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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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einen halben Tag lang gegen ein JnvasionSheer zu halten vermöchte,
so darf dies doch die Fortisicationsbehörde nicht glauben, sondern es ist
vielmehr ihr Beruf, sich einzubilden, daß Wien noch immer eine Festung
ersten Ranges darstellen müsse, und der Satan geizt deshalb nicht so
sehr nach Seelen, als sie um ein Stückchen Glacis. Wer ist's nun,
der bei solchem Conflicte der Behörde den Knoten rasch zerhaue? Nie¬
mand! Denn beide Theile bewegen sich innerhalb ihrer ursprünglichen
Rechts- und Berufssphäre, und es gilt als Marime, sie ihnen so lange
wie möglich ungeschmälert zu erhalten. Der Streit wird vielmehr
durch höhere und höchste Behörden fortgesponnen, bis die vereinigte
Hofkanzlei, als Repräsentantin aller inneren Angelegenheiten, und ver
Hofkriegsrath sich darüber entgegentreten. In letzter Instanz und nach
dem Verlauf langer Monate muß nun freilich eine Entscheidung ge¬
troffen werden. Erfolgt sie in der Conferenz, so hat die Sache freilich
ein Ende; allein man bedenke, welche Unzahl von Geschäften sich auf
diese Weise, aus allen Gegenden, zusammenhäuft, und wie man billi¬
ger Weise zufrieden sein muß, wenn nur die wichtigsten, dringlichsten
beigelegt werden. Nur zu oft geschieht es, daß, wenn die Nothwen¬
digkeit einer Aenderung nicht allzncvident vorliegt, die Sache beim
Alten, d. h. auf sich beruhen bleibt, wie man im büreaukratischen Style
zu sagen pflegt.

Wie lange ist von einem Umbau des Hvfoperntheaters die Rede! Und
wer möchte läugnen, daß das jetzige Haus in seiner auffallenden Schmuck¬
losigkeit und Naumbeschränktheit einer großen und reichen Residenz, des
Domicils der prätentiösesten Aristokratie Europa's keineswegs würdig
sei. Man gelangt indessen aus hundert Gründen niemals dazu, und
man mag zufrieden fein, wenn die Verleihung deö Instituts an irgend
einen Pächter endlich zu Stande kommt. In dieser Krisis befinden
wir uns grade jetzt. Seit mehreren Monaten schwebt die ungeheure
Frage, ob Balochino das Theater behalten, oder einen Nachfolger
bekommen wird. Freilich sind seine Verdienste um den Glanz und das
Gedeihen unserer Oper nicht groß; freilich war deö Tadelns durch
mehrere Jahre kein Ende; freilich hielt man seine Zurück¬
weisung für ein unvermeidliches Ding - allein wer weiß? Da die letzte
von ihm gelieferte "^oil^ it-tuo""" sich der Gunst unserer crömv zu
erfreuen hatte, da es vor Allem so schwer ist, einen Entschluß zu
fassen, so könnte es gar leicht sich ereignen, daß es im buchstäblichen
Sinne des Worts beim Alten, d. h. beim 8iA"c"rv vulncliiiu" bliebe
und daß die Combination Draökovich-Merelli, von der häufig


einen halben Tag lang gegen ein JnvasionSheer zu halten vermöchte,
so darf dies doch die Fortisicationsbehörde nicht glauben, sondern es ist
vielmehr ihr Beruf, sich einzubilden, daß Wien noch immer eine Festung
ersten Ranges darstellen müsse, und der Satan geizt deshalb nicht so
sehr nach Seelen, als sie um ein Stückchen Glacis. Wer ist's nun,
der bei solchem Conflicte der Behörde den Knoten rasch zerhaue? Nie¬
mand! Denn beide Theile bewegen sich innerhalb ihrer ursprünglichen
Rechts- und Berufssphäre, und es gilt als Marime, sie ihnen so lange
wie möglich ungeschmälert zu erhalten. Der Streit wird vielmehr
durch höhere und höchste Behörden fortgesponnen, bis die vereinigte
Hofkanzlei, als Repräsentantin aller inneren Angelegenheiten, und ver
Hofkriegsrath sich darüber entgegentreten. In letzter Instanz und nach
dem Verlauf langer Monate muß nun freilich eine Entscheidung ge¬
troffen werden. Erfolgt sie in der Conferenz, so hat die Sache freilich
ein Ende; allein man bedenke, welche Unzahl von Geschäften sich auf
diese Weise, aus allen Gegenden, zusammenhäuft, und wie man billi¬
ger Weise zufrieden sein muß, wenn nur die wichtigsten, dringlichsten
beigelegt werden. Nur zu oft geschieht es, daß, wenn die Nothwen¬
digkeit einer Aenderung nicht allzncvident vorliegt, die Sache beim
Alten, d. h. auf sich beruhen bleibt, wie man im büreaukratischen Style
zu sagen pflegt.

Wie lange ist von einem Umbau des Hvfoperntheaters die Rede! Und
wer möchte läugnen, daß das jetzige Haus in seiner auffallenden Schmuck¬
losigkeit und Naumbeschränktheit einer großen und reichen Residenz, des
Domicils der prätentiösesten Aristokratie Europa's keineswegs würdig
sei. Man gelangt indessen aus hundert Gründen niemals dazu, und
man mag zufrieden fein, wenn die Verleihung deö Instituts an irgend
einen Pächter endlich zu Stande kommt. In dieser Krisis befinden
wir uns grade jetzt. Seit mehreren Monaten schwebt die ungeheure
Frage, ob Balochino das Theater behalten, oder einen Nachfolger
bekommen wird. Freilich sind seine Verdienste um den Glanz und das
Gedeihen unserer Oper nicht groß; freilich war deö Tadelns durch
mehrere Jahre kein Ende; freilich hielt man seine Zurück¬
weisung für ein unvermeidliches Ding - allein wer weiß? Da die letzte
von ihm gelieferte «^oil^ it-tuo»»« sich der Gunst unserer crömv zu
erfreuen hatte, da es vor Allem so schwer ist, einen Entschluß zu
fassen, so könnte es gar leicht sich ereignen, daß es im buchstäblichen
Sinne des Worts beim Alten, d. h. beim 8iA»c»rv vulncliiiu» bliebe
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[0545] einen halben Tag lang gegen ein JnvasionSheer zu halten vermöchte, so darf dies doch die Fortisicationsbehörde nicht glauben, sondern es ist vielmehr ihr Beruf, sich einzubilden, daß Wien noch immer eine Festung ersten Ranges darstellen müsse, und der Satan geizt deshalb nicht so sehr nach Seelen, als sie um ein Stückchen Glacis. Wer ist's nun, der bei solchem Conflicte der Behörde den Knoten rasch zerhaue? Nie¬ mand! Denn beide Theile bewegen sich innerhalb ihrer ursprünglichen Rechts- und Berufssphäre, und es gilt als Marime, sie ihnen so lange wie möglich ungeschmälert zu erhalten. Der Streit wird vielmehr durch höhere und höchste Behörden fortgesponnen, bis die vereinigte Hofkanzlei, als Repräsentantin aller inneren Angelegenheiten, und ver Hofkriegsrath sich darüber entgegentreten. In letzter Instanz und nach dem Verlauf langer Monate muß nun freilich eine Entscheidung ge¬ troffen werden. Erfolgt sie in der Conferenz, so hat die Sache freilich ein Ende; allein man bedenke, welche Unzahl von Geschäften sich auf diese Weise, aus allen Gegenden, zusammenhäuft, und wie man billi¬ ger Weise zufrieden sein muß, wenn nur die wichtigsten, dringlichsten beigelegt werden. Nur zu oft geschieht es, daß, wenn die Nothwen¬ digkeit einer Aenderung nicht allzncvident vorliegt, die Sache beim Alten, d. h. auf sich beruhen bleibt, wie man im büreaukratischen Style zu sagen pflegt. Wie lange ist von einem Umbau des Hvfoperntheaters die Rede! Und wer möchte läugnen, daß das jetzige Haus in seiner auffallenden Schmuck¬ losigkeit und Naumbeschränktheit einer großen und reichen Residenz, des Domicils der prätentiösesten Aristokratie Europa's keineswegs würdig sei. Man gelangt indessen aus hundert Gründen niemals dazu, und man mag zufrieden fein, wenn die Verleihung deö Instituts an irgend einen Pächter endlich zu Stande kommt. In dieser Krisis befinden wir uns grade jetzt. Seit mehreren Monaten schwebt die ungeheure Frage, ob Balochino das Theater behalten, oder einen Nachfolger bekommen wird. Freilich sind seine Verdienste um den Glanz und das Gedeihen unserer Oper nicht groß; freilich war deö Tadelns durch mehrere Jahre kein Ende; freilich hielt man seine Zurück¬ weisung für ein unvermeidliches Ding - allein wer weiß? Da die letzte von ihm gelieferte «^oil^ it-tuo»»« sich der Gunst unserer crömv zu erfreuen hatte, da es vor Allem so schwer ist, einen Entschluß zu fassen, so könnte es gar leicht sich ereignen, daß es im buchstäblichen Sinne des Worts beim Alten, d. h. beim 8iA»c»rv vulncliiiu» bliebe und daß die Combination Draökovich-Merelli, von der häufig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/545>, abgerufen am 24.07.2024.