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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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wüster Lärm erhoben hatte. Man konnte die Stimme des Aufsehers
unterscheiden, welche mehrmals sehr laut Ruhe gebot.

"Mine, sage dem Jungen, daß er nach der Stadt gehen soll",
sagte Masser mit sichtbarer Besorgniß. -- "Nach der Polizei?" fragte
das Mädchen. -- "Wird hoffentlich nicht nöthig sein, aber -- "
"Sie beruhigen sich schon," sagte das Mädchen. "Sehen Sie, dort
ziehen sie ab. Das scheint allemal so."

Erleichtert athmete der Fabrikherr auf. "Ich weiß nicht, warum
man sich ängstigt," äußerte er. "Sonst ist mir das gar nicht einge¬
fallen, die Schlingel murrten auch, aber wenn sich Einer mausig
machte, wurde er aus der Fabrik geworfen oder in'S Loch gesteckt.
Jetzt liest man aber so viel in den Zeitungen, gräuliche Geschichten --
es ist nur gut, daß wir Garnison haben."

Das Mädchen war während dieses Selbstgesprächs hinausge¬
gangen, kam aber jetzt eilig zurück. "Herr Masser, eine alte Frau ist
hier, sie nennt sich Wittwe Greschel --- ich habe sie, glaub' ich, drü¬
ben gesehen bei der andern Fabrik, war's nicht die Mutter oder Gro߬
mutter von dem Menschen, der --" -- "Was geht mich das Weib
an?" unterbrach sie der Fabrikherr mit erheuchelten Gleichmuthe,
während ihm die Meldung doch den Athem versetzte. "Will sie bet¬
teln oder sonst etwas?" -- "Sie sagt, daß sie etwas im Postwagen
verloren hat und das sollen Sie haben." -- "Ja, das hatte ich
vergessen. Der Postsecretär gab es mir. Dort liegt es -- bring'
es ihr heraus."

Das Mädchen nahm das Päckchen vom Tische und trug es
hinaus. Masser stellte sich, an den Nägeln kauend, nahe der Thüre,
um zu horchen. Seine Farbe wechselte mehrmals, aber die Däm¬
merung, welche schon im Zimmer überHand nahm, verhüllte diese ver-
rätherischen Zeichen in ihre Schleier.

"I das wollt' ich doch sehen!" hörte er die gellende Stimme der
Wittwe und im vollen Wortwechsel mit der abweisender Dienerin
drängte sich Frau Greschel in das Zimmer, dessen Thüre Masser wohl
hätte verriegeln können, wenn er es nicht für klüger gehalten hätte,
dem Sturme zu stehen. -- "Was will Sie noch?" fragte er mit dem
Tone der Verwunderung. -- "Herr Masser," sagte die Wittwe, wäh¬
rend sie ihm einen kurzen Gruß bot, "in dem Packete ist nicht mehr
Alles, was ich hinein gethan habe." -- "Das thut mir leid, ich
kann Ihr aber nicht helfen," erwiederte Masser, welcher jetzt viel
darum gegeben hätte, die impertinente Zeugin dieses Gesprächs zu


wüster Lärm erhoben hatte. Man konnte die Stimme des Aufsehers
unterscheiden, welche mehrmals sehr laut Ruhe gebot.

„Mine, sage dem Jungen, daß er nach der Stadt gehen soll",
sagte Masser mit sichtbarer Besorgniß. — „Nach der Polizei?" fragte
das Mädchen. — „Wird hoffentlich nicht nöthig sein, aber — "
„Sie beruhigen sich schon," sagte das Mädchen. „Sehen Sie, dort
ziehen sie ab. Das scheint allemal so."

Erleichtert athmete der Fabrikherr auf. „Ich weiß nicht, warum
man sich ängstigt," äußerte er. „Sonst ist mir das gar nicht einge¬
fallen, die Schlingel murrten auch, aber wenn sich Einer mausig
machte, wurde er aus der Fabrik geworfen oder in'S Loch gesteckt.
Jetzt liest man aber so viel in den Zeitungen, gräuliche Geschichten —
es ist nur gut, daß wir Garnison haben."

Das Mädchen war während dieses Selbstgesprächs hinausge¬
gangen, kam aber jetzt eilig zurück. „Herr Masser, eine alte Frau ist
hier, sie nennt sich Wittwe Greschel -— ich habe sie, glaub' ich, drü¬
ben gesehen bei der andern Fabrik, war's nicht die Mutter oder Gro߬
mutter von dem Menschen, der —" — „Was geht mich das Weib
an?" unterbrach sie der Fabrikherr mit erheuchelten Gleichmuthe,
während ihm die Meldung doch den Athem versetzte. „Will sie bet¬
teln oder sonst etwas?" — „Sie sagt, daß sie etwas im Postwagen
verloren hat und das sollen Sie haben." — „Ja, das hatte ich
vergessen. Der Postsecretär gab es mir. Dort liegt es — bring'
es ihr heraus."

Das Mädchen nahm das Päckchen vom Tische und trug es
hinaus. Masser stellte sich, an den Nägeln kauend, nahe der Thüre,
um zu horchen. Seine Farbe wechselte mehrmals, aber die Däm¬
merung, welche schon im Zimmer überHand nahm, verhüllte diese ver-
rätherischen Zeichen in ihre Schleier.

„I das wollt' ich doch sehen!" hörte er die gellende Stimme der
Wittwe und im vollen Wortwechsel mit der abweisender Dienerin
drängte sich Frau Greschel in das Zimmer, dessen Thüre Masser wohl
hätte verriegeln können, wenn er es nicht für klüger gehalten hätte,
dem Sturme zu stehen. — „Was will Sie noch?" fragte er mit dem
Tone der Verwunderung. — „Herr Masser," sagte die Wittwe, wäh¬
rend sie ihm einen kurzen Gruß bot, „in dem Packete ist nicht mehr
Alles, was ich hinein gethan habe." — „Das thut mir leid, ich
kann Ihr aber nicht helfen," erwiederte Masser, welcher jetzt viel
darum gegeben hätte, die impertinente Zeugin dieses Gesprächs zu


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[0152] wüster Lärm erhoben hatte. Man konnte die Stimme des Aufsehers unterscheiden, welche mehrmals sehr laut Ruhe gebot. „Mine, sage dem Jungen, daß er nach der Stadt gehen soll", sagte Masser mit sichtbarer Besorgniß. — „Nach der Polizei?" fragte das Mädchen. — „Wird hoffentlich nicht nöthig sein, aber — " „Sie beruhigen sich schon," sagte das Mädchen. „Sehen Sie, dort ziehen sie ab. Das scheint allemal so." Erleichtert athmete der Fabrikherr auf. „Ich weiß nicht, warum man sich ängstigt," äußerte er. „Sonst ist mir das gar nicht einge¬ fallen, die Schlingel murrten auch, aber wenn sich Einer mausig machte, wurde er aus der Fabrik geworfen oder in'S Loch gesteckt. Jetzt liest man aber so viel in den Zeitungen, gräuliche Geschichten — es ist nur gut, daß wir Garnison haben." Das Mädchen war während dieses Selbstgesprächs hinausge¬ gangen, kam aber jetzt eilig zurück. „Herr Masser, eine alte Frau ist hier, sie nennt sich Wittwe Greschel -— ich habe sie, glaub' ich, drü¬ ben gesehen bei der andern Fabrik, war's nicht die Mutter oder Gro߬ mutter von dem Menschen, der —" — „Was geht mich das Weib an?" unterbrach sie der Fabrikherr mit erheuchelten Gleichmuthe, während ihm die Meldung doch den Athem versetzte. „Will sie bet¬ teln oder sonst etwas?" — „Sie sagt, daß sie etwas im Postwagen verloren hat und das sollen Sie haben." — „Ja, das hatte ich vergessen. Der Postsecretär gab es mir. Dort liegt es — bring' es ihr heraus." Das Mädchen nahm das Päckchen vom Tische und trug es hinaus. Masser stellte sich, an den Nägeln kauend, nahe der Thüre, um zu horchen. Seine Farbe wechselte mehrmals, aber die Däm¬ merung, welche schon im Zimmer überHand nahm, verhüllte diese ver- rätherischen Zeichen in ihre Schleier. „I das wollt' ich doch sehen!" hörte er die gellende Stimme der Wittwe und im vollen Wortwechsel mit der abweisender Dienerin drängte sich Frau Greschel in das Zimmer, dessen Thüre Masser wohl hätte verriegeln können, wenn er es nicht für klüger gehalten hätte, dem Sturme zu stehen. — „Was will Sie noch?" fragte er mit dem Tone der Verwunderung. — „Herr Masser," sagte die Wittwe, wäh¬ rend sie ihm einen kurzen Gruß bot, „in dem Packete ist nicht mehr Alles, was ich hinein gethan habe." — „Das thut mir leid, ich kann Ihr aber nicht helfen," erwiederte Masser, welcher jetzt viel darum gegeben hätte, die impertinente Zeugin dieses Gesprächs zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/152>, abgerufen am 24.11.2024.