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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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nicht so ein neuer Name thut! Es ist wirklich nur ein neuer Name,
denn wie die religiösen Secten sich über alle Besonderheiten der wirk¬
lichen Welt, über die Nationalität, den Patriotismus hinwegsetzen und
als Band der Menschen nur ihr Dogma gelten lassen, so wirft auch
Rüge die Nationalitäten und den Patriotismus hinter sich und ord¬
net die Menschen in Parteien ein: die Partei der Freiheit ist die sei¬
nige, alle andern Parteien dienen der Unfreiheit. "Durch die Völker
(Nationalitäten) gehen die Parteien, lind die Völker haben kein höhe¬
res Interesse als das ihrer Parteien." Rüge verläßt sein Vaterland,
nicht weil ihm dasselbe an sich selbst zuwider und ein anderes einla¬
dender an sich selbst wäre, sondern nur, weil er die Herstellung der
Partei, um welche es zu thun ist, in dem andern Volke für leichter
ausführbar hält. "Man wartet nur ab, bis das Vaterland sich be¬
sinnt und die Opposition (die Partei der Freiheit) zur Negierung
kommt. Wer das Vaterland "j-tinKl ,"in"<z zum Princip macht, der
hat kein Princip; wer gegen eine verkehrte Lebensart in seinem Va¬
terlande zu Felde zieht, sagt weiter nichts, als daß er die richtige
zu Ehren bringen will." "An die Stelle des Vaterlandes gehört die
Partei." "Nicht die Einheit aller möglichen Richtungen, wie sie eine
ganze Nation ausfüllen, sondern der Sieg einer bestimmten Richtung
über eine andere ist jetzt wieder unsere Herzenssache. Es gibt keine
Nation, die in Masse reformatorisch wäre; man kann es also
mit keiner Nation in Masse halten." "Das Vaterland ist in der Ge¬
meinschaft freier Menschen zu suchen...., die Heimath in der Partei,
deren Princip uns belebt." Ist das nicht ganz religiös? Gehet
hin und lehret alle Heiden! Heißt das nicht ganz eigentlich Pro¬
paganda machen? Ja, es kommt noch besser; man höre: "Nicht die
Schranke des Landes, sondern die Schranke des Kopfes ist zu beseiti¬
gen," (man vergleiche: das Himmelreich kommt nicht mit äußerlichen
Geberden, es ist inwendig in euch!--) "nicht ein neuer Völkerkampf,
sondern der Streit der Principien ist auszufechten, der Patriotismus
also nicht aufzuregen, sondern in die Principienfragen aufzuheben;"
(ja, "wer nicht hasset Vater, Mutter u. s. w. und folget mir nach u.
s. w.") -- Und nun! "Trachtet am ersten nach der Freiheit,
so wird euch das Andere alles von selbst zufallen. Es
gibt nur Ein Gebiet, das erobert werden muß, das ihrige. Das Va¬
terland der Freiheit ist das einzige, für das ein denkender Mensch sich
erwärmen kann, und der geächteten Freiheit ein Vaterland zu erobern,
das ist die einzige Eroberung, aus die er denken darf."


nicht so ein neuer Name thut! Es ist wirklich nur ein neuer Name,
denn wie die religiösen Secten sich über alle Besonderheiten der wirk¬
lichen Welt, über die Nationalität, den Patriotismus hinwegsetzen und
als Band der Menschen nur ihr Dogma gelten lassen, so wirft auch
Rüge die Nationalitäten und den Patriotismus hinter sich und ord¬
net die Menschen in Parteien ein: die Partei der Freiheit ist die sei¬
nige, alle andern Parteien dienen der Unfreiheit. „Durch die Völker
(Nationalitäten) gehen die Parteien, lind die Völker haben kein höhe¬
res Interesse als das ihrer Parteien." Rüge verläßt sein Vaterland,
nicht weil ihm dasselbe an sich selbst zuwider und ein anderes einla¬
dender an sich selbst wäre, sondern nur, weil er die Herstellung der
Partei, um welche es zu thun ist, in dem andern Volke für leichter
ausführbar hält. „Man wartet nur ab, bis das Vaterland sich be¬
sinnt und die Opposition (die Partei der Freiheit) zur Negierung
kommt. Wer das Vaterland «j-tinKl ,»in»<z zum Princip macht, der
hat kein Princip; wer gegen eine verkehrte Lebensart in seinem Va¬
terlande zu Felde zieht, sagt weiter nichts, als daß er die richtige
zu Ehren bringen will." „An die Stelle des Vaterlandes gehört die
Partei." „Nicht die Einheit aller möglichen Richtungen, wie sie eine
ganze Nation ausfüllen, sondern der Sieg einer bestimmten Richtung
über eine andere ist jetzt wieder unsere Herzenssache. Es gibt keine
Nation, die in Masse reformatorisch wäre; man kann es also
mit keiner Nation in Masse halten." „Das Vaterland ist in der Ge¬
meinschaft freier Menschen zu suchen...., die Heimath in der Partei,
deren Princip uns belebt." Ist das nicht ganz religiös? Gehet
hin und lehret alle Heiden! Heißt das nicht ganz eigentlich Pro¬
paganda machen? Ja, es kommt noch besser; man höre: „Nicht die
Schranke des Landes, sondern die Schranke des Kopfes ist zu beseiti¬
gen," (man vergleiche: das Himmelreich kommt nicht mit äußerlichen
Geberden, es ist inwendig in euch!—) „nicht ein neuer Völkerkampf,
sondern der Streit der Principien ist auszufechten, der Patriotismus
also nicht aufzuregen, sondern in die Principienfragen aufzuheben;"
(ja, „wer nicht hasset Vater, Mutter u. s. w. und folget mir nach u.
s. w.") — Und nun! „Trachtet am ersten nach der Freiheit,
so wird euch das Andere alles von selbst zufallen. Es
gibt nur Ein Gebiet, das erobert werden muß, das ihrige. Das Va¬
terland der Freiheit ist das einzige, für das ein denkender Mensch sich
erwärmen kann, und der geächteten Freiheit ein Vaterland zu erobern,
das ist die einzige Eroberung, aus die er denken darf."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/290>, abgerufen am 23.07.2024.