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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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einer grundgesetzlichen Beschränkung des alten ständischen Petitionsrechtes
in keinem Zusammenhange standen.

Allein Ew. Majestät treugehorsamste Stände müssen wenigstens die
Veranlassung beklagen, welche Ew. Majestät bestimmte, den getreuesten
Unterthanen die altherkömmliche Gunst zu versagen, vor dem erhabenen
Throne ihres Landesfürsten zu erscheinen, und zu dessen Stufen eine ehr¬
furchtsvolle Borstellung niederzulegen, deren Würdigung und Entscheidung
sie nur dem edlen und großen Herzen ihres Monarchen und nur dem
kaiserlichen Willen unterwerfen können, weil sie ein von der obersten po¬
litischen Behörde in Frage gestelltes, wichtiges Recht der Stände -- das
des ständischen Beirathes, -- und die Mißverhältnisse in der politischen
Verwaltung auf dem Lande zum Gegenstande hatten.

Ew. Majestät tccugehorsamste Stände wagen es daher zur Be¬
gründung der durch Allerhöchste Entschließung vom 28. Juni v. I. ab¬
verlangten Nachweisung jener Nichtgeltung, die sie von Seiten der Be¬
hörden erfahren müssen, vor Allem die mit Hofkanzleidecrct vom 7. Juni
1814 Z. ' si!z - zugekommene Erklärung vorzubringen: "daß die verei¬
nigte Hofkanzlei auch in Zukunft über alle, die Berechtigung der nieder¬
österreichischen Stände zur Uebernahme der Reparation und EinHebung der
Steuern berührenden Verhandlungen ohne Unterschied vorläufig die An¬
sicht der niederösterreichischen Stande oder ihre Organe einholen werde,
bei den übrigen, das allgemeine Wohl betreffenden Gegenständen aber dies
dann zu thun sich vorbehalte, wenn sie es dem Interesse des Dienstes
entsprechend oder wünschenswerth erkennen wird.

Es kann nicht angenommen werden, daß der vereinigten Hofkanzlei
der Inhalt des in Erledigung ständischer Gravamina erflossenen Hofde"
arces vom 30. September >79t unbekannt war, in welchem des ständi¬
schen Beirathes mit den Worten Erwähnung geschieht: "daß, wenn es
sich um neue, allgemeine Gesetze handelt, die Stände allemal vorläufig
um ihre allfälligen Erinnerungen zu vernehmen seien; wie dann auch,
wenn diese Gesetze das Justizfach betreffen, die oberste Justizstelle den
diesfälligen Entwurf der Appellation hingeben, und diese in einer Sitzung,
zu welcher sowohl die Landrechte, als ein ständischer Deputirter und ein
Magistratualis beizuziehen kommen, darüber ihre Meinungen eröffnen,
dem ständischen Deputaten jedoch frei stehen solle, die dabei etwa ausfal¬
lenden Anstände i-t;si!römjum bei den Ständen zu nehmen."

Es kann von der Voraussetzung nicht ausgegangen werden, daß die
vereinigte Hoföanzlei von den denkwürdigen Worten des Hofdecretes vom
9. September keine Kenntniß hatte, welche ausdrücklich anordnen,

daß die Stände bei allen wichtigen Veränderungen der politischen Ge¬
setze über die wirkliche Anwendung der Grundsätze gehört werden, damit
solchergestalt die Gesetze eine Einrichtung erhalten, wie dieselbe dem Wohle
jeder Provinz, ohne dem Mangel der ganzen Monarchie zu widersprechen,
angemessen ist.

Es ist endlich kein Grund zur Annahme vorhanden, daß die Stände
gegenwärtig einen minder thätigen oder minder fruchtbaren Antheil an


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einer grundgesetzlichen Beschränkung des alten ständischen Petitionsrechtes
in keinem Zusammenhange standen.

Allein Ew. Majestät treugehorsamste Stände müssen wenigstens die
Veranlassung beklagen, welche Ew. Majestät bestimmte, den getreuesten
Unterthanen die altherkömmliche Gunst zu versagen, vor dem erhabenen
Throne ihres Landesfürsten zu erscheinen, und zu dessen Stufen eine ehr¬
furchtsvolle Borstellung niederzulegen, deren Würdigung und Entscheidung
sie nur dem edlen und großen Herzen ihres Monarchen und nur dem
kaiserlichen Willen unterwerfen können, weil sie ein von der obersten po¬
litischen Behörde in Frage gestelltes, wichtiges Recht der Stände — das
des ständischen Beirathes, — und die Mißverhältnisse in der politischen
Verwaltung auf dem Lande zum Gegenstande hatten.

Ew. Majestät tccugehorsamste Stände wagen es daher zur Be¬
gründung der durch Allerhöchste Entschließung vom 28. Juni v. I. ab¬
verlangten Nachweisung jener Nichtgeltung, die sie von Seiten der Be¬
hörden erfahren müssen, vor Allem die mit Hofkanzleidecrct vom 7. Juni
1814 Z. ' si!z - zugekommene Erklärung vorzubringen: „daß die verei¬
nigte Hofkanzlei auch in Zukunft über alle, die Berechtigung der nieder¬
österreichischen Stände zur Uebernahme der Reparation und EinHebung der
Steuern berührenden Verhandlungen ohne Unterschied vorläufig die An¬
sicht der niederösterreichischen Stande oder ihre Organe einholen werde,
bei den übrigen, das allgemeine Wohl betreffenden Gegenständen aber dies
dann zu thun sich vorbehalte, wenn sie es dem Interesse des Dienstes
entsprechend oder wünschenswerth erkennen wird.

Es kann nicht angenommen werden, daß der vereinigten Hofkanzlei
der Inhalt des in Erledigung ständischer Gravamina erflossenen Hofde»
arces vom 30. September >79t unbekannt war, in welchem des ständi¬
schen Beirathes mit den Worten Erwähnung geschieht: „daß, wenn es
sich um neue, allgemeine Gesetze handelt, die Stände allemal vorläufig
um ihre allfälligen Erinnerungen zu vernehmen seien; wie dann auch,
wenn diese Gesetze das Justizfach betreffen, die oberste Justizstelle den
diesfälligen Entwurf der Appellation hingeben, und diese in einer Sitzung,
zu welcher sowohl die Landrechte, als ein ständischer Deputirter und ein
Magistratualis beizuziehen kommen, darüber ihre Meinungen eröffnen,
dem ständischen Deputaten jedoch frei stehen solle, die dabei etwa ausfal¬
lenden Anstände i-t;si!römjum bei den Ständen zu nehmen."

Es kann von der Voraussetzung nicht ausgegangen werden, daß die
vereinigte Hoföanzlei von den denkwürdigen Worten des Hofdecretes vom
9. September keine Kenntniß hatte, welche ausdrücklich anordnen,

daß die Stände bei allen wichtigen Veränderungen der politischen Ge¬
setze über die wirkliche Anwendung der Grundsätze gehört werden, damit
solchergestalt die Gesetze eine Einrichtung erhalten, wie dieselbe dem Wohle
jeder Provinz, ohne dem Mangel der ganzen Monarchie zu widersprechen,
angemessen ist.

Es ist endlich kein Grund zur Annahme vorhanden, daß die Stände
gegenwärtig einen minder thätigen oder minder fruchtbaren Antheil an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/491>, abgerufen am 30.06.2024.