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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Landstraße hielten ihn die Bauern an, hießen ihn aufsteigen, und
als sie ihn für einen der Hauptinsurgentenführer erkannt hatten,
wurde er mit Dreschflegeln todt geschlagen, sammt Kleidern, Uhr
und Börse wieder in den Wagen hineingelegt und dem Kutscher
geheißen weiter zu fahren.

Die Bauern hatten vortreffliche Notizen. Sie hielten, nach
Erstürmung eines Edelhofes, ordentlich Gericht über die "Getreuen"
oder "Ungetreuen". -- Beim Grafen L., einem ehemaligen kaiserli¬
chen Offizier und dem Kaiserhause bekanntermaßen sehr ergebenen
Cavalier, schirmten seine Unterthanen dessen Person, Familie und
Vermögen, erschlugen aber vor dem Hause zwei seiner polnischen
Beamten (Mandatare), und richtig, es fanden sich in deren Woh¬
nungen Vorräthe von Waffen und Munition. -- Bei M. wurde
der Grundherr S. verschont, aber der Pfarrer und der Schenkwirth
erschlagen, und bei ihnen fand sich auch das zur Vergiftung der
im Dorfe stationirten Militär-Mannschaft bestimmte Arsenik. Auf
dem von deutschen Beamten nach Recht und Humanität verwalte¬
ten Gute Fassow des Herrn von Eilau (Banquier in Wien) be¬
wachten die Gemeinden die herrschaftlichen Vorräthe und verübten
nicht den geringsten Unfug. Dasselbe geschah auch auf den Gü¬
tern der Gr.afer Tarnowska in Woinecz beim Grafen Zelinszki,
und bei mehreren andern, durch ihre Anhänglichkeit an Oesterreich
und ihre humane Behandlung der Unterthanen bekannten Grund¬
herrschaften, und zwar im Tarnower, Bochnier und Nzeszower-
Kreise, wo sich das Landvolk am aufgeregtesten zeigte. Die Ge¬
meinden, durch ihre Ortsrichter mit Beiwirkung ausgedienter Kapi¬
tulanten geleitet, hatten sich ganz militärisch geordnet, hielten streng
Wache, machten Patrouillen und man hörte bei Nacht von Dorf
zu Dorf das Blasen der Wächter mit dem Kühhorn, auf der Straße
das Feldgeschrei der mit Dreschflegeln und mit Mistgabeln bewaff¬
neten Bauern. Und eben diese Bauern, an deren Dreschflegel und
Mistgabel noch das Blut klebte, ließen sich von jedem dazu gesen¬
deten Offizier oder Kreisbeamten, von einem Corporal oder Gefrei¬
ten folgsam leiten, befehligen und von mancher Ausschweifung abhal¬
ten. Leider aber war es nicht möglich, schnell genug Regierungs¬
beamte und disciplinirte Mannschaft hinzusenden, um Uebergriffe
und manches traurige Ereigniß zu verhüten.


Landstraße hielten ihn die Bauern an, hießen ihn aufsteigen, und
als sie ihn für einen der Hauptinsurgentenführer erkannt hatten,
wurde er mit Dreschflegeln todt geschlagen, sammt Kleidern, Uhr
und Börse wieder in den Wagen hineingelegt und dem Kutscher
geheißen weiter zu fahren.

Die Bauern hatten vortreffliche Notizen. Sie hielten, nach
Erstürmung eines Edelhofes, ordentlich Gericht über die „Getreuen"
oder „Ungetreuen". — Beim Grafen L., einem ehemaligen kaiserli¬
chen Offizier und dem Kaiserhause bekanntermaßen sehr ergebenen
Cavalier, schirmten seine Unterthanen dessen Person, Familie und
Vermögen, erschlugen aber vor dem Hause zwei seiner polnischen
Beamten (Mandatare), und richtig, es fanden sich in deren Woh¬
nungen Vorräthe von Waffen und Munition. — Bei M. wurde
der Grundherr S. verschont, aber der Pfarrer und der Schenkwirth
erschlagen, und bei ihnen fand sich auch das zur Vergiftung der
im Dorfe stationirten Militär-Mannschaft bestimmte Arsenik. Auf
dem von deutschen Beamten nach Recht und Humanität verwalte¬
ten Gute Fassow des Herrn von Eilau (Banquier in Wien) be¬
wachten die Gemeinden die herrschaftlichen Vorräthe und verübten
nicht den geringsten Unfug. Dasselbe geschah auch auf den Gü¬
tern der Gr.afer Tarnowska in Woinecz beim Grafen Zelinszki,
und bei mehreren andern, durch ihre Anhänglichkeit an Oesterreich
und ihre humane Behandlung der Unterthanen bekannten Grund¬
herrschaften, und zwar im Tarnower, Bochnier und Nzeszower-
Kreise, wo sich das Landvolk am aufgeregtesten zeigte. Die Ge¬
meinden, durch ihre Ortsrichter mit Beiwirkung ausgedienter Kapi¬
tulanten geleitet, hatten sich ganz militärisch geordnet, hielten streng
Wache, machten Patrouillen und man hörte bei Nacht von Dorf
zu Dorf das Blasen der Wächter mit dem Kühhorn, auf der Straße
das Feldgeschrei der mit Dreschflegeln und mit Mistgabeln bewaff¬
neten Bauern. Und eben diese Bauern, an deren Dreschflegel und
Mistgabel noch das Blut klebte, ließen sich von jedem dazu gesen¬
deten Offizier oder Kreisbeamten, von einem Corporal oder Gefrei¬
ten folgsam leiten, befehligen und von mancher Ausschweifung abhal¬
ten. Leider aber war es nicht möglich, schnell genug Regierungs¬
beamte und disciplinirte Mannschaft hinzusenden, um Uebergriffe
und manches traurige Ereigniß zu verhüten.


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[0115] Landstraße hielten ihn die Bauern an, hießen ihn aufsteigen, und als sie ihn für einen der Hauptinsurgentenführer erkannt hatten, wurde er mit Dreschflegeln todt geschlagen, sammt Kleidern, Uhr und Börse wieder in den Wagen hineingelegt und dem Kutscher geheißen weiter zu fahren. Die Bauern hatten vortreffliche Notizen. Sie hielten, nach Erstürmung eines Edelhofes, ordentlich Gericht über die „Getreuen" oder „Ungetreuen". — Beim Grafen L., einem ehemaligen kaiserli¬ chen Offizier und dem Kaiserhause bekanntermaßen sehr ergebenen Cavalier, schirmten seine Unterthanen dessen Person, Familie und Vermögen, erschlugen aber vor dem Hause zwei seiner polnischen Beamten (Mandatare), und richtig, es fanden sich in deren Woh¬ nungen Vorräthe von Waffen und Munition. — Bei M. wurde der Grundherr S. verschont, aber der Pfarrer und der Schenkwirth erschlagen, und bei ihnen fand sich auch das zur Vergiftung der im Dorfe stationirten Militär-Mannschaft bestimmte Arsenik. Auf dem von deutschen Beamten nach Recht und Humanität verwalte¬ ten Gute Fassow des Herrn von Eilau (Banquier in Wien) be¬ wachten die Gemeinden die herrschaftlichen Vorräthe und verübten nicht den geringsten Unfug. Dasselbe geschah auch auf den Gü¬ tern der Gr.afer Tarnowska in Woinecz beim Grafen Zelinszki, und bei mehreren andern, durch ihre Anhänglichkeit an Oesterreich und ihre humane Behandlung der Unterthanen bekannten Grund¬ herrschaften, und zwar im Tarnower, Bochnier und Nzeszower- Kreise, wo sich das Landvolk am aufgeregtesten zeigte. Die Ge¬ meinden, durch ihre Ortsrichter mit Beiwirkung ausgedienter Kapi¬ tulanten geleitet, hatten sich ganz militärisch geordnet, hielten streng Wache, machten Patrouillen und man hörte bei Nacht von Dorf zu Dorf das Blasen der Wächter mit dem Kühhorn, auf der Straße das Feldgeschrei der mit Dreschflegeln und mit Mistgabeln bewaff¬ neten Bauern. Und eben diese Bauern, an deren Dreschflegel und Mistgabel noch das Blut klebte, ließen sich von jedem dazu gesen¬ deten Offizier oder Kreisbeamten, von einem Corporal oder Gefrei¬ ten folgsam leiten, befehligen und von mancher Ausschweifung abhal¬ ten. Leider aber war es nicht möglich, schnell genug Regierungs¬ beamte und disciplinirte Mannschaft hinzusenden, um Uebergriffe und manches traurige Ereigniß zu verhüten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/115>, abgerufen am 24.11.2024.