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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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und Verschönerungen auf den Schlossern und in den Gärten zu spre¬
chen. Gegen 5 Uhr kehrt man nach den Tuilerien zurück. Jeder be¬
gibt sich in seine Gemächer, um sich für den Mittagstisch anzukleiden.
Pünktlich um 6 Uhr speist die Königliche Familie; gewöhnlich besteht
die Tafel aus 25 bis 30 Couverts.

Gegen 7 oder Uhr begibt man sich in den großen. Salon des
Königs, der sich, so wie alle Gemächer Sr. Majestät, im ersten Stock¬
werke der Tuilerien befindet. Die Zimmer der Königin und der Prin¬
zessin Adelaide sind im Erdgeschoß und gehen auf den Garten hin¬
aus. Bei dtefer Gelegenheit bemerke ich, daß, seitdem Ludwig Phi¬
lipp die Tuilerien bewohnt, in den innern Räumlichkeiten des Pala¬
stes sehr bedeutende Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen
worden sind, während die Möblirung mit wenigen Ausnahmen noch
dieselbe aus der Zeit des Kaiserreichs und der Restauration ist.

Die Prinzessin Adelaide hat fast dieselben Beschäftigungen wie
die Königin, ist aber viel weniger mit Arbeiten überhäuft. Um I Uhr
stellt sich Herr Lamp, ihr Privat-Secretair, ein, muß aber, wenn Be-
fuche da sind, nach der Promenade um 5 Uhr wieder kommen. Die
Prinzessin Adelaide ertheilt bei Weitem mehr Privat-Audienzen, als
die Königin. Namentlich erinnere ich mich, daß der Marschall Gerard,
Frau von Valence, Herr von Celle, der belgische Gesandte Le-
bon, der Fürst Tallevrand, der Graf Montalivet und der Ar¬
chitekt Fontaine sehr oft die Ursache waren, daß ich lange im Vor¬
zimmer warten mußte. Obgleich auch die Prinzessin mir bei meinen
Audienzen viel Wohlwollen zeigte, so ließ sie mich doch stets, der Hofe
sitte gemäß, vor sich stehen.

Die Schwester Ludwig Philipps hat einen heitern Charakter,
sehr viel Geist und, ebenso wie ihr Großvater, der vortreffliche Herzog
von Penthivvre, ein edles und gutes Herz. Bei Erwähnung dieses
Fürsten fällt mir ein, was mir der Secretair Lamp einmal erzählt
hat, daß diefer Prinz die sonderbare Gewohnheit hatte, seinen Leuten,
wenn sie ihm zum neuen Jahr ihre Glückwünsche darbrachten, die
Antwort zu geben: "Ich danke Ihnen, meine Herren, für Ihre Glück¬
wünsche und schenke Ihnen Alles, was Sie mir im verwichenen Jahre
entwendet haben." In der That weiß man nicht recht, ob diese drol¬
lige Antwort ein bloßer Spaß war, oder ob der Prinz durch diese
nachträgliche Schenkung das Gewissen seiner Bedienten beruhigen und
ihr Seelenheil retten wollte. Uebrigens ist bekannt, daß der Herzog
von PenthiKvre bet den Bewohnern der ganzen Umgegend seines


und Verschönerungen auf den Schlossern und in den Gärten zu spre¬
chen. Gegen 5 Uhr kehrt man nach den Tuilerien zurück. Jeder be¬
gibt sich in seine Gemächer, um sich für den Mittagstisch anzukleiden.
Pünktlich um 6 Uhr speist die Königliche Familie; gewöhnlich besteht
die Tafel aus 25 bis 30 Couverts.

Gegen 7 oder Uhr begibt man sich in den großen. Salon des
Königs, der sich, so wie alle Gemächer Sr. Majestät, im ersten Stock¬
werke der Tuilerien befindet. Die Zimmer der Königin und der Prin¬
zessin Adelaide sind im Erdgeschoß und gehen auf den Garten hin¬
aus. Bei dtefer Gelegenheit bemerke ich, daß, seitdem Ludwig Phi¬
lipp die Tuilerien bewohnt, in den innern Räumlichkeiten des Pala¬
stes sehr bedeutende Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen
worden sind, während die Möblirung mit wenigen Ausnahmen noch
dieselbe aus der Zeit des Kaiserreichs und der Restauration ist.

Die Prinzessin Adelaide hat fast dieselben Beschäftigungen wie
die Königin, ist aber viel weniger mit Arbeiten überhäuft. Um I Uhr
stellt sich Herr Lamp, ihr Privat-Secretair, ein, muß aber, wenn Be-
fuche da sind, nach der Promenade um 5 Uhr wieder kommen. Die
Prinzessin Adelaide ertheilt bei Weitem mehr Privat-Audienzen, als
die Königin. Namentlich erinnere ich mich, daß der Marschall Gerard,
Frau von Valence, Herr von Celle, der belgische Gesandte Le-
bon, der Fürst Tallevrand, der Graf Montalivet und der Ar¬
chitekt Fontaine sehr oft die Ursache waren, daß ich lange im Vor¬
zimmer warten mußte. Obgleich auch die Prinzessin mir bei meinen
Audienzen viel Wohlwollen zeigte, so ließ sie mich doch stets, der Hofe
sitte gemäß, vor sich stehen.

Die Schwester Ludwig Philipps hat einen heitern Charakter,
sehr viel Geist und, ebenso wie ihr Großvater, der vortreffliche Herzog
von Penthivvre, ein edles und gutes Herz. Bei Erwähnung dieses
Fürsten fällt mir ein, was mir der Secretair Lamp einmal erzählt
hat, daß diefer Prinz die sonderbare Gewohnheit hatte, seinen Leuten,
wenn sie ihm zum neuen Jahr ihre Glückwünsche darbrachten, die
Antwort zu geben: „Ich danke Ihnen, meine Herren, für Ihre Glück¬
wünsche und schenke Ihnen Alles, was Sie mir im verwichenen Jahre
entwendet haben." In der That weiß man nicht recht, ob diese drol¬
lige Antwort ein bloßer Spaß war, oder ob der Prinz durch diese
nachträgliche Schenkung das Gewissen seiner Bedienten beruhigen und
ihr Seelenheil retten wollte. Uebrigens ist bekannt, daß der Herzog
von PenthiKvre bet den Bewohnern der ganzen Umgegend seines


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[0532] und Verschönerungen auf den Schlossern und in den Gärten zu spre¬ chen. Gegen 5 Uhr kehrt man nach den Tuilerien zurück. Jeder be¬ gibt sich in seine Gemächer, um sich für den Mittagstisch anzukleiden. Pünktlich um 6 Uhr speist die Königliche Familie; gewöhnlich besteht die Tafel aus 25 bis 30 Couverts. Gegen 7 oder Uhr begibt man sich in den großen. Salon des Königs, der sich, so wie alle Gemächer Sr. Majestät, im ersten Stock¬ werke der Tuilerien befindet. Die Zimmer der Königin und der Prin¬ zessin Adelaide sind im Erdgeschoß und gehen auf den Garten hin¬ aus. Bei dtefer Gelegenheit bemerke ich, daß, seitdem Ludwig Phi¬ lipp die Tuilerien bewohnt, in den innern Räumlichkeiten des Pala¬ stes sehr bedeutende Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen worden sind, während die Möblirung mit wenigen Ausnahmen noch dieselbe aus der Zeit des Kaiserreichs und der Restauration ist. Die Prinzessin Adelaide hat fast dieselben Beschäftigungen wie die Königin, ist aber viel weniger mit Arbeiten überhäuft. Um I Uhr stellt sich Herr Lamp, ihr Privat-Secretair, ein, muß aber, wenn Be- fuche da sind, nach der Promenade um 5 Uhr wieder kommen. Die Prinzessin Adelaide ertheilt bei Weitem mehr Privat-Audienzen, als die Königin. Namentlich erinnere ich mich, daß der Marschall Gerard, Frau von Valence, Herr von Celle, der belgische Gesandte Le- bon, der Fürst Tallevrand, der Graf Montalivet und der Ar¬ chitekt Fontaine sehr oft die Ursache waren, daß ich lange im Vor¬ zimmer warten mußte. Obgleich auch die Prinzessin mir bei meinen Audienzen viel Wohlwollen zeigte, so ließ sie mich doch stets, der Hofe sitte gemäß, vor sich stehen. Die Schwester Ludwig Philipps hat einen heitern Charakter, sehr viel Geist und, ebenso wie ihr Großvater, der vortreffliche Herzog von Penthivvre, ein edles und gutes Herz. Bei Erwähnung dieses Fürsten fällt mir ein, was mir der Secretair Lamp einmal erzählt hat, daß diefer Prinz die sonderbare Gewohnheit hatte, seinen Leuten, wenn sie ihm zum neuen Jahr ihre Glückwünsche darbrachten, die Antwort zu geben: „Ich danke Ihnen, meine Herren, für Ihre Glück¬ wünsche und schenke Ihnen Alles, was Sie mir im verwichenen Jahre entwendet haben." In der That weiß man nicht recht, ob diese drol¬ lige Antwort ein bloßer Spaß war, oder ob der Prinz durch diese nachträgliche Schenkung das Gewissen seiner Bedienten beruhigen und ihr Seelenheil retten wollte. Uebrigens ist bekannt, daß der Herzog von PenthiKvre bet den Bewohnern der ganzen Umgegend seines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/532>, abgerufen am 25.07.2024.