Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.trauen vertauscht. Ihre Eltern, Brüder, Schwestern, Freunde sollten 35-i-
trauen vertauscht. Ihre Eltern, Brüder, Schwestern, Freunde sollten 35-i-
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182706"/> <p xml:id="ID_791" prev="#ID_790" next="#ID_792"> trauen vertauscht. Ihre Eltern, Brüder, Schwestern, Freunde sollten<lb/> ihnen ja fremd und sittlich verdächtig werden, um ganz zu eigen zu sein<lb/> ihren zweiten, ihren geistlichen Vätern, und kam eine Mutter Posten-<lb/> weit herbeigeeilt, um ihren todtkranken Sohn zu besuchen, wurde sie<lb/> von seiner Schwelle abgewiesen, und mußte sich erst beim Landesgou¬<lb/> verneur die Erlaubniß zum Besuche erbetteln. Solche Erfahrungen<lb/> ermunterten nicht zu Beiträgen für ihre Vervielfältigungen, und es<lb/> half wenig, daß man nachgerade zur Einsicht gelangte, wie empörend ein<lb/> solches Princip sei. Trotz der emsigen Werbung der Affiliirten woll¬<lb/> ten die vielen Tausende, die der Bau erheischte, nicht mehr einfließen,<lb/> man flüchtete zu unverzinslichen und dann zu verzinslichen Darleihen.<lb/> Endlich nach dreien Jahren emsiger Sammlung ward im Frühjahre<lb/> 1843 Spaten und Kelle daran gelegt, er wuchs mit der förderlichsten<lb/> Eile, allein obgleich schon im Sommer 1844 fertig, stand er noch über<lb/> Jahr und Tag leer und ode. So war der Eifer erkaltet, so die ge¬<lb/> rühmten Goldzuflüsse versiegt, so der vielgepriesene Zudrang aus al¬<lb/> len Ländern des österreichischen Kaiserthums wie Wasser im Sande<lb/> verronnen, daß der Verein ver frommen Erbauer noch im Frühlinge<lb/> des letzten Jahres rathlos darüber zusammensaß, wie nur die geringen<lb/> Kosten der Einrichtung für das schon fertige Werk aufzubringen seien. Da<lb/> fand sich endlich, wie die Augsburger Postzeitung posaunte, zu rechter<lb/> Zeit wieder ein ansehnliches Geschenk und ersparte ihm die Beschä¬<lb/> mung, am Mangel der Stühle und Bettstellen gescheitert zu sein. Er<lb/> war nun durch die That, durch den fühlbaren Mangel an gehofften<lb/> Wohlwollen, ja den erklärten Widerwillen der ganzen Bevölkerung ge¬<lb/> gen sein Unternehmen herabgekommen von seinen großen Entwürfen, er<lb/> vergaß seines schönen Traumes vom Zuströmen der Jugend aus Nord,<lb/> Ost, und Süd, und beschied sich, die Anstalt als eine Stiftung für die<lb/> Provinz Tyrol zu erklären. Auch über den ursprünglichen Zweck des<lb/> Vereins kam eine Variante zu Tag. In seinem ersten Aufruf war<lb/> die Gründung eines jesuitischen Instituts frei und offen eingestanden.<lb/> Dies gab zur Vermuthung Anlaß, als ob es der Orden selbst gewünscht,<lb/> oder dieser wohl gar den Verein hervorgerufen habe. Beim jetzigen<lb/> Wetterstande fand er es gerathener, sich die Schläge auf allen Seiten<lb/> abzuleiten, man vergaß, daß es ursprünglich Zweck des Vereins gewe¬<lb/> sen, die Jugend den Jesuiten in die Hände zu spielen, und erklärte<lb/> nun, blos eine Erziehungsanstalt im Allgemeinen beabsichtigt zu haben,<lb/> zufällig sei eben der Orden hinzugekommen. Wahrlich, da es dem<lb/> Berein nun schon auf eine Lüge nicht ankam, und die Jesuiten selbst</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 35-i-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283]
trauen vertauscht. Ihre Eltern, Brüder, Schwestern, Freunde sollten
ihnen ja fremd und sittlich verdächtig werden, um ganz zu eigen zu sein
ihren zweiten, ihren geistlichen Vätern, und kam eine Mutter Posten-
weit herbeigeeilt, um ihren todtkranken Sohn zu besuchen, wurde sie
von seiner Schwelle abgewiesen, und mußte sich erst beim Landesgou¬
verneur die Erlaubniß zum Besuche erbetteln. Solche Erfahrungen
ermunterten nicht zu Beiträgen für ihre Vervielfältigungen, und es
half wenig, daß man nachgerade zur Einsicht gelangte, wie empörend ein
solches Princip sei. Trotz der emsigen Werbung der Affiliirten woll¬
ten die vielen Tausende, die der Bau erheischte, nicht mehr einfließen,
man flüchtete zu unverzinslichen und dann zu verzinslichen Darleihen.
Endlich nach dreien Jahren emsiger Sammlung ward im Frühjahre
1843 Spaten und Kelle daran gelegt, er wuchs mit der förderlichsten
Eile, allein obgleich schon im Sommer 1844 fertig, stand er noch über
Jahr und Tag leer und ode. So war der Eifer erkaltet, so die ge¬
rühmten Goldzuflüsse versiegt, so der vielgepriesene Zudrang aus al¬
len Ländern des österreichischen Kaiserthums wie Wasser im Sande
verronnen, daß der Verein ver frommen Erbauer noch im Frühlinge
des letzten Jahres rathlos darüber zusammensaß, wie nur die geringen
Kosten der Einrichtung für das schon fertige Werk aufzubringen seien. Da
fand sich endlich, wie die Augsburger Postzeitung posaunte, zu rechter
Zeit wieder ein ansehnliches Geschenk und ersparte ihm die Beschä¬
mung, am Mangel der Stühle und Bettstellen gescheitert zu sein. Er
war nun durch die That, durch den fühlbaren Mangel an gehofften
Wohlwollen, ja den erklärten Widerwillen der ganzen Bevölkerung ge¬
gen sein Unternehmen herabgekommen von seinen großen Entwürfen, er
vergaß seines schönen Traumes vom Zuströmen der Jugend aus Nord,
Ost, und Süd, und beschied sich, die Anstalt als eine Stiftung für die
Provinz Tyrol zu erklären. Auch über den ursprünglichen Zweck des
Vereins kam eine Variante zu Tag. In seinem ersten Aufruf war
die Gründung eines jesuitischen Instituts frei und offen eingestanden.
Dies gab zur Vermuthung Anlaß, als ob es der Orden selbst gewünscht,
oder dieser wohl gar den Verein hervorgerufen habe. Beim jetzigen
Wetterstande fand er es gerathener, sich die Schläge auf allen Seiten
abzuleiten, man vergaß, daß es ursprünglich Zweck des Vereins gewe¬
sen, die Jugend den Jesuiten in die Hände zu spielen, und erklärte
nun, blos eine Erziehungsanstalt im Allgemeinen beabsichtigt zu haben,
zufällig sei eben der Orden hinzugekommen. Wahrlich, da es dem
Berein nun schon auf eine Lüge nicht ankam, und die Jesuiten selbst
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