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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Die Robotablösmtg in Oesterreich.



Nachdem die Augsbmger allgemeine Zeitung bereits vor mehrern
Wochen in einem halb officiellen Artikel den Beschluß der österreichi¬
schen Regierung, die Robot in Galizien aufzuheben, vermeldet hat und
sogar bereits den Modus bezeichnete, nach welchem die Auflösung
stattfinden soll, ist es plötzlich wieder stille geworden. Hat die Regie¬
rung wieder auf ihren Plan verzichtet oder wird er wieder auf die
lange Bank geschoben? Letzteres wäre eben so viel wie das andere.
Diese lange Bank ist die Marter- und Armensünderbank österreichi¬
scher Zustände. Es fehlt in Oesterreich nicht an gutem Willen. Man
will sehr viel in Oesterreich, aber was wird ausgeführt? Seit Jah¬
ren will man den Schulplan verbessern, seit Jahren will man das
Strafgesetzbuch revidiren, die Criminalgerichts-Ordnung ändern, seit
Jahren will man tausend Dinge reorganisiren, aber des Menschen Wille
ist sein Himmelreich. Im Himmel wird der gute Wille angeschrieben,
darum begnügt man sich mit dem Willen; die Thatsachen bleiben beim
Alte". Wenn Faust in der Göthe'schen Tragödie sich besinnt, ob eS
heißen muß: im Anfange war das Wort -- der Sinn -- die That?
so möchten wir Oesterreicher ihm zurufen: im Anfange war die Ener¬
gie! Energielosigkeit, das ist's, was Elend läßt zu Jahren kommen.
Man überlegt und mißt und wiegt, um das Allerweiseste herauszu
bringen, so lange, bis man, vor lauter Arbeit müde, wieder eine Zei
lang ausruht und die Sachen beim Alten lassen muß. Allerding
läuft in Preußen, in Frankreich und in allen andern raschblütige
Staaten mancher dumme Streich mitunter, aber es ist doch besser
man macht unter zehn gescheidten Einrichtungen eine verfehlte und un
besonnene, als daß man, um diese eine zu ersparen, die übrigen neu


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Die Robotablösmtg in Oesterreich.



Nachdem die Augsbmger allgemeine Zeitung bereits vor mehrern
Wochen in einem halb officiellen Artikel den Beschluß der österreichi¬
schen Regierung, die Robot in Galizien aufzuheben, vermeldet hat und
sogar bereits den Modus bezeichnete, nach welchem die Auflösung
stattfinden soll, ist es plötzlich wieder stille geworden. Hat die Regie¬
rung wieder auf ihren Plan verzichtet oder wird er wieder auf die
lange Bank geschoben? Letzteres wäre eben so viel wie das andere.
Diese lange Bank ist die Marter- und Armensünderbank österreichi¬
scher Zustände. Es fehlt in Oesterreich nicht an gutem Willen. Man
will sehr viel in Oesterreich, aber was wird ausgeführt? Seit Jah¬
ren will man den Schulplan verbessern, seit Jahren will man das
Strafgesetzbuch revidiren, die Criminalgerichts-Ordnung ändern, seit
Jahren will man tausend Dinge reorganisiren, aber des Menschen Wille
ist sein Himmelreich. Im Himmel wird der gute Wille angeschrieben,
darum begnügt man sich mit dem Willen; die Thatsachen bleiben beim
Alte». Wenn Faust in der Göthe'schen Tragödie sich besinnt, ob eS
heißen muß: im Anfange war das Wort — der Sinn — die That?
so möchten wir Oesterreicher ihm zurufen: im Anfange war die Ener¬
gie! Energielosigkeit, das ist's, was Elend läßt zu Jahren kommen.
Man überlegt und mißt und wiegt, um das Allerweiseste herauszu
bringen, so lange, bis man, vor lauter Arbeit müde, wieder eine Zei
lang ausruht und die Sachen beim Alten lassen muß. Allerding
läuft in Preußen, in Frankreich und in allen andern raschblütige
Staaten mancher dumme Streich mitunter, aber es ist doch besser
man macht unter zehn gescheidten Einrichtungen eine verfehlte und un
besonnene, als daß man, um diese eine zu ersparen, die übrigen neu


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[0401] Die Robotablösmtg in Oesterreich. Nachdem die Augsbmger allgemeine Zeitung bereits vor mehrern Wochen in einem halb officiellen Artikel den Beschluß der österreichi¬ schen Regierung, die Robot in Galizien aufzuheben, vermeldet hat und sogar bereits den Modus bezeichnete, nach welchem die Auflösung stattfinden soll, ist es plötzlich wieder stille geworden. Hat die Regie¬ rung wieder auf ihren Plan verzichtet oder wird er wieder auf die lange Bank geschoben? Letzteres wäre eben so viel wie das andere. Diese lange Bank ist die Marter- und Armensünderbank österreichi¬ scher Zustände. Es fehlt in Oesterreich nicht an gutem Willen. Man will sehr viel in Oesterreich, aber was wird ausgeführt? Seit Jah¬ ren will man den Schulplan verbessern, seit Jahren will man das Strafgesetzbuch revidiren, die Criminalgerichts-Ordnung ändern, seit Jahren will man tausend Dinge reorganisiren, aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Im Himmel wird der gute Wille angeschrieben, darum begnügt man sich mit dem Willen; die Thatsachen bleiben beim Alte». Wenn Faust in der Göthe'schen Tragödie sich besinnt, ob eS heißen muß: im Anfange war das Wort — der Sinn — die That? so möchten wir Oesterreicher ihm zurufen: im Anfange war die Ener¬ gie! Energielosigkeit, das ist's, was Elend läßt zu Jahren kommen. Man überlegt und mißt und wiegt, um das Allerweiseste herauszu bringen, so lange, bis man, vor lauter Arbeit müde, wieder eine Zei lang ausruht und die Sachen beim Alten lassen muß. Allerding läuft in Preußen, in Frankreich und in allen andern raschblütige Staaten mancher dumme Streich mitunter, aber es ist doch besser man macht unter zehn gescheidten Einrichtungen eine verfehlte und un besonnene, als daß man, um diese eine zu ersparen, die übrigen neu Grenzboten, it. I«4«. 5l>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/401>, abgerufen am 27.11.2024.