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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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kräftig schützenden Regierungsgewalt unvereinbarlich wurden, freiwillig
aufopferten, und welche in Zeiten der Gefahr und Noch keine andere
ständische Wirksamkeit kannten, als zur Vertheidigung ihres Fürsten und
ihres Vaterlandes Leben, Vermögen und Credit hinzugeben.

Diese Hingebung und Treue haben Oesterreichs Landesfürsten im
Kriege wie im Frieden als feste Stütze eines Thrones betrachtet, dessen
Grundlagen Gerechtigkeit, dessen Ziel die freie Entwickelung aller edlen
Kräfte ist. Die ständische Verfassung, eine -- Ew. Majestät erhabenen
Ahnen anvertraute Institution des Landes, war also nicht allein der
historischen Berechtigung wegen, sie war nicht minder zu Folge der ihr
inwohnenden moralischen Kraft vollgiltig und wirksam.

Welche Bürgschaften dieselbe selbst in einem schon geschwächten Zu¬
stande darzubieten geeignet war, beweiset die denkwürdige Periode der
letzten Bewegungen und Kriege, welche die geschichtliche Bedeutung des
österreichischen Staates zu vernichten und alle Grundlagen seiner bisheri¬
gen politischen und socialen Gestaltung zu erschüttern drohten.

Ew. Majestät! es schien dennoch beschlossen mit dieser letzten natio¬
nalen Erhebung die Geschichte der Stände Niederösterreichs abzuschließen,
denn ungeachtet ihres im Angesichts von Europa einem neuen deutschen
Staatenbunde verkündeten rechtlichen Bestandes -- ungeachtet der, einem
siegreichen Volke zugesicherten Belebung ständischer Mitwirkung sank das
Institut der Stande fast zur leeren Form herab.

Es wurde als ein überflüssiges, in manchen Fallen selbst hinderli¬
ches Element im Staate betrachtet, und auf einem anderen Wege als
dem in der Allerhöchsten Entschließung vom 4. August 1791 bezeichneten,
die genaue Kenntniß der verschiedenen Verhältnisse, Leistungskräfte, Wün¬
sche und Bedürfnisse aller Klassen der Bewohner dieser Provinz zu er¬
langen versucht.

Schweigend zogen sich diejenigen zurück, die, nach ihren Erfahrun¬
gen, und nach ihrer unmittelbaren, freien Ansicht der Dinge, berufen wa¬
ren, mit Rath und That zur Erforschung desjenigen, was Noth thut,
oder zur Befriedigung anerkannter Bedürfnisse und zur Einleitung zweck¬
mäßiger Reformen beizutragen; -- mit Ergebung in den Willen ihres
Monarchen und mit Vertrauen auf seine landesväterliche Absicht, harr¬
ten sie in ruhiger Erwartung auf die Segnungen eines dauerhaften Frie¬
dens und auf die Erfolge einer erweiterten ausschließenden Regsamkeit
der öffentlichen Verwaltung zum allgemeinen Besten.

Dieser Zustand der Resignation würde bereits bis zur gänzlichen
Vergessenheit niederöstcrreichischer Stände gediehen sein, hätten die ange-
hofften Resultate jenen Erwartungen entsprochen, allein der Erfolg ober-
wähnter Maxime war -- abgesehen von der Nichtbeachtung einer verbin¬
denden Staatsform -- kein glücklicher; das wichtigste Interesse dieses
Landes, das des Grundbesitzes, wurde in den Hintergrund gedrängt, die
hierauf Bezug nehmende Gesetzgebung nicht geordnet und das Verhältniß
zwischen Obrigkeit und Unterthan nicht geläutert.


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kräftig schützenden Regierungsgewalt unvereinbarlich wurden, freiwillig
aufopferten, und welche in Zeiten der Gefahr und Noch keine andere
ständische Wirksamkeit kannten, als zur Vertheidigung ihres Fürsten und
ihres Vaterlandes Leben, Vermögen und Credit hinzugeben.

Diese Hingebung und Treue haben Oesterreichs Landesfürsten im
Kriege wie im Frieden als feste Stütze eines Thrones betrachtet, dessen
Grundlagen Gerechtigkeit, dessen Ziel die freie Entwickelung aller edlen
Kräfte ist. Die ständische Verfassung, eine — Ew. Majestät erhabenen
Ahnen anvertraute Institution des Landes, war also nicht allein der
historischen Berechtigung wegen, sie war nicht minder zu Folge der ihr
inwohnenden moralischen Kraft vollgiltig und wirksam.

Welche Bürgschaften dieselbe selbst in einem schon geschwächten Zu¬
stande darzubieten geeignet war, beweiset die denkwürdige Periode der
letzten Bewegungen und Kriege, welche die geschichtliche Bedeutung des
österreichischen Staates zu vernichten und alle Grundlagen seiner bisheri¬
gen politischen und socialen Gestaltung zu erschüttern drohten.

Ew. Majestät! es schien dennoch beschlossen mit dieser letzten natio¬
nalen Erhebung die Geschichte der Stände Niederösterreichs abzuschließen,
denn ungeachtet ihres im Angesichts von Europa einem neuen deutschen
Staatenbunde verkündeten rechtlichen Bestandes — ungeachtet der, einem
siegreichen Volke zugesicherten Belebung ständischer Mitwirkung sank das
Institut der Stande fast zur leeren Form herab.

Es wurde als ein überflüssiges, in manchen Fallen selbst hinderli¬
ches Element im Staate betrachtet, und auf einem anderen Wege als
dem in der Allerhöchsten Entschließung vom 4. August 1791 bezeichneten,
die genaue Kenntniß der verschiedenen Verhältnisse, Leistungskräfte, Wün¬
sche und Bedürfnisse aller Klassen der Bewohner dieser Provinz zu er¬
langen versucht.

Schweigend zogen sich diejenigen zurück, die, nach ihren Erfahrun¬
gen, und nach ihrer unmittelbaren, freien Ansicht der Dinge, berufen wa¬
ren, mit Rath und That zur Erforschung desjenigen, was Noth thut,
oder zur Befriedigung anerkannter Bedürfnisse und zur Einleitung zweck¬
mäßiger Reformen beizutragen; — mit Ergebung in den Willen ihres
Monarchen und mit Vertrauen auf seine landesväterliche Absicht, harr¬
ten sie in ruhiger Erwartung auf die Segnungen eines dauerhaften Frie¬
dens und auf die Erfolge einer erweiterten ausschließenden Regsamkeit
der öffentlichen Verwaltung zum allgemeinen Besten.

Dieser Zustand der Resignation würde bereits bis zur gänzlichen
Vergessenheit niederöstcrreichischer Stände gediehen sein, hätten die ange-
hofften Resultate jenen Erwartungen entsprochen, allein der Erfolg ober-
wähnter Maxime war — abgesehen von der Nichtbeachtung einer verbin¬
denden Staatsform — kein glücklicher; das wichtigste Interesse dieses
Landes, das des Grundbesitzes, wurde in den Hintergrund gedrängt, die
hierauf Bezug nehmende Gesetzgebung nicht geordnet und das Verhältniß
zwischen Obrigkeit und Unterthan nicht geläutert.


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[0489] kräftig schützenden Regierungsgewalt unvereinbarlich wurden, freiwillig aufopferten, und welche in Zeiten der Gefahr und Noch keine andere ständische Wirksamkeit kannten, als zur Vertheidigung ihres Fürsten und ihres Vaterlandes Leben, Vermögen und Credit hinzugeben. Diese Hingebung und Treue haben Oesterreichs Landesfürsten im Kriege wie im Frieden als feste Stütze eines Thrones betrachtet, dessen Grundlagen Gerechtigkeit, dessen Ziel die freie Entwickelung aller edlen Kräfte ist. Die ständische Verfassung, eine — Ew. Majestät erhabenen Ahnen anvertraute Institution des Landes, war also nicht allein der historischen Berechtigung wegen, sie war nicht minder zu Folge der ihr inwohnenden moralischen Kraft vollgiltig und wirksam. Welche Bürgschaften dieselbe selbst in einem schon geschwächten Zu¬ stande darzubieten geeignet war, beweiset die denkwürdige Periode der letzten Bewegungen und Kriege, welche die geschichtliche Bedeutung des österreichischen Staates zu vernichten und alle Grundlagen seiner bisheri¬ gen politischen und socialen Gestaltung zu erschüttern drohten. Ew. Majestät! es schien dennoch beschlossen mit dieser letzten natio¬ nalen Erhebung die Geschichte der Stände Niederösterreichs abzuschließen, denn ungeachtet ihres im Angesichts von Europa einem neuen deutschen Staatenbunde verkündeten rechtlichen Bestandes — ungeachtet der, einem siegreichen Volke zugesicherten Belebung ständischer Mitwirkung sank das Institut der Stande fast zur leeren Form herab. Es wurde als ein überflüssiges, in manchen Fallen selbst hinderli¬ ches Element im Staate betrachtet, und auf einem anderen Wege als dem in der Allerhöchsten Entschließung vom 4. August 1791 bezeichneten, die genaue Kenntniß der verschiedenen Verhältnisse, Leistungskräfte, Wün¬ sche und Bedürfnisse aller Klassen der Bewohner dieser Provinz zu er¬ langen versucht. Schweigend zogen sich diejenigen zurück, die, nach ihren Erfahrun¬ gen, und nach ihrer unmittelbaren, freien Ansicht der Dinge, berufen wa¬ ren, mit Rath und That zur Erforschung desjenigen, was Noth thut, oder zur Befriedigung anerkannter Bedürfnisse und zur Einleitung zweck¬ mäßiger Reformen beizutragen; — mit Ergebung in den Willen ihres Monarchen und mit Vertrauen auf seine landesväterliche Absicht, harr¬ ten sie in ruhiger Erwartung auf die Segnungen eines dauerhaften Frie¬ dens und auf die Erfolge einer erweiterten ausschließenden Regsamkeit der öffentlichen Verwaltung zum allgemeinen Besten. Dieser Zustand der Resignation würde bereits bis zur gänzlichen Vergessenheit niederöstcrreichischer Stände gediehen sein, hätten die ange- hofften Resultate jenen Erwartungen entsprochen, allein der Erfolg ober- wähnter Maxime war — abgesehen von der Nichtbeachtung einer verbin¬ denden Staatsform — kein glücklicher; das wichtigste Interesse dieses Landes, das des Grundbesitzes, wurde in den Hintergrund gedrängt, die hierauf Bezug nehmende Gesetzgebung nicht geordnet und das Verhältniß zwischen Obrigkeit und Unterthan nicht geläutert. Grenjbotcn. III. 1»4<i. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/489>, abgerufen am 30.06.2024.