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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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In der enggefüllten Kirche schallte nun, von einem Chöre herab,
der vielstimmige Gesang ernster, volksthümlicher Lieder patriotischen
und religiösen Inhalts. Aufmerksam, eifrig, sichtlich ergriffen horchte
das gute Bergvolk, so zu sagen, der Sprache seines eigenen Herzens
und stille, friedlich verlief sich die ganze Menge nach Beendigung der
Feierlichkeit.

Am Ufer des Sees war ein geräumiges, schönes Zelt erbaut,
das freundlich, vielfach mit Grün und Blumen geschmückt, den Sänger¬
gästen entgegenwinkte. Ueber dem Eingange schwebten die Fähnchen
aller anwesenden Sängerchöre, in der Mitte des Zeltes stand eine
Rednerbühne mit der Inschrift aus Blumengewinden: Freies Wort
für Zeit und Ort, und eine große gastliche Tafel war der nahen¬
den Gäste gewärtig. Die Sänger zogen mit Musik und unter Ka¬
nonendonner in das luftige Dach ein, und alsbald nahmen wir,
hungrige Kinder, gern die Gaben der Mutter Ceres und des frohen
Vaters Bacchus, deren glückliches Reich uns nah und fern in üppig¬
ster Pracht herzerquickend umgab, umduftete, umlächelte.

Als das frohe, freundschaftliche Mahl zu Ende ging, da betrat
ein schöner Mann mit gar edlem Ausdrucke der männlichen Züge die
Rednerbühne und begann mit honorer Stimme ergreifend zu den An¬
wesenden zu reden. Dieser Redner war der Pfarrer Sprüngli aus
Thalweit. Er sagte auf sehr geistvolle Weise, wir seien alle Hütten¬
männer, trieben die Hüttenkunde und unsere Hüttenkunde sei eine
lustige Wissenschaft, die zugleich mit vielen andern Disciplinen im Zu¬
sammenhang stehe. -- Nun vermocht' ich nicht, den Worten nach,
die Rede des vortrefflichen Mannes wiederzugeben: sie war sehr reich
an feinen, witzigen Anspielungen, an schlagenden Humorismen, welche
dem Redner reichlich und ungesucht aus der Seele sprangen. Hart
fuhr er, mit prasselndem Wortgeschütz, zuweilen darein, unbarmherzig
die mangelhafte Gesinnung auch bei Männern des Fortschritts züchti¬
gend, und schneidend, aber mit Humor, geißelte er die arge Partei
mit volkstümlichen Schwerthieben, welchen das Gelächter der Hörer
applaudirte und von Zeit zu Zeit die nahestehenden Kanonen ein kra¬
chendes Beifalllachen erwiederten. Der Redner endete mit dem Glück¬
wunsch, welchen er, aus einem zu seiner Rechten stehenden silbernen
Becher, der ganzen Versammlung zutrank.

Das Mahl ging zu Ende, und alsbald forderte der Ordner des
Festes zu einem weihevollen Festgesänge auf, und so begann denn die
Musik den erheiterten Seelen ihre klingenden, magischen Flügel zu


In der enggefüllten Kirche schallte nun, von einem Chöre herab,
der vielstimmige Gesang ernster, volksthümlicher Lieder patriotischen
und religiösen Inhalts. Aufmerksam, eifrig, sichtlich ergriffen horchte
das gute Bergvolk, so zu sagen, der Sprache seines eigenen Herzens
und stille, friedlich verlief sich die ganze Menge nach Beendigung der
Feierlichkeit.

Am Ufer des Sees war ein geräumiges, schönes Zelt erbaut,
das freundlich, vielfach mit Grün und Blumen geschmückt, den Sänger¬
gästen entgegenwinkte. Ueber dem Eingange schwebten die Fähnchen
aller anwesenden Sängerchöre, in der Mitte des Zeltes stand eine
Rednerbühne mit der Inschrift aus Blumengewinden: Freies Wort
für Zeit und Ort, und eine große gastliche Tafel war der nahen¬
den Gäste gewärtig. Die Sänger zogen mit Musik und unter Ka¬
nonendonner in das luftige Dach ein, und alsbald nahmen wir,
hungrige Kinder, gern die Gaben der Mutter Ceres und des frohen
Vaters Bacchus, deren glückliches Reich uns nah und fern in üppig¬
ster Pracht herzerquickend umgab, umduftete, umlächelte.

Als das frohe, freundschaftliche Mahl zu Ende ging, da betrat
ein schöner Mann mit gar edlem Ausdrucke der männlichen Züge die
Rednerbühne und begann mit honorer Stimme ergreifend zu den An¬
wesenden zu reden. Dieser Redner war der Pfarrer Sprüngli aus
Thalweit. Er sagte auf sehr geistvolle Weise, wir seien alle Hütten¬
männer, trieben die Hüttenkunde und unsere Hüttenkunde sei eine
lustige Wissenschaft, die zugleich mit vielen andern Disciplinen im Zu¬
sammenhang stehe. — Nun vermocht' ich nicht, den Worten nach,
die Rede des vortrefflichen Mannes wiederzugeben: sie war sehr reich
an feinen, witzigen Anspielungen, an schlagenden Humorismen, welche
dem Redner reichlich und ungesucht aus der Seele sprangen. Hart
fuhr er, mit prasselndem Wortgeschütz, zuweilen darein, unbarmherzig
die mangelhafte Gesinnung auch bei Männern des Fortschritts züchti¬
gend, und schneidend, aber mit Humor, geißelte er die arge Partei
mit volkstümlichen Schwerthieben, welchen das Gelächter der Hörer
applaudirte und von Zeit zu Zeit die nahestehenden Kanonen ein kra¬
chendes Beifalllachen erwiederten. Der Redner endete mit dem Glück¬
wunsch, welchen er, aus einem zu seiner Rechten stehenden silbernen
Becher, der ganzen Versammlung zutrank.

Das Mahl ging zu Ende, und alsbald forderte der Ordner des
Festes zu einem weihevollen Festgesänge auf, und so begann denn die
Musik den erheiterten Seelen ihre klingenden, magischen Flügel zu


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[0396] In der enggefüllten Kirche schallte nun, von einem Chöre herab, der vielstimmige Gesang ernster, volksthümlicher Lieder patriotischen und religiösen Inhalts. Aufmerksam, eifrig, sichtlich ergriffen horchte das gute Bergvolk, so zu sagen, der Sprache seines eigenen Herzens und stille, friedlich verlief sich die ganze Menge nach Beendigung der Feierlichkeit. Am Ufer des Sees war ein geräumiges, schönes Zelt erbaut, das freundlich, vielfach mit Grün und Blumen geschmückt, den Sänger¬ gästen entgegenwinkte. Ueber dem Eingange schwebten die Fähnchen aller anwesenden Sängerchöre, in der Mitte des Zeltes stand eine Rednerbühne mit der Inschrift aus Blumengewinden: Freies Wort für Zeit und Ort, und eine große gastliche Tafel war der nahen¬ den Gäste gewärtig. Die Sänger zogen mit Musik und unter Ka¬ nonendonner in das luftige Dach ein, und alsbald nahmen wir, hungrige Kinder, gern die Gaben der Mutter Ceres und des frohen Vaters Bacchus, deren glückliches Reich uns nah und fern in üppig¬ ster Pracht herzerquickend umgab, umduftete, umlächelte. Als das frohe, freundschaftliche Mahl zu Ende ging, da betrat ein schöner Mann mit gar edlem Ausdrucke der männlichen Züge die Rednerbühne und begann mit honorer Stimme ergreifend zu den An¬ wesenden zu reden. Dieser Redner war der Pfarrer Sprüngli aus Thalweit. Er sagte auf sehr geistvolle Weise, wir seien alle Hütten¬ männer, trieben die Hüttenkunde und unsere Hüttenkunde sei eine lustige Wissenschaft, die zugleich mit vielen andern Disciplinen im Zu¬ sammenhang stehe. — Nun vermocht' ich nicht, den Worten nach, die Rede des vortrefflichen Mannes wiederzugeben: sie war sehr reich an feinen, witzigen Anspielungen, an schlagenden Humorismen, welche dem Redner reichlich und ungesucht aus der Seele sprangen. Hart fuhr er, mit prasselndem Wortgeschütz, zuweilen darein, unbarmherzig die mangelhafte Gesinnung auch bei Männern des Fortschritts züchti¬ gend, und schneidend, aber mit Humor, geißelte er die arge Partei mit volkstümlichen Schwerthieben, welchen das Gelächter der Hörer applaudirte und von Zeit zu Zeit die nahestehenden Kanonen ein kra¬ chendes Beifalllachen erwiederten. Der Redner endete mit dem Glück¬ wunsch, welchen er, aus einem zu seiner Rechten stehenden silbernen Becher, der ganzen Versammlung zutrank. Das Mahl ging zu Ende, und alsbald forderte der Ordner des Festes zu einem weihevollen Festgesänge auf, und so begann denn die Musik den erheiterten Seelen ihre klingenden, magischen Flügel zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/396>, abgerufen am 24.11.2024.