Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.selner Großmutter, als ob ihm der Kopf brennte, er hat mich wohl Sie sprachen dann über ihre Bekannten und deren Familiener- "Dann können wir Gras und Baumrinden fressen!" sagte der selner Großmutter, als ob ihm der Kopf brennte, er hat mich wohl Sie sprachen dann über ihre Bekannten und deren Familiener- „Dann können wir Gras und Baumrinden fressen!" sagte der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0156" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182579"/> <p xml:id="ID_424" prev="#ID_423"> selner Großmutter, als ob ihm der Kopf brennte, er hat mich wohl<lb/> nicht gekannt und gar nicht gehört, wie ich hinter ihm drein schrie."<lb/> „Was? Er ist wohl ausgebrochen?" fragte der Mann neugierig.<lb/> Das weiß ich nicht," antwortete die Wittwe traurig, aber schnell<lb/> kehrte wieder ihre alte Harte zurück. „Ich werde mir schon Recht<lb/> schaffen!" sagte sie mit einem Tone, welcher das jungeMädchen stutzig<lb/> machte.</p><lb/> <p xml:id="ID_425"> Sie sprachen dann über ihre Bekannten und deren Familiener-<lb/> etgnisse, über die Noth, die immer größer werden müßte, wenn die<lb/> Kartoffeln, wie es allgemein hieß, mißriethen.</p><lb/> <p xml:id="ID_426" next="#ID_427"> „Dann können wir Gras und Baumrinden fressen!" sagte der<lb/> Mann ingrimmig. — „Sie werden uns doch nicht verhungern lassen,<lb/> Vater," entgegnete seine Tochter. — „El was! Die Reichen bezahlen<lb/> die Kartoffeln und wenn der Scheffel drei Thaler kostet!" rief der<lb/> Vater. „Was scheeren sie sich um uns!" — „Wir können uns aber<lb/> einmal um sie scheeren!" sagte die Wittwe. — „Ja," lachte das<lb/> Mädchen, „man muß sich nur nicht kriegen lassen." — „Ihr arbeitet<lb/> nicht bei Massers?" fragte die Wittwe scheinbar absichtslos. — „Nein,<lb/> ich dachte es besser zu kriegen bei der neuen Fabrik, die Einer aus der<lb/> Fremde hat bauen lassen," sagte der Mann. „Er ist noch gar nicht<lb/> hier gewesen, heute soll er gekommen sein." — „Nun?" fragte die<lb/> Wittwe gespannt. — „Ach, da sind wir gut angekommen!" rief der<lb/> Mann. „Hier werden wir gedrückt, aber dort zieht man uns das<lb/> Fell über die Ohren. Wir kriegen nicht einmal unsern ganzen Lohn —"<lb/> — „Vater, das wird uns ja aufgehoben und verrechnet, daß wir<lb/> eine ganze Summe auf einmal kriegen und etwas damit anfangen<lb/> können!" sagte das Mädchen. „Ich habe es mit angehört und Alle<lb/> wollten'ö ja." — „O das versteht sich! Glaube Du nur Alles, Du<lb/> Gans, da wirst Du weit kommen! Es klingt recht schon, sie wollen<lb/> uns das Geld , das wir nicht grade zum Bischen Leben brauchen,<lb/> aufheben und eine Art Sparkasse machen, daß wir's nicht verläppern,<lb/> sondern einen guten Batzen zusammen haben — aber hungern und<lb/> dursten, besonders dursten müssen wir dabei und am Ende betrügen sie<lb/> uns doch darum, das sollt Ihr sehen." — „Die bei Massers sollen<lb/> schon ganz desperat sein," bemerkte die Wittwe, die, in ihre Gedanken<lb/> vertieft, kaum auf die Rede des blöden Mißtrauens gegen die besten<lb/> Absichten geachtet hatte. — „Ja, ich glaub's! Der Alte ist hart, wie<lb/> ein Stein, der scharrt und scharrt und kann's doch nicht mitnehmen!<lb/> Ich glaube, er hat's Geld lieber, wie's Leben --- und wenn es darauf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0156]
selner Großmutter, als ob ihm der Kopf brennte, er hat mich wohl
nicht gekannt und gar nicht gehört, wie ich hinter ihm drein schrie."
„Was? Er ist wohl ausgebrochen?" fragte der Mann neugierig.
Das weiß ich nicht," antwortete die Wittwe traurig, aber schnell
kehrte wieder ihre alte Harte zurück. „Ich werde mir schon Recht
schaffen!" sagte sie mit einem Tone, welcher das jungeMädchen stutzig
machte.
Sie sprachen dann über ihre Bekannten und deren Familiener-
etgnisse, über die Noth, die immer größer werden müßte, wenn die
Kartoffeln, wie es allgemein hieß, mißriethen.
„Dann können wir Gras und Baumrinden fressen!" sagte der
Mann ingrimmig. — „Sie werden uns doch nicht verhungern lassen,
Vater," entgegnete seine Tochter. — „El was! Die Reichen bezahlen
die Kartoffeln und wenn der Scheffel drei Thaler kostet!" rief der
Vater. „Was scheeren sie sich um uns!" — „Wir können uns aber
einmal um sie scheeren!" sagte die Wittwe. — „Ja," lachte das
Mädchen, „man muß sich nur nicht kriegen lassen." — „Ihr arbeitet
nicht bei Massers?" fragte die Wittwe scheinbar absichtslos. — „Nein,
ich dachte es besser zu kriegen bei der neuen Fabrik, die Einer aus der
Fremde hat bauen lassen," sagte der Mann. „Er ist noch gar nicht
hier gewesen, heute soll er gekommen sein." — „Nun?" fragte die
Wittwe gespannt. — „Ach, da sind wir gut angekommen!" rief der
Mann. „Hier werden wir gedrückt, aber dort zieht man uns das
Fell über die Ohren. Wir kriegen nicht einmal unsern ganzen Lohn —"
— „Vater, das wird uns ja aufgehoben und verrechnet, daß wir
eine ganze Summe auf einmal kriegen und etwas damit anfangen
können!" sagte das Mädchen. „Ich habe es mit angehört und Alle
wollten'ö ja." — „O das versteht sich! Glaube Du nur Alles, Du
Gans, da wirst Du weit kommen! Es klingt recht schon, sie wollen
uns das Geld , das wir nicht grade zum Bischen Leben brauchen,
aufheben und eine Art Sparkasse machen, daß wir's nicht verläppern,
sondern einen guten Batzen zusammen haben — aber hungern und
dursten, besonders dursten müssen wir dabei und am Ende betrügen sie
uns doch darum, das sollt Ihr sehen." — „Die bei Massers sollen
schon ganz desperat sein," bemerkte die Wittwe, die, in ihre Gedanken
vertieft, kaum auf die Rede des blöden Mißtrauens gegen die besten
Absichten geachtet hatte. — „Ja, ich glaub's! Der Alte ist hart, wie
ein Stein, der scharrt und scharrt und kann's doch nicht mitnehmen!
Ich glaube, er hat's Geld lieber, wie's Leben --- und wenn es darauf
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