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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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wieder die alten Brüche des Umschlages zu finden. "Die verfluchten
Mützen!" murmelte er dabei.

Dann stand er wieder auf, nahm das Bret vom Kamin, setzte
ein Streichzündholz in Brand und ließ damit das Papier, das er
vernichten wollte, Feuer fangen. Als er die bläuliche Flamme an der
Ecke desselben emporlodern sah, warf er es in den Kamin und starrte
es unverwandt an, wie es dampfte und brannte, bis der Zugwind
schnell mit dein halbverkohlter abfuhr.

"Was machen Sie denn, Herr Masser?" fragte plötzlich hinter
ihm eine weibliche Stimme.

Er erschrak dermaßen, daß seine Kniee wankten, doch kehrte er
sich barsch um: "Was geht's Dich an? Wie kommst Du überhaupt
herein?" Denn er war sich bewußt, die Thüre verriegelt zu haben.
-- "El, Herr Masser, Sie Haben's mir ja nicht verboten," sagte das
Mädchen, eine ziemlich beleibte Person, nicht mehr ganz jung, aber
von hübschen Gesichtszügen, die nur durch einen allzu freien Blick be¬
einträchtigt wurden. "Ich will Ordnung bei Ihnen machen, es sieht
ja aus, daß man sich schämen muß." -- "War denn die Thüre of¬
fen ?" fragte Masser und fand sie wirklich unverriegelt. -- "Sie dach¬
ten wohl, Sie hätten sich eingeschlossen?" gab das Mädchen lachend
zur Antwort. -- "Mine!" rief er drohend und zog den Holzsplitter
aus dem Schloß, der den Riegel verhindert hatte, zu fassen. -- "Das
hast Du hineingesteckt, abscheuliche Creatur! Warum? Was hattest
Du damit vor?" -- "Nur nicht so getobt!" sagte die Dienerin,
welche ein Recht zu haben schien, dem Zorne ihres Herrn zu trotzen.
"Das Einschließen ist dummes Zeug, Sie kommen einmal in Ihrem
Elende um und kein Mensch kann zu Ihnen. Wenn Sie neulich, wo
Sie den Anfall hatten, eingeschlossen waren, so hieß es- Adieu!" --
"Hast Recht, Kind!" sagte er besänftigt und streichelte ihr die Backen. Sie
wies ihn aber zurück. -- "Was haben Sie denn hier für Rauch ge¬
macht?" fragte sie. -- "Etwas Papier verbrannt, Mine. Setze nur
wieder den Kamin zu," sagte er. "Drüben ist ja viel Spectakel." --
"Ja, es wird Geld ausgezahlt," erwiederte das Mädchen gleichgül¬
tig. "Werden wohl Manche wieder nicht zufrieden sein." -- "Nicht
zufrieden? Wie sollte das zugehen?" sagte der Fabrikherr und steckte
beide Hände in die Taschen.

Das Mädchen zuckte die Achseln und setzte ihre Geschäfte fort,
während Masser am Fenster stand und mit verhaltenem Athem nach
den Fabrikgebäuden hinüber lauschte, wo sich in der That ein ziemlich


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wieder die alten Brüche des Umschlages zu finden. „Die verfluchten
Mützen!" murmelte er dabei.

Dann stand er wieder auf, nahm das Bret vom Kamin, setzte
ein Streichzündholz in Brand und ließ damit das Papier, das er
vernichten wollte, Feuer fangen. Als er die bläuliche Flamme an der
Ecke desselben emporlodern sah, warf er es in den Kamin und starrte
es unverwandt an, wie es dampfte und brannte, bis der Zugwind
schnell mit dein halbverkohlter abfuhr.

„Was machen Sie denn, Herr Masser?" fragte plötzlich hinter
ihm eine weibliche Stimme.

Er erschrak dermaßen, daß seine Kniee wankten, doch kehrte er
sich barsch um: „Was geht's Dich an? Wie kommst Du überhaupt
herein?" Denn er war sich bewußt, die Thüre verriegelt zu haben.
— „El, Herr Masser, Sie Haben's mir ja nicht verboten," sagte das
Mädchen, eine ziemlich beleibte Person, nicht mehr ganz jung, aber
von hübschen Gesichtszügen, die nur durch einen allzu freien Blick be¬
einträchtigt wurden. „Ich will Ordnung bei Ihnen machen, es sieht
ja aus, daß man sich schämen muß." — „War denn die Thüre of¬
fen ?" fragte Masser und fand sie wirklich unverriegelt. — „Sie dach¬
ten wohl, Sie hätten sich eingeschlossen?" gab das Mädchen lachend
zur Antwort. — „Mine!" rief er drohend und zog den Holzsplitter
aus dem Schloß, der den Riegel verhindert hatte, zu fassen. — „Das
hast Du hineingesteckt, abscheuliche Creatur! Warum? Was hattest
Du damit vor?" — „Nur nicht so getobt!" sagte die Dienerin,
welche ein Recht zu haben schien, dem Zorne ihres Herrn zu trotzen.
„Das Einschließen ist dummes Zeug, Sie kommen einmal in Ihrem
Elende um und kein Mensch kann zu Ihnen. Wenn Sie neulich, wo
Sie den Anfall hatten, eingeschlossen waren, so hieß es- Adieu!" —
„Hast Recht, Kind!" sagte er besänftigt und streichelte ihr die Backen. Sie
wies ihn aber zurück. — „Was haben Sie denn hier für Rauch ge¬
macht?" fragte sie. — „Etwas Papier verbrannt, Mine. Setze nur
wieder den Kamin zu," sagte er. „Drüben ist ja viel Spectakel." —
„Ja, es wird Geld ausgezahlt," erwiederte das Mädchen gleichgül¬
tig. „Werden wohl Manche wieder nicht zufrieden sein." — „Nicht
zufrieden? Wie sollte das zugehen?" sagte der Fabrikherr und steckte
beide Hände in die Taschen.

Das Mädchen zuckte die Achseln und setzte ihre Geschäfte fort,
während Masser am Fenster stand und mit verhaltenem Athem nach
den Fabrikgebäuden hinüber lauschte, wo sich in der That ein ziemlich


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[0151] wieder die alten Brüche des Umschlages zu finden. „Die verfluchten Mützen!" murmelte er dabei. Dann stand er wieder auf, nahm das Bret vom Kamin, setzte ein Streichzündholz in Brand und ließ damit das Papier, das er vernichten wollte, Feuer fangen. Als er die bläuliche Flamme an der Ecke desselben emporlodern sah, warf er es in den Kamin und starrte es unverwandt an, wie es dampfte und brannte, bis der Zugwind schnell mit dein halbverkohlter abfuhr. „Was machen Sie denn, Herr Masser?" fragte plötzlich hinter ihm eine weibliche Stimme. Er erschrak dermaßen, daß seine Kniee wankten, doch kehrte er sich barsch um: „Was geht's Dich an? Wie kommst Du überhaupt herein?" Denn er war sich bewußt, die Thüre verriegelt zu haben. — „El, Herr Masser, Sie Haben's mir ja nicht verboten," sagte das Mädchen, eine ziemlich beleibte Person, nicht mehr ganz jung, aber von hübschen Gesichtszügen, die nur durch einen allzu freien Blick be¬ einträchtigt wurden. „Ich will Ordnung bei Ihnen machen, es sieht ja aus, daß man sich schämen muß." — „War denn die Thüre of¬ fen ?" fragte Masser und fand sie wirklich unverriegelt. — „Sie dach¬ ten wohl, Sie hätten sich eingeschlossen?" gab das Mädchen lachend zur Antwort. — „Mine!" rief er drohend und zog den Holzsplitter aus dem Schloß, der den Riegel verhindert hatte, zu fassen. — „Das hast Du hineingesteckt, abscheuliche Creatur! Warum? Was hattest Du damit vor?" — „Nur nicht so getobt!" sagte die Dienerin, welche ein Recht zu haben schien, dem Zorne ihres Herrn zu trotzen. „Das Einschließen ist dummes Zeug, Sie kommen einmal in Ihrem Elende um und kein Mensch kann zu Ihnen. Wenn Sie neulich, wo Sie den Anfall hatten, eingeschlossen waren, so hieß es- Adieu!" — „Hast Recht, Kind!" sagte er besänftigt und streichelte ihr die Backen. Sie wies ihn aber zurück. — „Was haben Sie denn hier für Rauch ge¬ macht?" fragte sie. — „Etwas Papier verbrannt, Mine. Setze nur wieder den Kamin zu," sagte er. „Drüben ist ja viel Spectakel." — „Ja, es wird Geld ausgezahlt," erwiederte das Mädchen gleichgül¬ tig. „Werden wohl Manche wieder nicht zufrieden sein." — „Nicht zufrieden? Wie sollte das zugehen?" sagte der Fabrikherr und steckte beide Hände in die Taschen. Das Mädchen zuckte die Achseln und setzte ihre Geschäfte fort, während Masser am Fenster stand und mit verhaltenem Athem nach den Fabrikgebäuden hinüber lauschte, wo sich in der That ein ziemlich 18-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/151>, abgerufen am 24.11.2024.