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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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tung, welche der König vor ihren Urtheilen hat, bekannt sind, so
pflegen die Minister, Generale und höheren Staatsbeamten ihr stets
eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken und sie oft mit Bitten
anzugehen, welche sie nicht direct an Se. Majestät zu richten wagen.

Die Prinzessin Adelaide liebt und beschützt die Künste und
nimmt sich eifrig der Künstler an, wenn sie in ihrer Gegenwart an¬
gegriffen werden. Wenigstens den sechsten Theil ihres Einkommens,
welches sich, wenn ich nicht irre auf 800,000 Franken jährlich beläuft,
verwendet die Prinzessin zu wohlthätigen Zwecken, Pensionen und
Unterstützungen von Schriftstellern und Künstlern, Gründung und
Unterhaltung von Schulen, Krankenhäusern u. s. w. Sie hat keinen
besonderen Hausstand, sondern lebt mit der übrigen Familie zusam¬
men i allein sie hat zwölf bis fünfzehn eigne Pferde für die Personen
ihres Gefolges, welches aus ihrer Ehrendame, der Gräfin M ontjote,
ihrem Kammerherrn, dem Grafen Chateleur, zwei Hofdamen und
ihrem Privatsecretair Lamp besteht. Dieser letztere hat drei Beamte
und einen Bureaudiener unter seinem Befehle; die ganze Dienerschaft
der Prinzessin besteht aus etwa zwölf Kammerfrauen, Lakaien und
Kammerdienern.

Ebenso, wie die Königin, liest die Schwester Ludwig Phi¬
lipps selbst alle ihre Briefe und ebenso, wie ihrer erlauchten Schwä¬
gerin, begegnet es ihr mitunter, sich durch ihre Gutherzigkeit hinreißen
zu lassen und dem Eindrucke eiuer in rührenden Worten abgefaßten
Bittschrift zu leicht nachzugeben. Besonders sorgt sie gern für Waisen,
läßt sie in Pensionsanstalten unterbringen und auf ihre Kosten er¬
ziehen.

Eine besondere Liebe hat die Prinzessin Adelaide für alle ihre
Neffen und Nichten, welche dieselbe durch beständige Zeichen der An¬
hänglichkeit erwidern. Ueberhaupt muß ich wiederholen, daß in der
ganzen Familie Orleans ein so inniges Verhältniß, eine sofortdauernde
Eintracht besteht, wie man sie selten unter Verwandten findet. Ich
bin ein langjähriger Zeuge der Freundschaft und Liebe gewesen, welche
Ludwig Philipps Schwester und Gemahlin zu einander hegen.
Kein anderes Geheimniß haben sie vor einander, als ihre wohlthätigen
Handlungen, welche sie sich mit einer wahren Aengstlichkeit zu ver¬
bergen suchen. Hatte ich die Ehre, in dem großen Salon Zutritt zu
erhalten, und wollte die Königin über ihre Bittschriften etwas mit
mir sprechen, so führte sie mich in eine Fenstervertiefung, um leise und
unbemerkt mit mir reden zu könne'", und dieselbe Zurückhaltung ward


tung, welche der König vor ihren Urtheilen hat, bekannt sind, so
pflegen die Minister, Generale und höheren Staatsbeamten ihr stets
eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken und sie oft mit Bitten
anzugehen, welche sie nicht direct an Se. Majestät zu richten wagen.

Die Prinzessin Adelaide liebt und beschützt die Künste und
nimmt sich eifrig der Künstler an, wenn sie in ihrer Gegenwart an¬
gegriffen werden. Wenigstens den sechsten Theil ihres Einkommens,
welches sich, wenn ich nicht irre auf 800,000 Franken jährlich beläuft,
verwendet die Prinzessin zu wohlthätigen Zwecken, Pensionen und
Unterstützungen von Schriftstellern und Künstlern, Gründung und
Unterhaltung von Schulen, Krankenhäusern u. s. w. Sie hat keinen
besonderen Hausstand, sondern lebt mit der übrigen Familie zusam¬
men i allein sie hat zwölf bis fünfzehn eigne Pferde für die Personen
ihres Gefolges, welches aus ihrer Ehrendame, der Gräfin M ontjote,
ihrem Kammerherrn, dem Grafen Chateleur, zwei Hofdamen und
ihrem Privatsecretair Lamp besteht. Dieser letztere hat drei Beamte
und einen Bureaudiener unter seinem Befehle; die ganze Dienerschaft
der Prinzessin besteht aus etwa zwölf Kammerfrauen, Lakaien und
Kammerdienern.

Ebenso, wie die Königin, liest die Schwester Ludwig Phi¬
lipps selbst alle ihre Briefe und ebenso, wie ihrer erlauchten Schwä¬
gerin, begegnet es ihr mitunter, sich durch ihre Gutherzigkeit hinreißen
zu lassen und dem Eindrucke eiuer in rührenden Worten abgefaßten
Bittschrift zu leicht nachzugeben. Besonders sorgt sie gern für Waisen,
läßt sie in Pensionsanstalten unterbringen und auf ihre Kosten er¬
ziehen.

Eine besondere Liebe hat die Prinzessin Adelaide für alle ihre
Neffen und Nichten, welche dieselbe durch beständige Zeichen der An¬
hänglichkeit erwidern. Ueberhaupt muß ich wiederholen, daß in der
ganzen Familie Orleans ein so inniges Verhältniß, eine sofortdauernde
Eintracht besteht, wie man sie selten unter Verwandten findet. Ich
bin ein langjähriger Zeuge der Freundschaft und Liebe gewesen, welche
Ludwig Philipps Schwester und Gemahlin zu einander hegen.
Kein anderes Geheimniß haben sie vor einander, als ihre wohlthätigen
Handlungen, welche sie sich mit einer wahren Aengstlichkeit zu ver¬
bergen suchen. Hatte ich die Ehre, in dem großen Salon Zutritt zu
erhalten, und wollte die Königin über ihre Bittschriften etwas mit
mir sprechen, so führte sie mich in eine Fenstervertiefung, um leise und
unbemerkt mit mir reden zu könne'», und dieselbe Zurückhaltung ward


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/534>, abgerufen am 04.07.2024.