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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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prächtigen Livrve ein tiefes Kompliment gemacht wurde. Das erste,
was der Fremde sieht, wenn er nach Paris kommt, ist schon meilen¬
weit vor Paris die Annonce der Epoque. In Paris selbst kann man
nicht' die Augen ausschlagen, ohne auf eine solche zu stoßen. Giebel und
Essen sind mit riesigen Buchstaben beschrieben, und überall schreit einem
l/ZZpoqm' entgegen: abonniren, um Gotteswillen abonniren! Selbst die
ominösen Thürmchen an den Boulevards, die wie Schilderhauschen aus¬
sehen und zu so niedrigen Verrichtungen gebraucht werden, werden von,
Herrn Cassagnac nicht verschmäht, und neben den Empfehlungen des 1^.
Cartes Albert, der hier allerdings an seinem Platze ist, prangt die Annonce
des loyalen Blattes, das Louis Philipp so sehr liebt. Des Abends
kann man auf den Boulevards nicht zehn Schritte machen, ohne auf
eine Laterne zu stoßen, die sich unaufhörlich dreht und in transparen¬
ten Buchstaben L'^oqu^, l.'Kpc>nie so zu sagen schreit. Daneben steht
mit lächelnder Miene und im napoleonischen Hut eine Garde, die von
Zeit zu Zeit mit tiefer Stimme ruft: I/Lpornio, ^"e- I'<:,wljue! --
Da könnten doch deutsche Redacteure und Verleger etwas lernen. Daß
uns Gott behüte! --


II.
Eine Berichtigung.

Was wird einer Redaction nicht für Langmuth und Selbstverlaug-
nung zugemuthet. Da kommt uns eine Berichtigung aus Lemberg zu,
welche einen unserer Mitarbeiter mit der Redaction identificirt und uns
bei dieser Gelegenheit eine solche Reihe von Grobheiten sagt, daß wir
denjenigen, der uns dies in unsern vier Mauern bieten würde, zur Thüre
hinaus werfen ließen; und nun sollen wir alle diese schönen Sachen
drucken lassen, d. h. nicht nur unsere vier Wände sollen es höre", son¬
dern das ganze Publicum. Und doch wollen wir dem Einsender seine"
^L'klar thun. Man soll uns nicht sagen, wir haben eine Wahrheit oder
auch nur eine vermeinte Wahrheit von der Hand gewiesen. Zudem ist
der ganze Fall zu charakteristisch, um Übergängen zu' werden.

Ein Oesterreicher von Herz und warmer Liebe für sein Baterland,
hat nämlich, ^ Debatte über den Krakauer Aufstand und
die Bauernwuth in Tarnow am leidenschaftlichsten war und der famose
Artikel der Preußischen Allgemeinen noch unwiderrufen da stand, den
Grenzboten einen Artikel eingeschickt, worin er auf eigene Faust Oester¬
reich gegen die allerblindesten Anklagen in Schutz nahm, und die Tar-
nower Massacre, als eine aus plumpem Diensteifer hervorgegangen? Bar¬
barei eines Localbeamten, der in der Angst die Besinnung verlor, dar¬
stellte und zugleich darauf hinwies, wie viel besser Preußen von seiner
Polizei bedient worden ist, als Oesterreich, dem bei besserer Aufmerksam¬
keit viel Unglück hätte erspart werden können. Gegen diesen Artikel speit
nun jetzt nachträglich ein Lemberger Berichtiger Feuer und Flammen, und


prächtigen Livrve ein tiefes Kompliment gemacht wurde. Das erste,
was der Fremde sieht, wenn er nach Paris kommt, ist schon meilen¬
weit vor Paris die Annonce der Epoque. In Paris selbst kann man
nicht' die Augen ausschlagen, ohne auf eine solche zu stoßen. Giebel und
Essen sind mit riesigen Buchstaben beschrieben, und überall schreit einem
l/ZZpoqm' entgegen: abonniren, um Gotteswillen abonniren! Selbst die
ominösen Thürmchen an den Boulevards, die wie Schilderhauschen aus¬
sehen und zu so niedrigen Verrichtungen gebraucht werden, werden von,
Herrn Cassagnac nicht verschmäht, und neben den Empfehlungen des 1^.
Cartes Albert, der hier allerdings an seinem Platze ist, prangt die Annonce
des loyalen Blattes, das Louis Philipp so sehr liebt. Des Abends
kann man auf den Boulevards nicht zehn Schritte machen, ohne auf
eine Laterne zu stoßen, die sich unaufhörlich dreht und in transparen¬
ten Buchstaben L'^oqu^, l.'Kpc>nie so zu sagen schreit. Daneben steht
mit lächelnder Miene und im napoleonischen Hut eine Garde, die von
Zeit zu Zeit mit tiefer Stimme ruft: I/Lpornio, ^«e- I'<:,wljue! —
Da könnten doch deutsche Redacteure und Verleger etwas lernen. Daß
uns Gott behüte! —


II.
Eine Berichtigung.

Was wird einer Redaction nicht für Langmuth und Selbstverlaug-
nung zugemuthet. Da kommt uns eine Berichtigung aus Lemberg zu,
welche einen unserer Mitarbeiter mit der Redaction identificirt und uns
bei dieser Gelegenheit eine solche Reihe von Grobheiten sagt, daß wir
denjenigen, der uns dies in unsern vier Mauern bieten würde, zur Thüre
hinaus werfen ließen; und nun sollen wir alle diese schönen Sachen
drucken lassen, d. h. nicht nur unsere vier Wände sollen es höre», son¬
dern das ganze Publicum. Und doch wollen wir dem Einsender seine»
^L'klar thun. Man soll uns nicht sagen, wir haben eine Wahrheit oder
auch nur eine vermeinte Wahrheit von der Hand gewiesen. Zudem ist
der ganze Fall zu charakteristisch, um Übergängen zu' werden.

Ein Oesterreicher von Herz und warmer Liebe für sein Baterland,
hat nämlich, ^ Debatte über den Krakauer Aufstand und
die Bauernwuth in Tarnow am leidenschaftlichsten war und der famose
Artikel der Preußischen Allgemeinen noch unwiderrufen da stand, den
Grenzboten einen Artikel eingeschickt, worin er auf eigene Faust Oester¬
reich gegen die allerblindesten Anklagen in Schutz nahm, und die Tar-
nower Massacre, als eine aus plumpem Diensteifer hervorgegangen? Bar¬
barei eines Localbeamten, der in der Angst die Besinnung verlor, dar¬
stellte und zugleich darauf hinwies, wie viel besser Preußen von seiner
Polizei bedient worden ist, als Oesterreich, dem bei besserer Aufmerksam¬
keit viel Unglück hätte erspart werden können. Gegen diesen Artikel speit
nun jetzt nachträglich ein Lemberger Berichtiger Feuer und Flammen, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/227>, abgerufen am 24.11.2024.