmänner und Ingenieure
gefunden und wahrscheinlich auch verdiente; aber in der Gesammtheit,
in den Hauptpunkten, ist das Wirken dieses Staatsmannes eine der
größten Wohlthaten, ein Wendepunkt österreichischer Civilisation. Hätte
man andere Pläne, die zur Verbesserung der einzelnen Branchen der
Verwaltung vorliegen, nicht vor lauter Hin - und Herüberlegen stau¬
big lassen werden, hätte man sie nicht durch hundert eingeholte Gut¬
achten erdrückt und zu einem erschrecklichen Actenhaufen anwachsen
lassen, wir stünden auf einem ganz anderen Punkte und die Ereig¬
nisse in Galizien setzten uns nicht in die Verlegenheit, um die Mit¬
tagsstunde, in dem Augenblicke, wo die Hungrigen an der Thüre po¬
chen, erst zu überlegen: Was werden wir kochen? Der Hauptstein
des Anstoßes, die Aenderung der Bodenverhältnisse in Galizien ist der
unabweisliche Gedanke, daß man cousequenter Weise dadurch zu ähn¬
lichen Schritten in Böhmen und Mähren wird gezwungen sein. Trau¬
rig genug, daß blutige Katastrophen in der einen Ecke des Staates
diesen erst daran erinnern mußten, was er der Gesammtheit schuldig
ist. Ungefähr 60 Jahre sind seit den Urbarialreformen Josephs it.
verflossen. Alle gebildeten Staaten rings um Oesterreich haben ihre
Ackerbaugesetze revidirt und mit den Forderungen der Zeit und der Hu¬
manität in Einklang gebracht. Und sie thaten es nicht etwa blos in
behaglicher Friedenszeit, sondern zum Theil mitten in stürmischen Kriegs¬
epochen. Oesterreich aber hat 30 Friedensjahre unverantwortlich vor¬
überstreichen lassen, ohne an eine Umschmelzung der gesetzlichen Zu¬
stände zu gehen, welche die Mehrzahl der Bevölkerung, den Grund¬
stock seiner wichtigsten Lebenskraft, seiner Agrikultur in so traurigen
Verhältnissen schmachten läßt.

In Bezug auf die Frobnenablvsung in Böhmen und Mähren
sind in letzterer Zeit selbst in liberalen deutschen Blättern Stimmen
aus Oesterreich ertönt, welche die Bedenklichkeit des Adels dem
deutschen Publicum mit süßen Worten schmackhaft zu machen sucht.
Ein Korrespondent der deutschen allgemeinen Zeitung hebt (132) be¬
sonders drei Punkte hervor, die er als gefährliche Klippen bezeichnet.
Erstens, daß man die Berechnung der Leistungen zu Gunsten der Bau-


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[0402] auch unterläßt. Oesterreich hat in den letzten Jahren Eine energische Seite gezeigt und diese ist die Hofkammer. Die Eisenbahnen, die so rasch den ganzen Staat bedecken, so wie Verbesserungen im Commer- ciellen und Finanzwesen haben gezeigt, was ein festes Wollen vermag. Wir zweifeln keineswegs, daß manche Maßregel des Baron Kübel eine scharfe Kritik von Seiten unserer Finanzmänner und Ingenieure gefunden und wahrscheinlich auch verdiente; aber in der Gesammtheit, in den Hauptpunkten, ist das Wirken dieses Staatsmannes eine der größten Wohlthaten, ein Wendepunkt österreichischer Civilisation. Hätte man andere Pläne, die zur Verbesserung der einzelnen Branchen der Verwaltung vorliegen, nicht vor lauter Hin - und Herüberlegen stau¬ big lassen werden, hätte man sie nicht durch hundert eingeholte Gut¬ achten erdrückt und zu einem erschrecklichen Actenhaufen anwachsen lassen, wir stünden auf einem ganz anderen Punkte und die Ereig¬ nisse in Galizien setzten uns nicht in die Verlegenheit, um die Mit¬ tagsstunde, in dem Augenblicke, wo die Hungrigen an der Thüre po¬ chen, erst zu überlegen: Was werden wir kochen? Der Hauptstein des Anstoßes, die Aenderung der Bodenverhältnisse in Galizien ist der unabweisliche Gedanke, daß man cousequenter Weise dadurch zu ähn¬ lichen Schritten in Böhmen und Mähren wird gezwungen sein. Trau¬ rig genug, daß blutige Katastrophen in der einen Ecke des Staates diesen erst daran erinnern mußten, was er der Gesammtheit schuldig ist. Ungefähr 60 Jahre sind seit den Urbarialreformen Josephs it. verflossen. Alle gebildeten Staaten rings um Oesterreich haben ihre Ackerbaugesetze revidirt und mit den Forderungen der Zeit und der Hu¬ manität in Einklang gebracht. Und sie thaten es nicht etwa blos in behaglicher Friedenszeit, sondern zum Theil mitten in stürmischen Kriegs¬ epochen. Oesterreich aber hat 30 Friedensjahre unverantwortlich vor¬ überstreichen lassen, ohne an eine Umschmelzung der gesetzlichen Zu¬ stände zu gehen, welche die Mehrzahl der Bevölkerung, den Grund¬ stock seiner wichtigsten Lebenskraft, seiner Agrikultur in so traurigen Verhältnissen schmachten läßt. In Bezug auf die Frobnenablvsung in Böhmen und Mähren sind in letzterer Zeit selbst in liberalen deutschen Blättern Stimmen aus Oesterreich ertönt, welche die Bedenklichkeit des Adels dem deutschen Publicum mit süßen Worten schmackhaft zu machen sucht. Ein Korrespondent der deutschen allgemeinen Zeitung hebt (132) be¬ sonders drei Punkte hervor, die er als gefährliche Klippen bezeichnet. Erstens, daß man die Berechnung der Leistungen zu Gunsten der Bau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/402>, abgerufen am 24.11.2024.