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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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leihen. Frohe Gespräche wechselten von jetzt an mit frohen Gesängen
ab, und von Zeit zu Zeit tönten bedeutungsvoll die Zeichen gebende
Glocke, meldend, daß ein Redner die Tribüne besteigen werde.

Es fehlte nicht an einem Sprecher, welcher den Empfindungen
Aller für den lieben Volksredner, Hrn. Pfarrer Sprüngli, Worte gab,
so daß von Hunderten begeisterter Lippen das Lebehoch für ihn ertönte.

Wenn es schon höchst erfreulich ist, einen Geistlichen so den Geist
der Humanität und Freiheit öffentlich vertreten zu sehen, so befriedigt
es noch mehr, den Stand der Umgekehrten, der Handwerker, veredelt
und gebildet durch die Freiheit, gewandt und sinnreich von einer Red-
nerbühne herab, die Bevorzugung des gelehrten Kastengeistes zu Schan¬
den machen zu sehen.

Nicht lange, so betrat ein dichterischer Geist aus der Klasse der
Handwerker, Herr Schreiner Hitz aus Langenau, die Tribüne und
sprach kurz, aber wahrhaft hinreißend etwa folgende Worte:

Wir haben, lieben Freunde, sehr schöne Lieder gesungen, die mir
recht tief zu Herzen gegangen und vom Herzen gekommen sind) aber,
ich wäg's zu behaupten, ich weiß ein Liedli, das noch viel schöner ist,
als alle die gesungenen. Das ist ein herzig, prächtig, duftig, grünes
Liedli, und wenn ihr wissen wollt, wie's Liedli heißt: es ist das Liedli
vom Mayglöckli -- vom Mayglöckli des Eantons Zürich, das vor
vierzehn Tagen das selige Ableben der züricher Aristokraten eingeläutet
hat. El, das Mayglöckli hat gar hell und schön geklungen, 'ö May¬
glöckli klingt noch immer fort und singt gar rührende Sterbeliedcr.
Lassen wir, lieben Freunde, wenn der Frühling unsere Berge mit grü¬
ner Pracht bedeckt, so lange unser Mayglöckli durch'ö Land läuten,
bis es' auch den letzten Zopf zu Grabe geläutet hat, und lassen wir
jetzt das Mayglöckli hochleben."

Ich gestehe, daß mir, dem Norddeutschen, in der Mitte dieser
freie" Versammlung, die Brust von innerster Regung voll und schwer
wende, so beiß ich genöthigt war, mich zu entfernen und einsam an
dem schönen Seeufer dahingehend, mit manchem Seufzer das Herz
nicht leicht zu machen, sondern nur zu sich selbst kommen zu lassen.

, So sind mir denn ein paar Toaste, welche in meiner Abwesen¬
heit gesprochen wurden, entgangen, aber ich kam noch früh genug
in die Versammlung zurück, um die folgenden zu hören.

Ein ganz junger Mann, Schweizer aus Se. Gallen, einem zur
Hälfte ultramontanen Canton, trat auf und hielt eine lange, etwas
gelehrte Rede, worin er seine Landsleute zum Fortschreiten auf der


leihen. Frohe Gespräche wechselten von jetzt an mit frohen Gesängen
ab, und von Zeit zu Zeit tönten bedeutungsvoll die Zeichen gebende
Glocke, meldend, daß ein Redner die Tribüne besteigen werde.

Es fehlte nicht an einem Sprecher, welcher den Empfindungen
Aller für den lieben Volksredner, Hrn. Pfarrer Sprüngli, Worte gab,
so daß von Hunderten begeisterter Lippen das Lebehoch für ihn ertönte.

Wenn es schon höchst erfreulich ist, einen Geistlichen so den Geist
der Humanität und Freiheit öffentlich vertreten zu sehen, so befriedigt
es noch mehr, den Stand der Umgekehrten, der Handwerker, veredelt
und gebildet durch die Freiheit, gewandt und sinnreich von einer Red-
nerbühne herab, die Bevorzugung des gelehrten Kastengeistes zu Schan¬
den machen zu sehen.

Nicht lange, so betrat ein dichterischer Geist aus der Klasse der
Handwerker, Herr Schreiner Hitz aus Langenau, die Tribüne und
sprach kurz, aber wahrhaft hinreißend etwa folgende Worte:

Wir haben, lieben Freunde, sehr schöne Lieder gesungen, die mir
recht tief zu Herzen gegangen und vom Herzen gekommen sind) aber,
ich wäg's zu behaupten, ich weiß ein Liedli, das noch viel schöner ist,
als alle die gesungenen. Das ist ein herzig, prächtig, duftig, grünes
Liedli, und wenn ihr wissen wollt, wie's Liedli heißt: es ist das Liedli
vom Mayglöckli — vom Mayglöckli des Eantons Zürich, das vor
vierzehn Tagen das selige Ableben der züricher Aristokraten eingeläutet
hat. El, das Mayglöckli hat gar hell und schön geklungen, 'ö May¬
glöckli klingt noch immer fort und singt gar rührende Sterbeliedcr.
Lassen wir, lieben Freunde, wenn der Frühling unsere Berge mit grü¬
ner Pracht bedeckt, so lange unser Mayglöckli durch'ö Land läuten,
bis es' auch den letzten Zopf zu Grabe geläutet hat, und lassen wir
jetzt das Mayglöckli hochleben."

Ich gestehe, daß mir, dem Norddeutschen, in der Mitte dieser
freie" Versammlung, die Brust von innerster Regung voll und schwer
wende, so beiß ich genöthigt war, mich zu entfernen und einsam an
dem schönen Seeufer dahingehend, mit manchem Seufzer das Herz
nicht leicht zu machen, sondern nur zu sich selbst kommen zu lassen.

, So sind mir denn ein paar Toaste, welche in meiner Abwesen¬
heit gesprochen wurden, entgangen, aber ich kam noch früh genug
in die Versammlung zurück, um die folgenden zu hören.

Ein ganz junger Mann, Schweizer aus Se. Gallen, einem zur
Hälfte ultramontanen Canton, trat auf und hielt eine lange, etwas
gelehrte Rede, worin er seine Landsleute zum Fortschreiten auf der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/397>, abgerufen am 24.11.2024.