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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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mit Beiträgen hoher und allerhöchster Gönner prunkt, ist es uns doch
tröstlich, die Ausdehnung zu beobachten, worauf es ursprünglich be¬
dacht und jetzt beschränkt wurde. Die Jesuiten hatten ein Colleg,
wie das in Freiburg, vor Augen, nicht blos Oesterreichern, auch Jüng¬
lingen aller auswärtigen Staaten, sollte es seine Thore öffnen, allein
die Negierung fand sich zu letzterm nicht willfährig. Man beschied sich
daher mit den österreichischen Provinzen und verkündigte durch einen
an alle Landgerichte und Magistrate mitgetheilten Aufruf: "die Räume
der therestanischen Ritterakademie genügten dem Andrange adeliger
Jünglinge aus allen Theilen der Monarchie nicht mehr." Es gab
nämlich 24 Freiplätze, die Manchen auch außer den Marken Tyrols
angelten. Nicht laut genug konnten die Glieder des Vereins, der zur
bessern Unterstützung des Unternehmens zusammengelogen wurde, mit
frommen Worten für die goldenen Früchte der Erziehung eifern, der
einzige, welcher die feinen Sitten des Adels anzueignen um Stande sei.
Man sah zwar mir Sehnsucht nach drei vollen Jahren einer Probe
davon entgegen und glaubte zu bemerken, daß die Jungen weniger
lernten, als ehedem, verschob aber bescheidentlich das Urtheil auf eine
weitere. Noch weniger begriff man, daß die wenigen Nichttyroler nur
Boten nachrückender Schaaren sein sollten; die angesagten Zugvögel
blieben aus. Außer einem Bischen Latein und Griechisch wußten die
Schüler gar wenig von Geschichte und Erdbeschreibung, Rechnen oder
andern wissenschaftlichen Kenntnissen, die Uebung in ihrer deutschen
Muttersprache, welche den Jünglingen nur ausnahmsweise an Va-
canztagen gestattet wurde, kam dem Ernste müßiger Spiele gleich. An
denkenden und gründliche": Unterricht in der Religion ward nicht ge¬
dacht ! die ersten vier Schulen lernten am Katechismus des Pater Ca-
ntstus, und die letzten zwei wiederholten ihn in lateinischer Sprache. Mu¬
sik, Clavier mußte insbesondere theuer bezahlt werden, der Lehrling
erhielt zwei Stunden in der Woche, und kannte am Ende deö ersten
Jahres kaum die Noten. Dafür wuchsen aber Schneider- und an¬
dere Rechnungen zu den beträchtlichsten Summen, 200, 300 si. C. Mi
betrügen außer dem Kostgelde oder Freiplatze blos die Gebühren für
Nebenauslagen, die mit den höhern Klassen im Ansätze stiegen. Die Zög¬
linge hatten die Verachtung deö Weltlichen vorerst nur an ihren Klei¬
dern üben gelernt, die Wirkung ihrer geistlichen Uebungen gab sich
zunächst dadurch kund, daß sie sich kalt, herzlos, zurückstoßend, rückhal¬
tig, doppelzüngig und falsch geberdeten wie ihre Lehrer und Meister;
sie hatten Verschlagenheit und Tücke um deutschen Freimuth und Ver-


mit Beiträgen hoher und allerhöchster Gönner prunkt, ist es uns doch
tröstlich, die Ausdehnung zu beobachten, worauf es ursprünglich be¬
dacht und jetzt beschränkt wurde. Die Jesuiten hatten ein Colleg,
wie das in Freiburg, vor Augen, nicht blos Oesterreichern, auch Jüng¬
lingen aller auswärtigen Staaten, sollte es seine Thore öffnen, allein
die Negierung fand sich zu letzterm nicht willfährig. Man beschied sich
daher mit den österreichischen Provinzen und verkündigte durch einen
an alle Landgerichte und Magistrate mitgetheilten Aufruf: „die Räume
der therestanischen Ritterakademie genügten dem Andrange adeliger
Jünglinge aus allen Theilen der Monarchie nicht mehr." Es gab
nämlich 24 Freiplätze, die Manchen auch außer den Marken Tyrols
angelten. Nicht laut genug konnten die Glieder des Vereins, der zur
bessern Unterstützung des Unternehmens zusammengelogen wurde, mit
frommen Worten für die goldenen Früchte der Erziehung eifern, der
einzige, welcher die feinen Sitten des Adels anzueignen um Stande sei.
Man sah zwar mir Sehnsucht nach drei vollen Jahren einer Probe
davon entgegen und glaubte zu bemerken, daß die Jungen weniger
lernten, als ehedem, verschob aber bescheidentlich das Urtheil auf eine
weitere. Noch weniger begriff man, daß die wenigen Nichttyroler nur
Boten nachrückender Schaaren sein sollten; die angesagten Zugvögel
blieben aus. Außer einem Bischen Latein und Griechisch wußten die
Schüler gar wenig von Geschichte und Erdbeschreibung, Rechnen oder
andern wissenschaftlichen Kenntnissen, die Uebung in ihrer deutschen
Muttersprache, welche den Jünglingen nur ausnahmsweise an Va-
canztagen gestattet wurde, kam dem Ernste müßiger Spiele gleich. An
denkenden und gründliche«: Unterricht in der Religion ward nicht ge¬
dacht ! die ersten vier Schulen lernten am Katechismus des Pater Ca-
ntstus, und die letzten zwei wiederholten ihn in lateinischer Sprache. Mu¬
sik, Clavier mußte insbesondere theuer bezahlt werden, der Lehrling
erhielt zwei Stunden in der Woche, und kannte am Ende deö ersten
Jahres kaum die Noten. Dafür wuchsen aber Schneider- und an¬
dere Rechnungen zu den beträchtlichsten Summen, 200, 300 si. C. Mi
betrügen außer dem Kostgelde oder Freiplatze blos die Gebühren für
Nebenauslagen, die mit den höhern Klassen im Ansätze stiegen. Die Zög¬
linge hatten die Verachtung deö Weltlichen vorerst nur an ihren Klei¬
dern üben gelernt, die Wirkung ihrer geistlichen Uebungen gab sich
zunächst dadurch kund, daß sie sich kalt, herzlos, zurückstoßend, rückhal¬
tig, doppelzüngig und falsch geberdeten wie ihre Lehrer und Meister;
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[0282] mit Beiträgen hoher und allerhöchster Gönner prunkt, ist es uns doch tröstlich, die Ausdehnung zu beobachten, worauf es ursprünglich be¬ dacht und jetzt beschränkt wurde. Die Jesuiten hatten ein Colleg, wie das in Freiburg, vor Augen, nicht blos Oesterreichern, auch Jüng¬ lingen aller auswärtigen Staaten, sollte es seine Thore öffnen, allein die Negierung fand sich zu letzterm nicht willfährig. Man beschied sich daher mit den österreichischen Provinzen und verkündigte durch einen an alle Landgerichte und Magistrate mitgetheilten Aufruf: „die Räume der therestanischen Ritterakademie genügten dem Andrange adeliger Jünglinge aus allen Theilen der Monarchie nicht mehr." Es gab nämlich 24 Freiplätze, die Manchen auch außer den Marken Tyrols angelten. Nicht laut genug konnten die Glieder des Vereins, der zur bessern Unterstützung des Unternehmens zusammengelogen wurde, mit frommen Worten für die goldenen Früchte der Erziehung eifern, der einzige, welcher die feinen Sitten des Adels anzueignen um Stande sei. Man sah zwar mir Sehnsucht nach drei vollen Jahren einer Probe davon entgegen und glaubte zu bemerken, daß die Jungen weniger lernten, als ehedem, verschob aber bescheidentlich das Urtheil auf eine weitere. Noch weniger begriff man, daß die wenigen Nichttyroler nur Boten nachrückender Schaaren sein sollten; die angesagten Zugvögel blieben aus. Außer einem Bischen Latein und Griechisch wußten die Schüler gar wenig von Geschichte und Erdbeschreibung, Rechnen oder andern wissenschaftlichen Kenntnissen, die Uebung in ihrer deutschen Muttersprache, welche den Jünglingen nur ausnahmsweise an Va- canztagen gestattet wurde, kam dem Ernste müßiger Spiele gleich. An denkenden und gründliche«: Unterricht in der Religion ward nicht ge¬ dacht ! die ersten vier Schulen lernten am Katechismus des Pater Ca- ntstus, und die letzten zwei wiederholten ihn in lateinischer Sprache. Mu¬ sik, Clavier mußte insbesondere theuer bezahlt werden, der Lehrling erhielt zwei Stunden in der Woche, und kannte am Ende deö ersten Jahres kaum die Noten. Dafür wuchsen aber Schneider- und an¬ dere Rechnungen zu den beträchtlichsten Summen, 200, 300 si. C. Mi betrügen außer dem Kostgelde oder Freiplatze blos die Gebühren für Nebenauslagen, die mit den höhern Klassen im Ansätze stiegen. Die Zög¬ linge hatten die Verachtung deö Weltlichen vorerst nur an ihren Klei¬ dern üben gelernt, die Wirkung ihrer geistlichen Uebungen gab sich zunächst dadurch kund, daß sie sich kalt, herzlos, zurückstoßend, rückhal¬ tig, doppelzüngig und falsch geberdeten wie ihre Lehrer und Meister; sie hatten Verschlagenheit und Tücke um deutschen Freimuth und Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/282>, abgerufen am 23.07.2024.