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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Doch nicht selten versteht er seinen Souffleur falsch, und dann kommt
die sonderbarste Unwissenheit im Gewände der Lächerlichkeit zum Vorschein.

Hr. Kossak, der Verfasser obengenannter Broschüre, ein Mann von
philosophischer und gründlich-musikalischer Bildung, hat sich die Mühe
genommen, eine Masse Feuilletons von Rellstab in der Voß'schen Zeit,,
mehrere Jahrgange des verschollenen Musikblättchens Iris, und drei
Bande sonstige Schriften von Rellstab durchzustöbern, um das ästhetische
Princip der Rellstab sehen Kunstkritik aufzufinden/ -- er hat vergebens
gesucht. "Es ist uns dieses nicht gelungen", schreibt Hr. K., ,,denn
bald sollte es die Kürze der Zeit, bald das Unpassende des Orts sein,
wodurch der Kritiker verhindert wurde, uns Definitionen über ihre eige¬
nen Principien zu geben. Selbst die Pariser Briefe, deren dritter Theil
ganz dem musikalischen Element gewidmet ist, schienen Hrn. Rellstab
noch kein geeigneter Ort zu sein, um ausführlicher zu werden. > In der
Iris endlich, einer musikalischen Zeitschrift, wird die Definition ganz
abgelehnt." Hr. K. hat sich einer Danaiden - Arbeit unterzogen. Mit
der schärfsten Lauge der Polemik wird man diesen kritischen Mohren nicht
weiß waschen, so lange er in der Voß'schen Zeitung herrscht und so
lange die andern politischen Zeitungen Berlins nicht kenntnißvolle, ur¬
theilsfähige und stylgewandte Feuilletonisten engagiren, die immer schlag¬
fertig sind, Anmaßung, Bornirtheit und Parteilichkeit gründlich abzu¬
G. fertigen.


III.
Aus Leipzig.

Das Feuer und die Löschenden.-- Vorschläge im Interesse der Mcßreisenden. --
Wachsmuth. -- Laube's Novellen. -- Neue Dramen.

Der Brand des Hotel de Pologne und des nebenanstehenden Hau¬
ses ist in hundert Eorrespondenzen in so minutiösen Details besprochen
worden, wie es nur in einer so neuigkeitsdürren Zeit möglich ist, wo
jeder Nachrichtsfunke gleich als Flamme durch alle Blätter fährt. --
Die Zerstörung eines großen, vielbesuchten Meßgasthofs ist kein politi¬
sches Ereigniß, wohl aber gehört es halb und halb zur Politik, wenn
der Bau und die Rettungsanstalten einer Stadt der Art sind, daß bei
einem Brande von zwei Hausern zwölf Personen das Leben verlieren,
von den Verwundeten gar nicht zu sprechen. Die Ursache dieser uner¬
hörten, bei dem Brande von Hamburg kaum größeren Opferzahl, sollte
näher kritistrt werden; die Löschanstalten und Brandvorkehrungsmittel
in einer der größten Meßstädte, wo so viel Eigenthum aufgespeichert ist,
wo so viele Menschen zur Meßzeit sich drängen, sind ein Gegenstand von
allgemein deutscher Bedeutung und die Leipziger Correspondenten sollten
hierüber nicht mit unzeitigem Localpatriotismus den Mantel der Näch¬
stenliebe werfen. Das Unglück in der Hainstraße und das wunderbare
Gluck, daß der Brand in diesem engen, unzugänglichen Stadttheil nicht


Doch nicht selten versteht er seinen Souffleur falsch, und dann kommt
die sonderbarste Unwissenheit im Gewände der Lächerlichkeit zum Vorschein.

Hr. Kossak, der Verfasser obengenannter Broschüre, ein Mann von
philosophischer und gründlich-musikalischer Bildung, hat sich die Mühe
genommen, eine Masse Feuilletons von Rellstab in der Voß'schen Zeit,,
mehrere Jahrgange des verschollenen Musikblättchens Iris, und drei
Bande sonstige Schriften von Rellstab durchzustöbern, um das ästhetische
Princip der Rellstab sehen Kunstkritik aufzufinden/ — er hat vergebens
gesucht. „Es ist uns dieses nicht gelungen", schreibt Hr. K., ,,denn
bald sollte es die Kürze der Zeit, bald das Unpassende des Orts sein,
wodurch der Kritiker verhindert wurde, uns Definitionen über ihre eige¬
nen Principien zu geben. Selbst die Pariser Briefe, deren dritter Theil
ganz dem musikalischen Element gewidmet ist, schienen Hrn. Rellstab
noch kein geeigneter Ort zu sein, um ausführlicher zu werden. > In der
Iris endlich, einer musikalischen Zeitschrift, wird die Definition ganz
abgelehnt." Hr. K. hat sich einer Danaiden - Arbeit unterzogen. Mit
der schärfsten Lauge der Polemik wird man diesen kritischen Mohren nicht
weiß waschen, so lange er in der Voß'schen Zeitung herrscht und so
lange die andern politischen Zeitungen Berlins nicht kenntnißvolle, ur¬
theilsfähige und stylgewandte Feuilletonisten engagiren, die immer schlag¬
fertig sind, Anmaßung, Bornirtheit und Parteilichkeit gründlich abzu¬
G. fertigen.


III.
Aus Leipzig.

Das Feuer und die Löschenden.— Vorschläge im Interesse der Mcßreisenden. —
Wachsmuth. — Laube's Novellen. — Neue Dramen.

Der Brand des Hotel de Pologne und des nebenanstehenden Hau¬
ses ist in hundert Eorrespondenzen in so minutiösen Details besprochen
worden, wie es nur in einer so neuigkeitsdürren Zeit möglich ist, wo
jeder Nachrichtsfunke gleich als Flamme durch alle Blätter fährt. —
Die Zerstörung eines großen, vielbesuchten Meßgasthofs ist kein politi¬
sches Ereigniß, wohl aber gehört es halb und halb zur Politik, wenn
der Bau und die Rettungsanstalten einer Stadt der Art sind, daß bei
einem Brande von zwei Hausern zwölf Personen das Leben verlieren,
von den Verwundeten gar nicht zu sprechen. Die Ursache dieser uner¬
hörten, bei dem Brande von Hamburg kaum größeren Opferzahl, sollte
näher kritistrt werden; die Löschanstalten und Brandvorkehrungsmittel
in einer der größten Meßstädte, wo so viel Eigenthum aufgespeichert ist,
wo so viele Menschen zur Meßzeit sich drängen, sind ein Gegenstand von
allgemein deutscher Bedeutung und die Leipziger Correspondenten sollten
hierüber nicht mit unzeitigem Localpatriotismus den Mantel der Näch¬
stenliebe werfen. Das Unglück in der Hainstraße und das wunderbare
Gluck, daß der Brand in diesem engen, unzugänglichen Stadttheil nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/476>, abgerufen am 24.07.2024.