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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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dem Wohls der Provinz, wie an dem allgemeinen Wohl nehmen, -- und
dennoch will die vereinigte Hofkanzlei die Ausübung eines verfassungs¬
mäßigen Rechtes von ihrem alleinigen Befunde abhangig machen.

Ew. Majestät! -- es liegt nicht nur in dem Begriffe einer ständi¬
schen Verfassung, sondern ist auch ihr theuerstes Pfand, jene Theilnahme
und Mitwirkung an der Gesetzgebung des Landes, welche durch den Bei¬
rath, d. i. durch die Berathung über alle die persönlichen und die Eigen¬
thumsrechte aller Bewohner des Landes betreffenden Gesetze und Vor¬
schriften ausgeübt wird.

Dieses Recht des Beirathes ist die geistige Grundlage jeder provin-
zialständischen Verfassung, wie es die urkundliche Basis aller'"Provinziell -
stände war, es ist kein Theil der Staats- und Regierungsgewalt, sondern
nur ein Mittel zu ihrer Kräftigung und Befestigung, indem es der lan¬
desherrlichen Gewalt das tauglichste Werkzeug ist, das Gute zu wirken,
was in ihr liegt, und der klare Spiegel zugleich der wahren Bedürfnisse
des Volkes, -- offen ausgesprochen durch die Stimme der Edleren aller
Stände, welche durch das Grundgesetz berufen sind, die Stimme des Vol¬
kes zu vertreten.

Stände, welche von der Berathung der Gesetze ausgeschlossen sind,
erlangen weder die lebendige Anschauung der Bedürfnisse des Landes, noch die
nothwendige Kenntniß seiner Gesetze. Ihr Erkennen ist todt und unfruchtbar,
wenn es nicht auf der Erkenntniß der letzten Gründe, d. h. auf der Ue¬
berzeugung der unabweislichen Nothwendigkeit und Nützlichkeit, auf der
reiflicher unbefangenen Ueberlegung des wirklichen allgemeinen Bedürf¬
nisses und auf der Zweckmäßigkeit, Vollständigkeit und Gerechtigkeit der
Erfüllung und Befriedigung beruht.

Wenn dieses geistige Element des Staates den Ständen ferne liegt,
so wird ihre Wachsamkeit auf die allgemeinen Bedürfnisse des Landes in
Schlummer gewiegt, ihre echte Hingebung für das gemeine Wohl ertöo-
tet, und der wahre Standpunkt ihrer Sendung verrückt; es wird aber
auch ein unentbehrliches Organ des Staates in Unthätigkeit gesetzt, weil
die Behörden selbst bei dem besten Willen nicht immer in der Lage sind,
die wahren Verhältnisse der Provinz genau zu kennen, weil sie daher oft
von Voraussetzungen ausgehen müssen, die der Wirklichkeit widersprechen
und die Verschiedenheit der Verhältnisse unbeachtet lassen, urit weil, sie
bei manchen Entscheidungen, in Ermangelung einer anderen Basis, auf
Theorien sich stützen, die sich in der Ausführung schwankend oder unhalt¬
bar erweisen.

Oesterreichs Landesherren suchten stets in der Institution der Stände
die geeignetsten Mittel die Detailverhältnisse und die Bedürfnisse der Pro¬
vinz genau kennen zu lernen, um auf der Grundlage dieser Kenntniß mit
dem Beirathe der Stande das Wohl aller ihrer Unterthanen fördern, und
die allgemeinen Staatsmaßregeln den Eigenthümlichkeiten der Provinz
anpassen zu können.

Die landesväterliche Fürsorge, mit welcher Ew. Majestät das Wohl
Ihrer getreuen Unterthanen in den verschiedenen Zweigen der Gesetzgebung


dem Wohls der Provinz, wie an dem allgemeinen Wohl nehmen, — und
dennoch will die vereinigte Hofkanzlei die Ausübung eines verfassungs¬
mäßigen Rechtes von ihrem alleinigen Befunde abhangig machen.

Ew. Majestät! — es liegt nicht nur in dem Begriffe einer ständi¬
schen Verfassung, sondern ist auch ihr theuerstes Pfand, jene Theilnahme
und Mitwirkung an der Gesetzgebung des Landes, welche durch den Bei¬
rath, d. i. durch die Berathung über alle die persönlichen und die Eigen¬
thumsrechte aller Bewohner des Landes betreffenden Gesetze und Vor¬
schriften ausgeübt wird.

Dieses Recht des Beirathes ist die geistige Grundlage jeder provin-
zialständischen Verfassung, wie es die urkundliche Basis aller'«Provinziell -
stände war, es ist kein Theil der Staats- und Regierungsgewalt, sondern
nur ein Mittel zu ihrer Kräftigung und Befestigung, indem es der lan¬
desherrlichen Gewalt das tauglichste Werkzeug ist, das Gute zu wirken,
was in ihr liegt, und der klare Spiegel zugleich der wahren Bedürfnisse
des Volkes, — offen ausgesprochen durch die Stimme der Edleren aller
Stände, welche durch das Grundgesetz berufen sind, die Stimme des Vol¬
kes zu vertreten.

Stände, welche von der Berathung der Gesetze ausgeschlossen sind,
erlangen weder die lebendige Anschauung der Bedürfnisse des Landes, noch die
nothwendige Kenntniß seiner Gesetze. Ihr Erkennen ist todt und unfruchtbar,
wenn es nicht auf der Erkenntniß der letzten Gründe, d. h. auf der Ue¬
berzeugung der unabweislichen Nothwendigkeit und Nützlichkeit, auf der
reiflicher unbefangenen Ueberlegung des wirklichen allgemeinen Bedürf¬
nisses und auf der Zweckmäßigkeit, Vollständigkeit und Gerechtigkeit der
Erfüllung und Befriedigung beruht.

Wenn dieses geistige Element des Staates den Ständen ferne liegt,
so wird ihre Wachsamkeit auf die allgemeinen Bedürfnisse des Landes in
Schlummer gewiegt, ihre echte Hingebung für das gemeine Wohl ertöo-
tet, und der wahre Standpunkt ihrer Sendung verrückt; es wird aber
auch ein unentbehrliches Organ des Staates in Unthätigkeit gesetzt, weil
die Behörden selbst bei dem besten Willen nicht immer in der Lage sind,
die wahren Verhältnisse der Provinz genau zu kennen, weil sie daher oft
von Voraussetzungen ausgehen müssen, die der Wirklichkeit widersprechen
und die Verschiedenheit der Verhältnisse unbeachtet lassen, urit weil, sie
bei manchen Entscheidungen, in Ermangelung einer anderen Basis, auf
Theorien sich stützen, die sich in der Ausführung schwankend oder unhalt¬
bar erweisen.

Oesterreichs Landesherren suchten stets in der Institution der Stände
die geeignetsten Mittel die Detailverhältnisse und die Bedürfnisse der Pro¬
vinz genau kennen zu lernen, um auf der Grundlage dieser Kenntniß mit
dem Beirathe der Stande das Wohl aller ihrer Unterthanen fördern, und
die allgemeinen Staatsmaßregeln den Eigenthümlichkeiten der Provinz
anpassen zu können.

Die landesväterliche Fürsorge, mit welcher Ew. Majestät das Wohl
Ihrer getreuen Unterthanen in den verschiedenen Zweigen der Gesetzgebung


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[0492] dem Wohls der Provinz, wie an dem allgemeinen Wohl nehmen, — und dennoch will die vereinigte Hofkanzlei die Ausübung eines verfassungs¬ mäßigen Rechtes von ihrem alleinigen Befunde abhangig machen. Ew. Majestät! — es liegt nicht nur in dem Begriffe einer ständi¬ schen Verfassung, sondern ist auch ihr theuerstes Pfand, jene Theilnahme und Mitwirkung an der Gesetzgebung des Landes, welche durch den Bei¬ rath, d. i. durch die Berathung über alle die persönlichen und die Eigen¬ thumsrechte aller Bewohner des Landes betreffenden Gesetze und Vor¬ schriften ausgeübt wird. Dieses Recht des Beirathes ist die geistige Grundlage jeder provin- zialständischen Verfassung, wie es die urkundliche Basis aller'«Provinziell - stände war, es ist kein Theil der Staats- und Regierungsgewalt, sondern nur ein Mittel zu ihrer Kräftigung und Befestigung, indem es der lan¬ desherrlichen Gewalt das tauglichste Werkzeug ist, das Gute zu wirken, was in ihr liegt, und der klare Spiegel zugleich der wahren Bedürfnisse des Volkes, — offen ausgesprochen durch die Stimme der Edleren aller Stände, welche durch das Grundgesetz berufen sind, die Stimme des Vol¬ kes zu vertreten. Stände, welche von der Berathung der Gesetze ausgeschlossen sind, erlangen weder die lebendige Anschauung der Bedürfnisse des Landes, noch die nothwendige Kenntniß seiner Gesetze. Ihr Erkennen ist todt und unfruchtbar, wenn es nicht auf der Erkenntniß der letzten Gründe, d. h. auf der Ue¬ berzeugung der unabweislichen Nothwendigkeit und Nützlichkeit, auf der reiflicher unbefangenen Ueberlegung des wirklichen allgemeinen Bedürf¬ nisses und auf der Zweckmäßigkeit, Vollständigkeit und Gerechtigkeit der Erfüllung und Befriedigung beruht. Wenn dieses geistige Element des Staates den Ständen ferne liegt, so wird ihre Wachsamkeit auf die allgemeinen Bedürfnisse des Landes in Schlummer gewiegt, ihre echte Hingebung für das gemeine Wohl ertöo- tet, und der wahre Standpunkt ihrer Sendung verrückt; es wird aber auch ein unentbehrliches Organ des Staates in Unthätigkeit gesetzt, weil die Behörden selbst bei dem besten Willen nicht immer in der Lage sind, die wahren Verhältnisse der Provinz genau zu kennen, weil sie daher oft von Voraussetzungen ausgehen müssen, die der Wirklichkeit widersprechen und die Verschiedenheit der Verhältnisse unbeachtet lassen, urit weil, sie bei manchen Entscheidungen, in Ermangelung einer anderen Basis, auf Theorien sich stützen, die sich in der Ausführung schwankend oder unhalt¬ bar erweisen. Oesterreichs Landesherren suchten stets in der Institution der Stände die geeignetsten Mittel die Detailverhältnisse und die Bedürfnisse der Pro¬ vinz genau kennen zu lernen, um auf der Grundlage dieser Kenntniß mit dem Beirathe der Stande das Wohl aller ihrer Unterthanen fördern, und die allgemeinen Staatsmaßregeln den Eigenthümlichkeiten der Provinz anpassen zu können. Die landesväterliche Fürsorge, mit welcher Ew. Majestät das Wohl Ihrer getreuen Unterthanen in den verschiedenen Zweigen der Gesetzgebung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/492>, abgerufen am 02.07.2024.