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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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gerlichen Lebens hergenommen ist, ein Humor geltend, der uns viel¬
fach an Hebels allemannische Lieder erinnert, der ihnen an Saftigkeit
jedenfalls gleichkommt, wenn er auch nicht, oder doch nicht durchgän¬
gig, die poetische Tiefe derselben ansprechen kann. In diesem Kreise
ist unser Drechslermeister und seine Poesie vollkommen zu Hause, hier
beherrscht er seinen Stoff vollkommen und schalkhaft, hier sehen wir
ihn anders, als wie im Anfange seines Buches, steif und im Sonn-
tagsrocke. In ihnen stellt sich uns das allerdings in einem sehr
beschränkten Kreise, aber doch voll Frische sich bewegende, bürgerliche,
deutsche Volksnaturell des Elsasses deutlich entgegen. Um etwas mit¬
zutheilen, mögen hier ein paar Strophen aus den "Herzensergießun-
gen einer Straßburger Gänsestopferin" einen Platz finden. Die Gän¬
sestopferin sint:

Guet so, myn Gansel!
Foll würd dyn Ränzel;
Na, sey manicrli, vlyv hinte nur fest!
Halt, dyne Büerzel
Winkt' ich in's Schüerzcl.
Sietsch jetz so weich wie d'e Vöuel im Nest
Wenn d'ein sechs Doa nur zu lewe noch hast!
Wyl isch dyn Kraaue,
Kann viel vertraue,'S Wälschkorn ruttscht brachdi 'nunter wie q'schmiert!
Wie e Balle Butter
Borzt sehnen dyn Dulder!
Wur i denn dieß mol nit nngerüehrt?
Nit mit d'e Lawwer am Närrchen g'süehrt^
D' Nachdem drüewwe
Sal sie hat siewwe
Lywwer bekumme for d' Lewwer, isch's wohr?
Zsch's nuer e Löue
Daß sie gewöue
Anderthalb völlig- Pfund uff's Hvor?
Macht sie am End Simbcwiae noch droor?

Höhen und Tiefen. Gedichte von Ernst Weller. In
einer Rubrik, die der Dichter "Volles Leben" überschreibt, verliert sich
Alles in Rührung, Wehmuth, Thränen, Träume und einige Dampf¬
schifffahrten; das ist bezeichnend für den Standpunkt des Verfassers.
Ein romantisch-naturreligiöses Element macht sich zwar sehr in ihm gel¬
tend, seine Poesie hat sich noch nicht über den Kampf mit der Natur-


gerlichen Lebens hergenommen ist, ein Humor geltend, der uns viel¬
fach an Hebels allemannische Lieder erinnert, der ihnen an Saftigkeit
jedenfalls gleichkommt, wenn er auch nicht, oder doch nicht durchgän¬
gig, die poetische Tiefe derselben ansprechen kann. In diesem Kreise
ist unser Drechslermeister und seine Poesie vollkommen zu Hause, hier
beherrscht er seinen Stoff vollkommen und schalkhaft, hier sehen wir
ihn anders, als wie im Anfange seines Buches, steif und im Sonn-
tagsrocke. In ihnen stellt sich uns das allerdings in einem sehr
beschränkten Kreise, aber doch voll Frische sich bewegende, bürgerliche,
deutsche Volksnaturell des Elsasses deutlich entgegen. Um etwas mit¬
zutheilen, mögen hier ein paar Strophen aus den „Herzensergießun-
gen einer Straßburger Gänsestopferin" einen Platz finden. Die Gän¬
sestopferin sint:

Guet so, myn Gansel!
Foll würd dyn Ränzel;
Na, sey manicrli, vlyv hinte nur fest!
Halt, dyne Büerzel
Winkt' ich in's Schüerzcl.
Sietsch jetz so weich wie d'e Vöuel im Nest
Wenn d'ein sechs Doa nur zu lewe noch hast!
Wyl isch dyn Kraaue,
Kann viel vertraue,'S Wälschkorn ruttscht brachdi 'nunter wie q'schmiert!
Wie e Balle Butter
Borzt sehnen dyn Dulder!
Wur i denn dieß mol nit nngerüehrt?
Nit mit d'e Lawwer am Närrchen g'süehrt^
D' Nachdem drüewwe
Sal sie hat siewwe
Lywwer bekumme for d' Lewwer, isch's wohr?
Zsch's nuer e Löue
Daß sie gewöue
Anderthalb völlig- Pfund uff's Hvor?
Macht sie am End Simbcwiae noch droor?

Höhen und Tiefen. Gedichte von Ernst Weller. In
einer Rubrik, die der Dichter „Volles Leben" überschreibt, verliert sich
Alles in Rührung, Wehmuth, Thränen, Träume und einige Dampf¬
schifffahrten; das ist bezeichnend für den Standpunkt des Verfassers.
Ein romantisch-naturreligiöses Element macht sich zwar sehr in ihm gel¬
tend, seine Poesie hat sich noch nicht über den Kampf mit der Natur-


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[0389] gerlichen Lebens hergenommen ist, ein Humor geltend, der uns viel¬ fach an Hebels allemannische Lieder erinnert, der ihnen an Saftigkeit jedenfalls gleichkommt, wenn er auch nicht, oder doch nicht durchgän¬ gig, die poetische Tiefe derselben ansprechen kann. In diesem Kreise ist unser Drechslermeister und seine Poesie vollkommen zu Hause, hier beherrscht er seinen Stoff vollkommen und schalkhaft, hier sehen wir ihn anders, als wie im Anfange seines Buches, steif und im Sonn- tagsrocke. In ihnen stellt sich uns das allerdings in einem sehr beschränkten Kreise, aber doch voll Frische sich bewegende, bürgerliche, deutsche Volksnaturell des Elsasses deutlich entgegen. Um etwas mit¬ zutheilen, mögen hier ein paar Strophen aus den „Herzensergießun- gen einer Straßburger Gänsestopferin" einen Platz finden. Die Gän¬ sestopferin sint: Guet so, myn Gansel! Foll würd dyn Ränzel; Na, sey manicrli, vlyv hinte nur fest! Halt, dyne Büerzel Winkt' ich in's Schüerzcl. Sietsch jetz so weich wie d'e Vöuel im Nest Wenn d'ein sechs Doa nur zu lewe noch hast! Wyl isch dyn Kraaue, Kann viel vertraue,'S Wälschkorn ruttscht brachdi 'nunter wie q'schmiert! Wie e Balle Butter Borzt sehnen dyn Dulder! Wur i denn dieß mol nit nngerüehrt? Nit mit d'e Lawwer am Närrchen g'süehrt^ D' Nachdem drüewwe Sal sie hat siewwe Lywwer bekumme for d' Lewwer, isch's wohr? Zsch's nuer e Löue Daß sie gewöue Anderthalb völlig- Pfund uff's Hvor? Macht sie am End Simbcwiae noch droor? Höhen und Tiefen. Gedichte von Ernst Weller. In einer Rubrik, die der Dichter „Volles Leben" überschreibt, verliert sich Alles in Rührung, Wehmuth, Thränen, Träume und einige Dampf¬ schifffahrten; das ist bezeichnend für den Standpunkt des Verfassers. Ein romantisch-naturreligiöses Element macht sich zwar sehr in ihm gel¬ tend, seine Poesie hat sich noch nicht über den Kampf mit der Natur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/389>, abgerufen am 28.11.2024.