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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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em werde stellen müssen. Zweitens, daß man kaum Geldmittel zu
niedrigeren Zinsfuße werde auftreiben können, um die Grundherren zu
befriedigen. Drittens endlich, daß, wenn die Ablösung stattgefunden
haben wird, die Bauern durch unbillige Forderung für die freie Ar¬
beit die Grundherren drücken würden.

Diese Bedenklichkeiten werden jedoch von einem mit den Agricul-
turverhältnissen seines Vaterlandes innig vertrauten Sachsen in einem
Artikel der bremer Zeitung widerlegt. Dieser sächsische Publicist weist
darauf hin, daß vor nicht zu langer Zeit Sachsen an die Lösung ei¬
ner ähnlichen Aufgabe gehen mußte, wie jetzt Oesterreich, und daß alle
diese Schwierigkeiten in der Erfahrung als nichtig sich herausstellen,
so daß Sachsen jetzt die segensreichsten Früchte seiner agronomischer
Gesetzgebung in Frieden und Ruhe genießt.

Die Vermuthung, daß der Bauer in Oesterreich die Berechnung
zu seinen Gunsten wünschen werde -- sagt der sächsische Publicist in
der bremer Zeitung -- ist vielleicht nicht ungegründet, obgleich ihm
schon dadurch Gelegenheit zur Zufriedenheit wurde, daß überhaupt
sein Wunsch, die Ablösung, erfüllt wurde. Inzwischen kann gerade
bei Ablösung dieser Lasten der Wunsch der Verpflichteten erfüllt wer¬
den, ohne daß die Berechleten ein Opfer bringen.

Wir wählen als Beispiel die Pflicht der Bauern, dem Herrn
Hand- oder Spanndienste zu thun. Diese Dienste würden nach ge¬
wöhnlicher Weise so zu berechnen sein, daß der Bauer den Tag Hand¬
oder Spanndienste, welche er dem Herrn in Zukunft nicht mehr thun
will, so vergütet, daß der Herr dafür sich einen andern Handarbeiter
oder Anspanner für einen Tag miethen könnte. Hierbei würde dem
Bauer an dem Vergütungsquantum zu erlassen sein, was er während
der Dienste oder auch für oder in Folge der Dienste vom Herrn em¬
pfängt. Eine solche Berechnung würde aber gleichwohl dem Bauer
sehr viel kosten, und er würde jedenfalls kaum "veniger klug handeln,
wenn er dem Herrn selbst dient, als wenn er demselben einen Arbei¬
ter an seiner Statt miethet. Darum wird hier der Bauer eine Be¬
günstigung dringend, vielleicht sogar drohend wünschen. Indeß kann
ihm dieselbe auch wirklich gewährt werden. Der Herr nämlich kann
nicht mehr Entschädigung fordern, als für ihn wirklich an Arbeit in
Wegfall.kommt, demnach kann er von dem frohnpflichtigen Bauer nicht
die Arbeit wirklich ersetzt verlangen, welche ihm geleistet worden ist.
Jeder Sachverständige aber weiß, daß die Frohnarbeit eine träge,
fahrlässige und mithin unzuverlässige ist, und daß durch dieselbe oft


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em werde stellen müssen. Zweitens, daß man kaum Geldmittel zu
niedrigeren Zinsfuße werde auftreiben können, um die Grundherren zu
befriedigen. Drittens endlich, daß, wenn die Ablösung stattgefunden
haben wird, die Bauern durch unbillige Forderung für die freie Ar¬
beit die Grundherren drücken würden.

Diese Bedenklichkeiten werden jedoch von einem mit den Agricul-
turverhältnissen seines Vaterlandes innig vertrauten Sachsen in einem
Artikel der bremer Zeitung widerlegt. Dieser sächsische Publicist weist
darauf hin, daß vor nicht zu langer Zeit Sachsen an die Lösung ei¬
ner ähnlichen Aufgabe gehen mußte, wie jetzt Oesterreich, und daß alle
diese Schwierigkeiten in der Erfahrung als nichtig sich herausstellen,
so daß Sachsen jetzt die segensreichsten Früchte seiner agronomischer
Gesetzgebung in Frieden und Ruhe genießt.

Die Vermuthung, daß der Bauer in Oesterreich die Berechnung
zu seinen Gunsten wünschen werde — sagt der sächsische Publicist in
der bremer Zeitung — ist vielleicht nicht ungegründet, obgleich ihm
schon dadurch Gelegenheit zur Zufriedenheit wurde, daß überhaupt
sein Wunsch, die Ablösung, erfüllt wurde. Inzwischen kann gerade
bei Ablösung dieser Lasten der Wunsch der Verpflichteten erfüllt wer¬
den, ohne daß die Berechleten ein Opfer bringen.

Wir wählen als Beispiel die Pflicht der Bauern, dem Herrn
Hand- oder Spanndienste zu thun. Diese Dienste würden nach ge¬
wöhnlicher Weise so zu berechnen sein, daß der Bauer den Tag Hand¬
oder Spanndienste, welche er dem Herrn in Zukunft nicht mehr thun
will, so vergütet, daß der Herr dafür sich einen andern Handarbeiter
oder Anspanner für einen Tag miethen könnte. Hierbei würde dem
Bauer an dem Vergütungsquantum zu erlassen sein, was er während
der Dienste oder auch für oder in Folge der Dienste vom Herrn em¬
pfängt. Eine solche Berechnung würde aber gleichwohl dem Bauer
sehr viel kosten, und er würde jedenfalls kaum »veniger klug handeln,
wenn er dem Herrn selbst dient, als wenn er demselben einen Arbei¬
ter an seiner Statt miethet. Darum wird hier der Bauer eine Be¬
günstigung dringend, vielleicht sogar drohend wünschen. Indeß kann
ihm dieselbe auch wirklich gewährt werden. Der Herr nämlich kann
nicht mehr Entschädigung fordern, als für ihn wirklich an Arbeit in
Wegfall.kommt, demnach kann er von dem frohnpflichtigen Bauer nicht
die Arbeit wirklich ersetzt verlangen, welche ihm geleistet worden ist.
Jeder Sachverständige aber weiß, daß die Frohnarbeit eine träge,
fahrlässige und mithin unzuverlässige ist, und daß durch dieselbe oft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/403>, abgerufen am 24.11.2024.