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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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sein, dennoch eben dadurch das Gedeihen des Familienlebens hindern
und verkümmern.

Auch ist die Rcgentenfamilie ohne Ausnahme hochachtens- ja
liebenswerth in hohem Grade, alle wollen das Gute, das Rechte, alle
meinen es in der angenommenen Regierungsweise bestens zu fördern.
Um den Kaiser von Oesterreich, seine Oheime und Vettern, sind keine
Schranken der Unzugänglichkeit gezogen, ihre Persönlichkeit nimmt ein,
gewinnt alle Herzen, gewiß, sie haben im ganzen Kaiserstaate keinen
Feind! Welche Negentenfamilie kann sich desgleichen rühmen? Und
dennoch ist Oesterreich nicht, was es sollte, was.es könnte.

Der gute Wille in höchster Region scheitert an dem Bollwerke,
das die Armada der, mit der Aristokratie siamesisch verwachsenen, im
Großen herrschenden Bureaukratie, zwischen den Nationen und der
Regentcnfamilie aufgerichtet, welche nur in einzelnen Gnadenacten
unmittelbar eingreift, während alles Große und Umfassende von der
Beamtfchaft verhandelt, beschlossen wird, während es an Oeffentlich-
keit, an der Möglichkett gebricht, die höchsten, die gutwvllenden Per¬
sonen unmittelbar und unbefangen von dem in Kenntniß zu setzen,
was noth thut. Freiere Presse ist wohl strenge monarchischer Regie¬
rung, weil sie wie die österreichische nicht despotisch, sondern legal
regieren, dringenderes Bedürfniß, während constitutionelle Regierung
dieses Vehikel leichter entbehrt.

Oesterreich, wenn ein Staat, könnte zunächst es wagen, es mit
mäßig entfesselter Presse zu versuchen, der so viel beklagte Preßzwang
Sachsens oder Preußens wäre für Oesterreichs Presse utopische
Freiheit, er würde vor der Hand ausreichen, Vieles zum Guten zu
sichren, und durchaus kein Wagniß läge in solcher Gewährung für
das Regentenhaus.

Oesterreichs Regierung hat der Nation kein Versprechen gegeben,
keines gebrochen; durch kein listiges Versprechen geködert, gingen
Oesterreichs Völker in den Kampf für ihren absoluten Kaiser, und
kämpften ihn heldenmüthig und siegreich durch.

Doch die aristokratische hohe, wie die niedere Beamtschast Oester¬
reichs haßt und fürchtet die Oeffentlichkeit, sie fühlt, daß mit ihr eine
Reorganisation des Beamtenwcsens eintreten müßte, sie sühlt sich zu
schwach für solche Probe und will durch Palliativmittel sich erhalten.

Nur wer in Oesterreich lange gelebt, hat klaren Begriff von der
hier üblichen Regierungsweise, kann zu der Ueberzeugung gelangt sein,
daß es oft die untersten Organe sind, welche den Gang der Regierung


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sein, dennoch eben dadurch das Gedeihen des Familienlebens hindern
und verkümmern.

Auch ist die Rcgentenfamilie ohne Ausnahme hochachtens- ja
liebenswerth in hohem Grade, alle wollen das Gute, das Rechte, alle
meinen es in der angenommenen Regierungsweise bestens zu fördern.
Um den Kaiser von Oesterreich, seine Oheime und Vettern, sind keine
Schranken der Unzugänglichkeit gezogen, ihre Persönlichkeit nimmt ein,
gewinnt alle Herzen, gewiß, sie haben im ganzen Kaiserstaate keinen
Feind! Welche Negentenfamilie kann sich desgleichen rühmen? Und
dennoch ist Oesterreich nicht, was es sollte, was.es könnte.

Der gute Wille in höchster Region scheitert an dem Bollwerke,
das die Armada der, mit der Aristokratie siamesisch verwachsenen, im
Großen herrschenden Bureaukratie, zwischen den Nationen und der
Regentcnfamilie aufgerichtet, welche nur in einzelnen Gnadenacten
unmittelbar eingreift, während alles Große und Umfassende von der
Beamtfchaft verhandelt, beschlossen wird, während es an Oeffentlich-
keit, an der Möglichkett gebricht, die höchsten, die gutwvllenden Per¬
sonen unmittelbar und unbefangen von dem in Kenntniß zu setzen,
was noth thut. Freiere Presse ist wohl strenge monarchischer Regie¬
rung, weil sie wie die österreichische nicht despotisch, sondern legal
regieren, dringenderes Bedürfniß, während constitutionelle Regierung
dieses Vehikel leichter entbehrt.

Oesterreich, wenn ein Staat, könnte zunächst es wagen, es mit
mäßig entfesselter Presse zu versuchen, der so viel beklagte Preßzwang
Sachsens oder Preußens wäre für Oesterreichs Presse utopische
Freiheit, er würde vor der Hand ausreichen, Vieles zum Guten zu
sichren, und durchaus kein Wagniß läge in solcher Gewährung für
das Regentenhaus.

Oesterreichs Regierung hat der Nation kein Versprechen gegeben,
keines gebrochen; durch kein listiges Versprechen geködert, gingen
Oesterreichs Völker in den Kampf für ihren absoluten Kaiser, und
kämpften ihn heldenmüthig und siegreich durch.

Doch die aristokratische hohe, wie die niedere Beamtschast Oester¬
reichs haßt und fürchtet die Oeffentlichkeit, sie fühlt, daß mit ihr eine
Reorganisation des Beamtenwcsens eintreten müßte, sie sühlt sich zu
schwach für solche Probe und will durch Palliativmittel sich erhalten.

Nur wer in Oesterreich lange gelebt, hat klaren Begriff von der
hier üblichen Regierungsweise, kann zu der Ueberzeugung gelangt sein,
daß es oft die untersten Organe sind, welche den Gang der Regierung


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[0251] sein, dennoch eben dadurch das Gedeihen des Familienlebens hindern und verkümmern. Auch ist die Rcgentenfamilie ohne Ausnahme hochachtens- ja liebenswerth in hohem Grade, alle wollen das Gute, das Rechte, alle meinen es in der angenommenen Regierungsweise bestens zu fördern. Um den Kaiser von Oesterreich, seine Oheime und Vettern, sind keine Schranken der Unzugänglichkeit gezogen, ihre Persönlichkeit nimmt ein, gewinnt alle Herzen, gewiß, sie haben im ganzen Kaiserstaate keinen Feind! Welche Negentenfamilie kann sich desgleichen rühmen? Und dennoch ist Oesterreich nicht, was es sollte, was.es könnte. Der gute Wille in höchster Region scheitert an dem Bollwerke, das die Armada der, mit der Aristokratie siamesisch verwachsenen, im Großen herrschenden Bureaukratie, zwischen den Nationen und der Regentcnfamilie aufgerichtet, welche nur in einzelnen Gnadenacten unmittelbar eingreift, während alles Große und Umfassende von der Beamtfchaft verhandelt, beschlossen wird, während es an Oeffentlich- keit, an der Möglichkett gebricht, die höchsten, die gutwvllenden Per¬ sonen unmittelbar und unbefangen von dem in Kenntniß zu setzen, was noth thut. Freiere Presse ist wohl strenge monarchischer Regie¬ rung, weil sie wie die österreichische nicht despotisch, sondern legal regieren, dringenderes Bedürfniß, während constitutionelle Regierung dieses Vehikel leichter entbehrt. Oesterreich, wenn ein Staat, könnte zunächst es wagen, es mit mäßig entfesselter Presse zu versuchen, der so viel beklagte Preßzwang Sachsens oder Preußens wäre für Oesterreichs Presse utopische Freiheit, er würde vor der Hand ausreichen, Vieles zum Guten zu sichren, und durchaus kein Wagniß läge in solcher Gewährung für das Regentenhaus. Oesterreichs Regierung hat der Nation kein Versprechen gegeben, keines gebrochen; durch kein listiges Versprechen geködert, gingen Oesterreichs Völker in den Kampf für ihren absoluten Kaiser, und kämpften ihn heldenmüthig und siegreich durch. Doch die aristokratische hohe, wie die niedere Beamtschast Oester¬ reichs haßt und fürchtet die Oeffentlichkeit, sie fühlt, daß mit ihr eine Reorganisation des Beamtenwcsens eintreten müßte, sie sühlt sich zu schwach für solche Probe und will durch Palliativmittel sich erhalten. Nur wer in Oesterreich lange gelebt, hat klaren Begriff von der hier üblichen Regierungsweise, kann zu der Ueberzeugung gelangt sein, daß es oft die untersten Organe sind, welche den Gang der Regierung 31»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/251>, abgerufen am 23.07.2024.