Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

schonten Insurgenten in Empfang. Die Todten und Verwundete,,
wurden auf Wagen geladen und von den Bauern selbst nach Tar-
now gebracht. Aber weit entfernt, die Fortsetzung dieser Metzelei
zu begünstige", wandte insbesondere der Gubernialrath und Kreis¬
hauptmann Breundl Alles an, unnützes Blutvergießen zu verhüten,
und deshalb wurden Prämien auf die "lebendig" eingebrachten
Aufrührer gesetzt. Es lag keineswegs in der Absicht der Behörden,
die Bewegung des Landvolkes zu vermehren, sie begünstigten dieselbe
nur als ein nothwendiges und im Drange der Umstände gebotenes
Hülfsmittel, und suchten jedem Uebergreifen nach Möglichkeit Ein¬
halt zu thun, aber wenn solche Kräfte entfesselt sind, reichen keine
Mittel aus, sie schnell wieder in das gewohnte Geleise zu bringen;
und am Abend desselben Tages und in den nächstfolgenden Tagen
bewies die Zahl der von den Gemeinden als Aufrührer erschlage¬
nen und als Leichen oder Verscheidende eingelieferten Individuen,
wie gefährlich es sei, mit der Revolution zu spielen! Daß später
auch Privatrache und selbstsüchtige Zwecke der Volksjustiz in die
Hände gepfuscht haben mögen, ist wohl nicht zu läugnen; das
von der Regierung publicirte und auf die Reaction des Landvolkes
durch Aufrichtung zahlreicher Galgen sich manifestirende Stand¬
recht beweiset, daß man ernstlich darauf bedacht war, dem Blutver¬
gießen Einhalt zu thun. Auch fielen schon nach wenig Tagen
keine Ercesse mehr vor, ") und ich zweifle, daß irgendwo anders,
z. B. in Frankreich, -- ja in den meisten Gegenden Deutschlands,
es gelingen dürfte, das Landvolk, wenn es einmal in eine ähnliche
Aufregung gerathen wäre, so schnell wieder in demselben Grade zu
beruhigen und zu verhindern, nicht weit zahlreichere und größere
Excesse zu verüben.

Erlauben Sie, daß ich Ihnen einige Züge anführe, welche,
Wie die Schattenstriche in einem Gemälde, vielleicht am meisten
dazu dienen, die eigenthümliche Physiognomie dieser Begebenheit zu
bezeichnen.

In Pilsno sah ich einen Haufen Bauern stehen. Bei meiner
Annäherung grüßten sie mich ehrerbietig, und wären nicht die Dresch-



D. R.
Die Nachrichten aus Galizien stellen dies fortwährend in Abrede.

schonten Insurgenten in Empfang. Die Todten und Verwundete,,
wurden auf Wagen geladen und von den Bauern selbst nach Tar-
now gebracht. Aber weit entfernt, die Fortsetzung dieser Metzelei
zu begünstige», wandte insbesondere der Gubernialrath und Kreis¬
hauptmann Breundl Alles an, unnützes Blutvergießen zu verhüten,
und deshalb wurden Prämien auf die „lebendig" eingebrachten
Aufrührer gesetzt. Es lag keineswegs in der Absicht der Behörden,
die Bewegung des Landvolkes zu vermehren, sie begünstigten dieselbe
nur als ein nothwendiges und im Drange der Umstände gebotenes
Hülfsmittel, und suchten jedem Uebergreifen nach Möglichkeit Ein¬
halt zu thun, aber wenn solche Kräfte entfesselt sind, reichen keine
Mittel aus, sie schnell wieder in das gewohnte Geleise zu bringen;
und am Abend desselben Tages und in den nächstfolgenden Tagen
bewies die Zahl der von den Gemeinden als Aufrührer erschlage¬
nen und als Leichen oder Verscheidende eingelieferten Individuen,
wie gefährlich es sei, mit der Revolution zu spielen! Daß später
auch Privatrache und selbstsüchtige Zwecke der Volksjustiz in die
Hände gepfuscht haben mögen, ist wohl nicht zu läugnen; das
von der Regierung publicirte und auf die Reaction des Landvolkes
durch Aufrichtung zahlreicher Galgen sich manifestirende Stand¬
recht beweiset, daß man ernstlich darauf bedacht war, dem Blutver¬
gießen Einhalt zu thun. Auch fielen schon nach wenig Tagen
keine Ercesse mehr vor, ») und ich zweifle, daß irgendwo anders,
z. B. in Frankreich, — ja in den meisten Gegenden Deutschlands,
es gelingen dürfte, das Landvolk, wenn es einmal in eine ähnliche
Aufregung gerathen wäre, so schnell wieder in demselben Grade zu
beruhigen und zu verhindern, nicht weit zahlreichere und größere
Excesse zu verüben.

Erlauben Sie, daß ich Ihnen einige Züge anführe, welche,
Wie die Schattenstriche in einem Gemälde, vielleicht am meisten
dazu dienen, die eigenthümliche Physiognomie dieser Begebenheit zu
bezeichnen.

In Pilsno sah ich einen Haufen Bauern stehen. Bei meiner
Annäherung grüßten sie mich ehrerbietig, und wären nicht die Dresch-



D. R.
Die Nachrichten aus Galizien stellen dies fortwährend in Abrede.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182541"/>
          <p xml:id="ID_305" prev="#ID_304"> schonten Insurgenten in Empfang. Die Todten und Verwundete,,<lb/>
wurden auf Wagen geladen und von den Bauern selbst nach Tar-<lb/>
now gebracht. Aber weit entfernt, die Fortsetzung dieser Metzelei<lb/>
zu begünstige», wandte insbesondere der Gubernialrath und Kreis¬<lb/>
hauptmann Breundl Alles an, unnützes Blutvergießen zu verhüten,<lb/>
und deshalb wurden Prämien auf die &#x201E;lebendig" eingebrachten<lb/>
Aufrührer gesetzt. Es lag keineswegs in der Absicht der Behörden,<lb/>
die Bewegung des Landvolkes zu vermehren, sie begünstigten dieselbe<lb/>
nur als ein nothwendiges und im Drange der Umstände gebotenes<lb/>
Hülfsmittel, und suchten jedem Uebergreifen nach Möglichkeit Ein¬<lb/>
halt zu thun, aber wenn solche Kräfte entfesselt sind, reichen keine<lb/>
Mittel aus, sie schnell wieder in das gewohnte Geleise zu bringen;<lb/>
und am Abend desselben Tages und in den nächstfolgenden Tagen<lb/>
bewies die Zahl der von den Gemeinden als Aufrührer erschlage¬<lb/>
nen und als Leichen oder Verscheidende eingelieferten Individuen,<lb/>
wie gefährlich es sei, mit der Revolution zu spielen! Daß später<lb/>
auch Privatrache und selbstsüchtige Zwecke der Volksjustiz in die<lb/>
Hände gepfuscht haben mögen, ist wohl nicht zu läugnen; das<lb/>
von der Regierung publicirte und auf die Reaction des Landvolkes<lb/>
durch Aufrichtung zahlreicher Galgen sich manifestirende Stand¬<lb/>
recht beweiset, daß man ernstlich darauf bedacht war, dem Blutver¬<lb/>
gießen Einhalt zu thun. Auch fielen schon nach wenig Tagen<lb/>
keine Ercesse mehr vor, ») und ich zweifle, daß irgendwo anders,<lb/>
z. B. in Frankreich, &#x2014; ja in den meisten Gegenden Deutschlands,<lb/>
es gelingen dürfte, das Landvolk, wenn es einmal in eine ähnliche<lb/>
Aufregung gerathen wäre, so schnell wieder in demselben Grade zu<lb/>
beruhigen und zu verhindern, nicht weit zahlreichere und größere<lb/>
Excesse zu verüben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_306"> Erlauben Sie, daß ich Ihnen einige Züge anführe, welche,<lb/>
Wie die Schattenstriche in einem Gemälde, vielleicht am meisten<lb/>
dazu dienen, die eigenthümliche Physiognomie dieser Begebenheit zu<lb/>
bezeichnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_307" next="#ID_308"> In Pilsno sah ich einen Haufen Bauern stehen. Bei meiner<lb/>
Annäherung grüßten sie mich ehrerbietig, und wären nicht die Dresch-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_9" place="foot"> Die Nachrichten aus Galizien stellen dies fortwährend in Abrede.</note><lb/>
          <note type="byline"> D. R.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] schonten Insurgenten in Empfang. Die Todten und Verwundete,, wurden auf Wagen geladen und von den Bauern selbst nach Tar- now gebracht. Aber weit entfernt, die Fortsetzung dieser Metzelei zu begünstige», wandte insbesondere der Gubernialrath und Kreis¬ hauptmann Breundl Alles an, unnützes Blutvergießen zu verhüten, und deshalb wurden Prämien auf die „lebendig" eingebrachten Aufrührer gesetzt. Es lag keineswegs in der Absicht der Behörden, die Bewegung des Landvolkes zu vermehren, sie begünstigten dieselbe nur als ein nothwendiges und im Drange der Umstände gebotenes Hülfsmittel, und suchten jedem Uebergreifen nach Möglichkeit Ein¬ halt zu thun, aber wenn solche Kräfte entfesselt sind, reichen keine Mittel aus, sie schnell wieder in das gewohnte Geleise zu bringen; und am Abend desselben Tages und in den nächstfolgenden Tagen bewies die Zahl der von den Gemeinden als Aufrührer erschlage¬ nen und als Leichen oder Verscheidende eingelieferten Individuen, wie gefährlich es sei, mit der Revolution zu spielen! Daß später auch Privatrache und selbstsüchtige Zwecke der Volksjustiz in die Hände gepfuscht haben mögen, ist wohl nicht zu läugnen; das von der Regierung publicirte und auf die Reaction des Landvolkes durch Aufrichtung zahlreicher Galgen sich manifestirende Stand¬ recht beweiset, daß man ernstlich darauf bedacht war, dem Blutver¬ gießen Einhalt zu thun. Auch fielen schon nach wenig Tagen keine Ercesse mehr vor, ») und ich zweifle, daß irgendwo anders, z. B. in Frankreich, — ja in den meisten Gegenden Deutschlands, es gelingen dürfte, das Landvolk, wenn es einmal in eine ähnliche Aufregung gerathen wäre, so schnell wieder in demselben Grade zu beruhigen und zu verhindern, nicht weit zahlreichere und größere Excesse zu verüben. Erlauben Sie, daß ich Ihnen einige Züge anführe, welche, Wie die Schattenstriche in einem Gemälde, vielleicht am meisten dazu dienen, die eigenthümliche Physiognomie dieser Begebenheit zu bezeichnen. In Pilsno sah ich einen Haufen Bauern stehen. Bei meiner Annäherung grüßten sie mich ehrerbietig, und wären nicht die Dresch- D. R. Die Nachrichten aus Galizien stellen dies fortwährend in Abrede.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/118
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/118>, abgerufen am 23.07.2024.