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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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flegel in ihren derben Händen ein etwas drohendes Attribut gewe¬
sen, man hatte sie für friedliche Supplicanten gehalten, welche eine
Gemeinde zu Abhaltung einer Pacht-Licitation abgesendet haben
dürfte. Auf meine Frage, was sie eigentlich da machten, antwor¬
teten sie: "Wir haben Polen (?ol-dei) gebracht." -- Was heißt
das- Polen, erwiederte ich, was seid denn Ihr? -- "Wir sind keine
Polen, wir sind kaiserliche Oesterreicher." -- 'Wer sind denn also
die Polen. -- "Ah, Polen! das sind die Herren, die Verwalter,
die Schreiber, die Gelehrten, wir aber sind Bauern (Olil-^i), kaiser¬
liche Bauern!" --

Bei Wadowize begegnete ich einem Transport Arrestanten, welche
bei Podgorcze in Gefangenschaft gerathen waren. Es waren an
30 junge Geistliche und Kleriker darunter; einer antwortete auf
meine Frage, warum sie sich der aus Krakau herübergekommenen
Freischaar angeschlossen hätten?-- "Um für die unterdrückte katho¬
lische Religion zu beten und -- im Nothfalle zu fechten!" -- Nun
sehen Sie, werther Freund, ich begreife, daß in einer polnischen
Brust ein polnisches Herz schlägt. Ich werde, wenn auch die Ku¬
gel auf mein eigenes Geheiß diese Brust durchlöchert, das Herz in
derselben achten! -- Aber dieser Geist der Lüge, durch welchen man
auch das Heiligste zum untergeordneten Mittel eines fremden Zwek-
kes zu machen strebt, dieses berauschende Opiumgift, welches man
der Jugend eintrichtert, das empört mich! Wie bald werden diese
geopferten Jünglinge in den Kasematten von Ollmütz die boshafte
Absurdität einsehen, im Namen der katholischen Religion zum Kampfe
gegen das Haus Oesterreich aufgefordert worden zu sein. Hat das
einen gesunden Menschenverstand ? Und doch, so absurd es ist, so finden
sich doch Menschen, welche sich für diese stupide Meinung haben ein¬
nehmen lassen, ja in Folge dessen Leib und Leben daran gesetzt
haben! Das ist ja eben die Teufelei unserer Zeit, daß Jeder vor¬
zugsweise nach dem Gifte greift, es mag auch bitter und gallicht
sein, es findet Abnehmer.

Die Zahl der Arrestanten in Tarnow, Bochnia u. s. w. ist
übergroß. Viele mußte man schon ihrer eigenen Sicherheit wegen
aufnehmen, wenn sie nur entfernt zum Verdachte Anlaß gaben, um
sie vor der Wuth des Landvolkes zu schützen. Auch Privatwoh-


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flegel in ihren derben Händen ein etwas drohendes Attribut gewe¬
sen, man hatte sie für friedliche Supplicanten gehalten, welche eine
Gemeinde zu Abhaltung einer Pacht-Licitation abgesendet haben
dürfte. Auf meine Frage, was sie eigentlich da machten, antwor¬
teten sie: „Wir haben Polen (?ol-dei) gebracht." — Was heißt
das- Polen, erwiederte ich, was seid denn Ihr? — „Wir sind keine
Polen, wir sind kaiserliche Oesterreicher." — 'Wer sind denn also
die Polen. — „Ah, Polen! das sind die Herren, die Verwalter,
die Schreiber, die Gelehrten, wir aber sind Bauern (Olil-^i), kaiser¬
liche Bauern!" —

Bei Wadowize begegnete ich einem Transport Arrestanten, welche
bei Podgorcze in Gefangenschaft gerathen waren. Es waren an
30 junge Geistliche und Kleriker darunter; einer antwortete auf
meine Frage, warum sie sich der aus Krakau herübergekommenen
Freischaar angeschlossen hätten?— „Um für die unterdrückte katho¬
lische Religion zu beten und — im Nothfalle zu fechten!" — Nun
sehen Sie, werther Freund, ich begreife, daß in einer polnischen
Brust ein polnisches Herz schlägt. Ich werde, wenn auch die Ku¬
gel auf mein eigenes Geheiß diese Brust durchlöchert, das Herz in
derselben achten! — Aber dieser Geist der Lüge, durch welchen man
auch das Heiligste zum untergeordneten Mittel eines fremden Zwek-
kes zu machen strebt, dieses berauschende Opiumgift, welches man
der Jugend eintrichtert, das empört mich! Wie bald werden diese
geopferten Jünglinge in den Kasematten von Ollmütz die boshafte
Absurdität einsehen, im Namen der katholischen Religion zum Kampfe
gegen das Haus Oesterreich aufgefordert worden zu sein. Hat das
einen gesunden Menschenverstand ? Und doch, so absurd es ist, so finden
sich doch Menschen, welche sich für diese stupide Meinung haben ein¬
nehmen lassen, ja in Folge dessen Leib und Leben daran gesetzt
haben! Das ist ja eben die Teufelei unserer Zeit, daß Jeder vor¬
zugsweise nach dem Gifte greift, es mag auch bitter und gallicht
sein, es findet Abnehmer.

Die Zahl der Arrestanten in Tarnow, Bochnia u. s. w. ist
übergroß. Viele mußte man schon ihrer eigenen Sicherheit wegen
aufnehmen, wenn sie nur entfernt zum Verdachte Anlaß gaben, um
sie vor der Wuth des Landvolkes zu schützen. Auch Privatwoh-


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[0119] flegel in ihren derben Händen ein etwas drohendes Attribut gewe¬ sen, man hatte sie für friedliche Supplicanten gehalten, welche eine Gemeinde zu Abhaltung einer Pacht-Licitation abgesendet haben dürfte. Auf meine Frage, was sie eigentlich da machten, antwor¬ teten sie: „Wir haben Polen (?ol-dei) gebracht." — Was heißt das- Polen, erwiederte ich, was seid denn Ihr? — „Wir sind keine Polen, wir sind kaiserliche Oesterreicher." — 'Wer sind denn also die Polen. — „Ah, Polen! das sind die Herren, die Verwalter, die Schreiber, die Gelehrten, wir aber sind Bauern (Olil-^i), kaiser¬ liche Bauern!" — Bei Wadowize begegnete ich einem Transport Arrestanten, welche bei Podgorcze in Gefangenschaft gerathen waren. Es waren an 30 junge Geistliche und Kleriker darunter; einer antwortete auf meine Frage, warum sie sich der aus Krakau herübergekommenen Freischaar angeschlossen hätten?— „Um für die unterdrückte katho¬ lische Religion zu beten und — im Nothfalle zu fechten!" — Nun sehen Sie, werther Freund, ich begreife, daß in einer polnischen Brust ein polnisches Herz schlägt. Ich werde, wenn auch die Ku¬ gel auf mein eigenes Geheiß diese Brust durchlöchert, das Herz in derselben achten! — Aber dieser Geist der Lüge, durch welchen man auch das Heiligste zum untergeordneten Mittel eines fremden Zwek- kes zu machen strebt, dieses berauschende Opiumgift, welches man der Jugend eintrichtert, das empört mich! Wie bald werden diese geopferten Jünglinge in den Kasematten von Ollmütz die boshafte Absurdität einsehen, im Namen der katholischen Religion zum Kampfe gegen das Haus Oesterreich aufgefordert worden zu sein. Hat das einen gesunden Menschenverstand ? Und doch, so absurd es ist, so finden sich doch Menschen, welche sich für diese stupide Meinung haben ein¬ nehmen lassen, ja in Folge dessen Leib und Leben daran gesetzt haben! Das ist ja eben die Teufelei unserer Zeit, daß Jeder vor¬ zugsweise nach dem Gifte greift, es mag auch bitter und gallicht sein, es findet Abnehmer. Die Zahl der Arrestanten in Tarnow, Bochnia u. s. w. ist übergroß. Viele mußte man schon ihrer eigenen Sicherheit wegen aufnehmen, wenn sie nur entfernt zum Verdachte Anlaß gaben, um sie vor der Wuth des Landvolkes zu schützen. Auch Privatwoh- 14-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/119>, abgerufen am 24.11.2024.