Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.liebe Wirthschaft eines alte" Junggesellen, kein zierliches oder nur Eine geraume Weile saß er still und die Unterlippe, welche schon "Ein wahres Glück! Ein Glück von Gott!" murmelte er, ohne Er legte das Papier, auf welches sich diese Worte bezogen, hel¬ "Dummes Zeug!" sagte er endlich, ermannte sich und wickelte liebe Wirthschaft eines alte» Junggesellen, kein zierliches oder nur Eine geraume Weile saß er still und die Unterlippe, welche schon „Ein wahres Glück! Ein Glück von Gott!" murmelte er, ohne Er legte das Papier, auf welches sich diese Worte bezogen, hel¬ „Dummes Zeug!" sagte er endlich, ermannte sich und wickelte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182573"/> <p xml:id="ID_397" prev="#ID_396"> liebe Wirthschaft eines alte» Junggesellen, kein zierliches oder nur<lb/> modernes Möbel verrieth den großen Reichthum desselben, nur ein<lb/> Paar schwere, eisenbeschlagene Kasten, die mit starken Schrauben in<lb/> zwei Ecken des Zimmers an den Fußboden befestigt waren, gaben der<lb/> Phantasie in dieser Hinsicht einige Nahrung. Der Fabrikherr selbst,<lb/> wie er dick und mürrisch in seinem Lehnstuhl saß, aus der langen,<lb/> unsaubern Pfeife einen abscheulichen Tabak in Dampf verwandelte,<lb/> hatte nicht das Ansehen, als könne er in jetziger Zeit ein Geschäft so<lb/> ausgedehnter Art mit Geschick und vollendeter Einsicht betreiben. Und<lb/> dennoch war es der Fall. Er besaß die trefflichsten Kenntnisse von<lb/> Allem, was in sein Geschäft eingriff, er hatte einen gefährlich kühnen<lb/> Speculationsgeist und wußte seinen Vortheil mit einem Scharfsinne<lb/> wahrzunehmen, den man gar nicht hinter seiner platten Stirne und<lb/> dem kreisrunden Augapfel gesucht hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_398"> Eine geraume Weile saß er still und die Unterlippe, welche schon<lb/> im Postwagen die kleine Pastorstochter belustigt hatte, schob sich zu<lb/> einer erstaunlichen Länge vor. Endlich stand er auf, klopfte die Pfeife,<lb/> welche ihm bei seinem Simuliren ausgegangen war, unbedenklich um<lb/> seinem Lehnstuhle auf die Diele aus, und näherte sich dann, ein<lb/> Schlüsselbund aus der Tasche nehmend, einem der oben erwähnten<lb/> Eisenkasten. Bedachtsam prüfte er Schlösser und Schrauben, dann<lb/> öffnete er den Deckel und kramte unter den Gegenständen, welche in<lb/> dem Kasten enthalten waren — ein Päckchen, das obenauf lag,<lb/> hatte er aber gleich herausgenommen und unter den Arm gesteckt.<lb/> Mehrmals nickte er zufrieden, sah dies und jenes Document an, schloß<lb/> endlich zu und kehrte wieder in den Lehnstuhl zurück, wo er das Pack--<lb/> chen, das er allein behalten hatte, auf seinen Knieen entfaltete.</p><lb/> <p xml:id="ID_399"> „Ein wahres Glück! Ein Glück von Gott!" murmelte er, ohne<lb/> zu ahnen, daß er in dieser hergebrachten Redensart in seinem Falle<lb/> eine Lästerung aussprach. „Da hab' ich nun keine Sorge mehr, keine<lb/> Sorge mehr! Wollen's verbrennen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> Er legte das Papier, auf welches sich diese Worte bezogen, hel¬<lb/> fen, und sah die andern noch einmal durch. „Paß! Älteste — auch,<lb/> ja, der Auswanderungsschein — hin! hin!" Er ließ die Hand mit<lb/> dem Dokumente, das er dicht an das Auge gehalten, sinken und<lb/> starrte wieder eine Weile vor sich hin.</p><lb/> <p xml:id="ID_401" next="#ID_402"> „Dummes Zeug!" sagte er endlich, ermannte sich und wickelte<lb/> die Papiere, bis auf eins, sorglich wieder ein, ja er mühte sich, genau</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
liebe Wirthschaft eines alte» Junggesellen, kein zierliches oder nur
modernes Möbel verrieth den großen Reichthum desselben, nur ein
Paar schwere, eisenbeschlagene Kasten, die mit starken Schrauben in
zwei Ecken des Zimmers an den Fußboden befestigt waren, gaben der
Phantasie in dieser Hinsicht einige Nahrung. Der Fabrikherr selbst,
wie er dick und mürrisch in seinem Lehnstuhl saß, aus der langen,
unsaubern Pfeife einen abscheulichen Tabak in Dampf verwandelte,
hatte nicht das Ansehen, als könne er in jetziger Zeit ein Geschäft so
ausgedehnter Art mit Geschick und vollendeter Einsicht betreiben. Und
dennoch war es der Fall. Er besaß die trefflichsten Kenntnisse von
Allem, was in sein Geschäft eingriff, er hatte einen gefährlich kühnen
Speculationsgeist und wußte seinen Vortheil mit einem Scharfsinne
wahrzunehmen, den man gar nicht hinter seiner platten Stirne und
dem kreisrunden Augapfel gesucht hätte.
Eine geraume Weile saß er still und die Unterlippe, welche schon
im Postwagen die kleine Pastorstochter belustigt hatte, schob sich zu
einer erstaunlichen Länge vor. Endlich stand er auf, klopfte die Pfeife,
welche ihm bei seinem Simuliren ausgegangen war, unbedenklich um
seinem Lehnstuhle auf die Diele aus, und näherte sich dann, ein
Schlüsselbund aus der Tasche nehmend, einem der oben erwähnten
Eisenkasten. Bedachtsam prüfte er Schlösser und Schrauben, dann
öffnete er den Deckel und kramte unter den Gegenständen, welche in
dem Kasten enthalten waren — ein Päckchen, das obenauf lag,
hatte er aber gleich herausgenommen und unter den Arm gesteckt.
Mehrmals nickte er zufrieden, sah dies und jenes Document an, schloß
endlich zu und kehrte wieder in den Lehnstuhl zurück, wo er das Pack--
chen, das er allein behalten hatte, auf seinen Knieen entfaltete.
„Ein wahres Glück! Ein Glück von Gott!" murmelte er, ohne
zu ahnen, daß er in dieser hergebrachten Redensart in seinem Falle
eine Lästerung aussprach. „Da hab' ich nun keine Sorge mehr, keine
Sorge mehr! Wollen's verbrennen!"
Er legte das Papier, auf welches sich diese Worte bezogen, hel¬
fen, und sah die andern noch einmal durch. „Paß! Älteste — auch,
ja, der Auswanderungsschein — hin! hin!" Er ließ die Hand mit
dem Dokumente, das er dicht an das Auge gehalten, sinken und
starrte wieder eine Weile vor sich hin.
„Dummes Zeug!" sagte er endlich, ermannte sich und wickelte
die Papiere, bis auf eins, sorglich wieder ein, ja er mühte sich, genau
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |