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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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noch größer wurde, sollte die Aedilen der Pleißenstadt endlich bewegen,
auf eine Verlegung der Meßlocale zu denken. Was für namenloses Un¬
glück, wenn das Feuer wahrend der Messe entstanden wäre, wo die
Hainstraße vollgepropst mit Menschen und Waaren ist. Leipzig gewinnt
mit jedem Tage an Ausdehnung und neuen breitangelegten Stadttheilen.
Warum sucht man nicht den Marktverkehr dorthin zu leiten. Rings
um die Stadt bietet die Promenade noch eine Menge unbenützter großer
Plätze, warum keine Aufmunterung zu ihrer Benutzung? Warum hin¬
dert man nicht dies" Anhäufung von Gewölben und Magazinen in den
engsten Winkeln der Stadt durch kluge Maßregeln? Allerdings würde
mancher Hausbesitzer, der seinen Vetter und Gevatter in der Mitte der
Aedilen hat, darunter leiden, und wohl mancher Stadtverordnete mag
nicht durch einen solchen Antrag sich selbst um ein Drittheil seiner Ein¬
künfte bringen. Darum eben wäre es Aufgabe der fremden Zeitungen,
die glücklicherweise keine Leipziger Gutsbesitzer sind, im Interesse des
deutschen Handelsstandes, der zwei, drei Mal des Jahres zur Messe reist,
eine Lüftung und Abänderung der Leipziger Meßlocale anzuregen, damit
die Fremden mit ihrem Leben und Vermögen nicht auf einem Flecke
wie ein Ameisenhaufen zusammengedrängt sind und durch einen einzigen
Fußtritt des Schicksals sammt und sonders zertreten werden können. --
Das Hotel de Pologne soll übrigens durch rüstige Thätigkeit bald wieder
aus seinem Schütte auferstehen und sanguinische Hoffnungen schmeicheln
sich, es bereits zur nächsten Ostermesse in seinem ganzen Glänze restaurirt
zu sehen. Dies heißt jedoch die Rechnung ohne den Winter und ohne
den Kalendcrschreiber gemacht, die grade in diesem Jahre anhaltenden
Frost ankündigen.'

In der Literatur ists ziemlich still- Von Wachsmuth erscheint im
Verlage der thätigen Rengerschen Buchhandlung ,,das Zeitalter der
Revolution, Geschichte der Fürsten und Völker Europas",
zu welchem wohl das bekannte Werk von Capsigue: I'iZuruno nviickrut
lit ti">v<>I"tioi! Frauyaisv, die Anregung gegeben haben mag. Plan und
Ausführung sind jedoch hier ganz anders. Wachsmuth ist ein eleganter Dar¬
steller, was bei deutschen Gelehrten eine Seltenheit ist. Sein neuestes Buch
ist offenbar für das größere Pttblicum berechnet und erscheint deshalb auch in
kleinen Lieferungen zu sechs Bogen. Das Ganze soll 6 Bande bilden, kann
aber nach dem vorliegenden Plane erst nach vier, fünf Jahren vollendet
erscheinen, was uns nicht sehr passend scheint, da der Geduld des Publicums
damit zu viel zugemuthet ist. -- Heinrich Laube's Roman "Die Grä¬
fin Chateaubriand", der von der Kritik bei weitem nicht nach Verdienst
gewürdigt wurde, erlebte die zweite Auflage; von feinen sämmtlichen
Novellen (wozu auch "das junge Europa" und die "Reisenovellen" ge¬
hören), ist bei Hoff in Mannheim eine Gesammtausgabe in zwölf Bän¬
den begonnen worden, von denen die ersten beiden bereits erschienen sind.
Wir sind auf die Wirkung, welche diese Novellen hervorbringen, gespannt;
es ist eine neue Lesegeneration, an welche sich die, aus der stürmischen
und kampfbegierigm Zeit des jungen Deutschlands stammenden Produc-


noch größer wurde, sollte die Aedilen der Pleißenstadt endlich bewegen,
auf eine Verlegung der Meßlocale zu denken. Was für namenloses Un¬
glück, wenn das Feuer wahrend der Messe entstanden wäre, wo die
Hainstraße vollgepropst mit Menschen und Waaren ist. Leipzig gewinnt
mit jedem Tage an Ausdehnung und neuen breitangelegten Stadttheilen.
Warum sucht man nicht den Marktverkehr dorthin zu leiten. Rings
um die Stadt bietet die Promenade noch eine Menge unbenützter großer
Plätze, warum keine Aufmunterung zu ihrer Benutzung? Warum hin¬
dert man nicht dies« Anhäufung von Gewölben und Magazinen in den
engsten Winkeln der Stadt durch kluge Maßregeln? Allerdings würde
mancher Hausbesitzer, der seinen Vetter und Gevatter in der Mitte der
Aedilen hat, darunter leiden, und wohl mancher Stadtverordnete mag
nicht durch einen solchen Antrag sich selbst um ein Drittheil seiner Ein¬
künfte bringen. Darum eben wäre es Aufgabe der fremden Zeitungen,
die glücklicherweise keine Leipziger Gutsbesitzer sind, im Interesse des
deutschen Handelsstandes, der zwei, drei Mal des Jahres zur Messe reist,
eine Lüftung und Abänderung der Leipziger Meßlocale anzuregen, damit
die Fremden mit ihrem Leben und Vermögen nicht auf einem Flecke
wie ein Ameisenhaufen zusammengedrängt sind und durch einen einzigen
Fußtritt des Schicksals sammt und sonders zertreten werden können. —
Das Hotel de Pologne soll übrigens durch rüstige Thätigkeit bald wieder
aus seinem Schütte auferstehen und sanguinische Hoffnungen schmeicheln
sich, es bereits zur nächsten Ostermesse in seinem ganzen Glänze restaurirt
zu sehen. Dies heißt jedoch die Rechnung ohne den Winter und ohne
den Kalendcrschreiber gemacht, die grade in diesem Jahre anhaltenden
Frost ankündigen.'

In der Literatur ists ziemlich still- Von Wachsmuth erscheint im
Verlage der thätigen Rengerschen Buchhandlung ,,das Zeitalter der
Revolution, Geschichte der Fürsten und Völker Europas",
zu welchem wohl das bekannte Werk von Capsigue: I'iZuruno nviickrut
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Ausführung sind jedoch hier ganz anders. Wachsmuth ist ein eleganter Dar¬
steller, was bei deutschen Gelehrten eine Seltenheit ist. Sein neuestes Buch
ist offenbar für das größere Pttblicum berechnet und erscheint deshalb auch in
kleinen Lieferungen zu sechs Bogen. Das Ganze soll 6 Bande bilden, kann
aber nach dem vorliegenden Plane erst nach vier, fünf Jahren vollendet
erscheinen, was uns nicht sehr passend scheint, da der Geduld des Publicums
damit zu viel zugemuthet ist. — Heinrich Laube's Roman „Die Grä¬
fin Chateaubriand", der von der Kritik bei weitem nicht nach Verdienst
gewürdigt wurde, erlebte die zweite Auflage; von feinen sämmtlichen
Novellen (wozu auch „das junge Europa" und die „Reisenovellen" ge¬
hören), ist bei Hoff in Mannheim eine Gesammtausgabe in zwölf Bän¬
den begonnen worden, von denen die ersten beiden bereits erschienen sind.
Wir sind auf die Wirkung, welche diese Novellen hervorbringen, gespannt;
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und kampfbegierigm Zeit des jungen Deutschlands stammenden Produc-


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[0477] noch größer wurde, sollte die Aedilen der Pleißenstadt endlich bewegen, auf eine Verlegung der Meßlocale zu denken. Was für namenloses Un¬ glück, wenn das Feuer wahrend der Messe entstanden wäre, wo die Hainstraße vollgepropst mit Menschen und Waaren ist. Leipzig gewinnt mit jedem Tage an Ausdehnung und neuen breitangelegten Stadttheilen. Warum sucht man nicht den Marktverkehr dorthin zu leiten. Rings um die Stadt bietet die Promenade noch eine Menge unbenützter großer Plätze, warum keine Aufmunterung zu ihrer Benutzung? Warum hin¬ dert man nicht dies« Anhäufung von Gewölben und Magazinen in den engsten Winkeln der Stadt durch kluge Maßregeln? Allerdings würde mancher Hausbesitzer, der seinen Vetter und Gevatter in der Mitte der Aedilen hat, darunter leiden, und wohl mancher Stadtverordnete mag nicht durch einen solchen Antrag sich selbst um ein Drittheil seiner Ein¬ künfte bringen. Darum eben wäre es Aufgabe der fremden Zeitungen, die glücklicherweise keine Leipziger Gutsbesitzer sind, im Interesse des deutschen Handelsstandes, der zwei, drei Mal des Jahres zur Messe reist, eine Lüftung und Abänderung der Leipziger Meßlocale anzuregen, damit die Fremden mit ihrem Leben und Vermögen nicht auf einem Flecke wie ein Ameisenhaufen zusammengedrängt sind und durch einen einzigen Fußtritt des Schicksals sammt und sonders zertreten werden können. — Das Hotel de Pologne soll übrigens durch rüstige Thätigkeit bald wieder aus seinem Schütte auferstehen und sanguinische Hoffnungen schmeicheln sich, es bereits zur nächsten Ostermesse in seinem ganzen Glänze restaurirt zu sehen. Dies heißt jedoch die Rechnung ohne den Winter und ohne den Kalendcrschreiber gemacht, die grade in diesem Jahre anhaltenden Frost ankündigen.' In der Literatur ists ziemlich still- Von Wachsmuth erscheint im Verlage der thätigen Rengerschen Buchhandlung ,,das Zeitalter der Revolution, Geschichte der Fürsten und Völker Europas", zu welchem wohl das bekannte Werk von Capsigue: I'iZuruno nviickrut lit ti«>v<>I»tioi! Frauyaisv, die Anregung gegeben haben mag. Plan und Ausführung sind jedoch hier ganz anders. Wachsmuth ist ein eleganter Dar¬ steller, was bei deutschen Gelehrten eine Seltenheit ist. Sein neuestes Buch ist offenbar für das größere Pttblicum berechnet und erscheint deshalb auch in kleinen Lieferungen zu sechs Bogen. Das Ganze soll 6 Bande bilden, kann aber nach dem vorliegenden Plane erst nach vier, fünf Jahren vollendet erscheinen, was uns nicht sehr passend scheint, da der Geduld des Publicums damit zu viel zugemuthet ist. — Heinrich Laube's Roman „Die Grä¬ fin Chateaubriand", der von der Kritik bei weitem nicht nach Verdienst gewürdigt wurde, erlebte die zweite Auflage; von feinen sämmtlichen Novellen (wozu auch „das junge Europa" und die „Reisenovellen" ge¬ hören), ist bei Hoff in Mannheim eine Gesammtausgabe in zwölf Bän¬ den begonnen worden, von denen die ersten beiden bereits erschienen sind. Wir sind auf die Wirkung, welche diese Novellen hervorbringen, gespannt; es ist eine neue Lesegeneration, an welche sich die, aus der stürmischen und kampfbegierigm Zeit des jungen Deutschlands stammenden Produc-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/477>, abgerufen am 24.07.2024.