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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Die peinlichste Sorge über diesen Gang der Dinge im tiefsten Frie¬
den -- in einem zur Regelung und Befestigung allein günstigen, allwärts
benutzten Zeitpunkte, und die Ueberzeugung, daß die Bcsitzverhaltnisse Oe¬
sterreichs in einem organischen, also nothwendigen Ausammenhange mit
der ständischen Verfassung stehen, vereinigte Ew. Majestät treugehor¬
samste Stande wieder zu dem dermal nothgedrungenen Bestreben, in Ge¬
meinschaft auf manche dringende Bedürfnisse und gefährliche Mängel
aufmerksam zu machen.

Dieses neu erwachte Bewußtsein der niederösterreichischen Stände
fand wenig Beifall -- und es erfordert kein geringes Maß von Selbst-
verläugnung und Ausdauer -- ja, von wahrer Vaterlandsliebe, um nicht
aus Hoffnungslosigkeit in jene Unthätigkeit zurückzusinken, die eine schäd¬
liche Wirkung bequemer Hoffnungen war.

Ew. Majestät treugehorsamste Stände würden aber ihren Muth
erst dann gebrochen, ihren letzten Hoffnungsschimmer erst dann erloschen
sehen, wenn sie die tödtende Ueberzeugung fassen müßten, daß sie auf das
Vertrauen ihres Landesfürsten nicht "casum, und in der Ausübung jener
Rechte beschränkt werden könnten, welche mit dem Namen auch das We¬
sen von Landständen verbinden.

Das unschätzbarste dieser Rechte ist unstreitig das Vorrecht, Bitten,
Vorstellungen und Beschwerden ihrem Landesfürsten unmittelbar zu über¬
reichen. Dasselbe ist das erste und ursprünglichste aller ständischen Rechte,
denn es wurzelt in jener Lehenstreue des alten Oesterreichs, die so frei¬
müthig, so aufrecht einherging und zugleich so vertrauensvoll und gläu¬
big dem Landesfürsten zur Seite stand.

Dasselbe ist aber auch für das Institut der Stände und für ihren
Beruf von der höchsten Bedeutung; -- denn nicht allein, daß es die
Stelle bezeichnet, welche die Stände des Landes einzunehmen haben, so
liegt in dem -- Oesterreichs Regenten angeborenen Gefühle für Recht
und Wahrheit die höchste Gewähr zur Erfüllung bescheidener Bitte und
gegründeter Vorstellungen.

Welcher Umschwung der Sitten und Meinungen seit jener ursprüng¬
lichen Form der österreichischen Verfassung auch eingetreten ist -- welche
rasche Entwickelungen im Staatsleben auch nachfolgten, die Stellung
der Stande blieb unverändert, wie ihre Anhänglichkeit und Treue und
diese Stellung befähigte und berechtigte sie zur unmittelbaren Vorlage
ihrer Vorstellungen in allen wichtigen und dringenden Angelegenheiten
ohne Unterbrechung.

Dieses unbestrittene Vorrecht gehört offenbar zu jenen guten Gewohn¬
heiten, zu jenen alten Freiheiten, die Ew. Majestät den treugehorsamsten
Ständen bei der Erbhuldigung Allergnädigst zu bestätigen geruhten, und
schon in dieser Allerhöchsten Austcherung glauben Ew. Majestät rreuge-
hocsamste Stände die tröstende Beruhigung schöpfen zu können, daß Ew.
Majestät, bei der mit Allerhöchster Entschließung vom 19- September v.
I. abweislich erledigten Bitte der Stände zur unmittelbaren Überreichung
ihrer ehrfurchtsvollen Vorstellungen von Gründen geleitet waren, die mit


Die peinlichste Sorge über diesen Gang der Dinge im tiefsten Frie¬
den — in einem zur Regelung und Befestigung allein günstigen, allwärts
benutzten Zeitpunkte, und die Ueberzeugung, daß die Bcsitzverhaltnisse Oe¬
sterreichs in einem organischen, also nothwendigen Ausammenhange mit
der ständischen Verfassung stehen, vereinigte Ew. Majestät treugehor¬
samste Stande wieder zu dem dermal nothgedrungenen Bestreben, in Ge¬
meinschaft auf manche dringende Bedürfnisse und gefährliche Mängel
aufmerksam zu machen.

Dieses neu erwachte Bewußtsein der niederösterreichischen Stände
fand wenig Beifall — und es erfordert kein geringes Maß von Selbst-
verläugnung und Ausdauer — ja, von wahrer Vaterlandsliebe, um nicht
aus Hoffnungslosigkeit in jene Unthätigkeit zurückzusinken, die eine schäd¬
liche Wirkung bequemer Hoffnungen war.

Ew. Majestät treugehorsamste Stände würden aber ihren Muth
erst dann gebrochen, ihren letzten Hoffnungsschimmer erst dann erloschen
sehen, wenn sie die tödtende Ueberzeugung fassen müßten, daß sie auf das
Vertrauen ihres Landesfürsten nicht »casum, und in der Ausübung jener
Rechte beschränkt werden könnten, welche mit dem Namen auch das We¬
sen von Landständen verbinden.

Das unschätzbarste dieser Rechte ist unstreitig das Vorrecht, Bitten,
Vorstellungen und Beschwerden ihrem Landesfürsten unmittelbar zu über¬
reichen. Dasselbe ist das erste und ursprünglichste aller ständischen Rechte,
denn es wurzelt in jener Lehenstreue des alten Oesterreichs, die so frei¬
müthig, so aufrecht einherging und zugleich so vertrauensvoll und gläu¬
big dem Landesfürsten zur Seite stand.

Dasselbe ist aber auch für das Institut der Stände und für ihren
Beruf von der höchsten Bedeutung; — denn nicht allein, daß es die
Stelle bezeichnet, welche die Stände des Landes einzunehmen haben, so
liegt in dem — Oesterreichs Regenten angeborenen Gefühle für Recht
und Wahrheit die höchste Gewähr zur Erfüllung bescheidener Bitte und
gegründeter Vorstellungen.

Welcher Umschwung der Sitten und Meinungen seit jener ursprüng¬
lichen Form der österreichischen Verfassung auch eingetreten ist — welche
rasche Entwickelungen im Staatsleben auch nachfolgten, die Stellung
der Stande blieb unverändert, wie ihre Anhänglichkeit und Treue und
diese Stellung befähigte und berechtigte sie zur unmittelbaren Vorlage
ihrer Vorstellungen in allen wichtigen und dringenden Angelegenheiten
ohne Unterbrechung.

Dieses unbestrittene Vorrecht gehört offenbar zu jenen guten Gewohn¬
heiten, zu jenen alten Freiheiten, die Ew. Majestät den treugehorsamsten
Ständen bei der Erbhuldigung Allergnädigst zu bestätigen geruhten, und
schon in dieser Allerhöchsten Austcherung glauben Ew. Majestät rreuge-
hocsamste Stände die tröstende Beruhigung schöpfen zu können, daß Ew.
Majestät, bei der mit Allerhöchster Entschließung vom 19- September v.
I. abweislich erledigten Bitte der Stände zur unmittelbaren Überreichung
ihrer ehrfurchtsvollen Vorstellungen von Gründen geleitet waren, die mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/490>, abgerufen am 27.06.2024.