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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Letzterer sich benommen, darüber ist nur eine Stimme. Mohl's eifrigstes
Streben ist, in die Kammer zu kommen, um mit seinen großen theore¬
tischen Kenntnissen auch praktisch seinem Vaterlande zu nützen, wie sehr
aber die Regierung, oder vielmehr Minister Schlayer dies zu hintertrei¬
ben sucht, hat die letzte Wahl in Urach aus das Empörendste gezeigt.
Der dortige Amtmann hat sich bei der Wahl, um Mohl zu vertreiben
und einen andern, aber stummen Oppositionscandidaten in die Kammer
zu bringen, solcher Mittel erlaubt, daß das ganze bedeutende Amt
Metzingen von 129 Stimmen nicht anzustimmen erklärt und feierlichst
Protest gegen die Wahl eingelegt hat. Das Traurigste ist, daß Wür-
temberg unter diesen Umstanden Mohl ganz verlieren könnte, indem er
nun leicht einen Ruf in's Ausland -- man spricht nach Berlin -- an¬
nehmen dürste.

Bischer, der mit Beibehalt seines Gehaltes und Entschädigung für
Collegicngelder von seinem Amt auf zwei Jahr dispensier wurde, ist da¬
durch auch jetzt noch der Universität benommen.

Wie von Heidelberg, so ist auch von hier eine Adresse an Schleswig-
Holstein von Seiten der Professoren abgegangen. Ewald hat für gut
befunden, sie nicht zu unterzeichnen. Es ist dies an sich unbedeutend
und nicht die einzige Kleinlichkeit, die sich der sonst so tüchtige Mann
hat zu Schulden kommen lassen. Das Beste, was man von ihm sagen
kann, ist, er war unter den sieben Göttinger Professoren.

Uhland lebt fortwährend still und zurückgezogen, gegen Fremde ein-
sylbig, unter guten Freunden liebenswürdig und beredt.


II.
Aus Frankfurt <i. M.

Die Main- und Neckar Bahn und die Unfälle am 16. August. --

Nach langem Zögern, nach mancherlei Unannehmlichkeiten und Rei¬
bungen ist die Main-Neckar-Eisenbahn von hier nach Heidelberg endlich
provisorisch eröffnet worden. Freilich findet sich noch vieles Provisorische
vor. Da die prachtvolle Mainbrücke unmöglich in so kurzer Zeit, d. h.
seit der Vereinigung der drei Regierungen: Frankfurt, Großherzogthum
Hessen und Baden für diese Bahn, vollendet werden konnte, so ist ein
provisorischer Eisenbahnhof jenseit des Maines auf der nach Offenbach
abziehenden Zweigbahn eingerichtet worden. Sind die Wartesale auch
klein und unansehnlich, so genügen sie doch zur Noth; aber wird der
Retsende hier vielleicht abgeschreckt, so findet er sich bald in den geräu¬
migen und bequemen Wagen, in deren jedem ein nicht zu großer Mann
mit dem Hut auf dem Kopfe? aufrecht stehen kann, entschädigt; kommt man
nun gar nach Darmstadt und Heidelberg, so bietet die Pracht und der
Luxus der Stationshauser und das Geräumige der Bahnhöfe reichlichen
Ersatz. Ehe man jedoch nach Heidelberg gelangt, hat man noch die
provisorische Brücke über den Neckar (bei Friedrichsfeld) zu passiren, --
ein Act, der manchen Reisenden mit Schauder und Entsetzen erfüllt.


Letzterer sich benommen, darüber ist nur eine Stimme. Mohl's eifrigstes
Streben ist, in die Kammer zu kommen, um mit seinen großen theore¬
tischen Kenntnissen auch praktisch seinem Vaterlande zu nützen, wie sehr
aber die Regierung, oder vielmehr Minister Schlayer dies zu hintertrei¬
ben sucht, hat die letzte Wahl in Urach aus das Empörendste gezeigt.
Der dortige Amtmann hat sich bei der Wahl, um Mohl zu vertreiben
und einen andern, aber stummen Oppositionscandidaten in die Kammer
zu bringen, solcher Mittel erlaubt, daß das ganze bedeutende Amt
Metzingen von 129 Stimmen nicht anzustimmen erklärt und feierlichst
Protest gegen die Wahl eingelegt hat. Das Traurigste ist, daß Wür-
temberg unter diesen Umstanden Mohl ganz verlieren könnte, indem er
nun leicht einen Ruf in's Ausland — man spricht nach Berlin — an¬
nehmen dürste.

Bischer, der mit Beibehalt seines Gehaltes und Entschädigung für
Collegicngelder von seinem Amt auf zwei Jahr dispensier wurde, ist da¬
durch auch jetzt noch der Universität benommen.

Wie von Heidelberg, so ist auch von hier eine Adresse an Schleswig-
Holstein von Seiten der Professoren abgegangen. Ewald hat für gut
befunden, sie nicht zu unterzeichnen. Es ist dies an sich unbedeutend
und nicht die einzige Kleinlichkeit, die sich der sonst so tüchtige Mann
hat zu Schulden kommen lassen. Das Beste, was man von ihm sagen
kann, ist, er war unter den sieben Göttinger Professoren.

Uhland lebt fortwährend still und zurückgezogen, gegen Fremde ein-
sylbig, unter guten Freunden liebenswürdig und beredt.


II.
Aus Frankfurt <i. M.

Die Main- und Neckar Bahn und die Unfälle am 16. August. —

Nach langem Zögern, nach mancherlei Unannehmlichkeiten und Rei¬
bungen ist die Main-Neckar-Eisenbahn von hier nach Heidelberg endlich
provisorisch eröffnet worden. Freilich findet sich noch vieles Provisorische
vor. Da die prachtvolle Mainbrücke unmöglich in so kurzer Zeit, d. h.
seit der Vereinigung der drei Regierungen: Frankfurt, Großherzogthum
Hessen und Baden für diese Bahn, vollendet werden konnte, so ist ein
provisorischer Eisenbahnhof jenseit des Maines auf der nach Offenbach
abziehenden Zweigbahn eingerichtet worden. Sind die Wartesale auch
klein und unansehnlich, so genügen sie doch zur Noth; aber wird der
Retsende hier vielleicht abgeschreckt, so findet er sich bald in den geräu¬
migen und bequemen Wagen, in deren jedem ein nicht zu großer Mann
mit dem Hut auf dem Kopfe? aufrecht stehen kann, entschädigt; kommt man
nun gar nach Darmstadt und Heidelberg, so bietet die Pracht und der
Luxus der Stationshauser und das Geräumige der Bahnhöfe reichlichen
Ersatz. Ehe man jedoch nach Heidelberg gelangt, hat man noch die
provisorische Brücke über den Neckar (bei Friedrichsfeld) zu passiren, —
ein Act, der manchen Reisenden mit Schauder und Entsetzen erfüllt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/401>, abgerufen am 04.07.2024.