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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Seins. Diese Wah>heil ist so groß, das" es sogar außer dem Reiche
der Freiheit kein wahres Volksthum und Volksleben geben kann. Oder
ist die Deutschthüinlichkeit, schon als solche, der auserwählre Born der
Freiheit und ihr privilegirter ^i-i^n" -ni I'i>i-in>,"8"in i! Ist in dem deut¬
schen Nationalgefühl, in der deutschen Tugend, deutschen Treue, deut¬
schen Vaterlandsliebe :e., das Deutsche, als ein von ihnen geschiede¬
nes, für sich selbst bestehendes, besonderes Wesen, die bezwingende Macht
in ihnen, so daß diese nichts sind außer ihm und nur von jenem, als
über ihnen stehend, ihre Weihe empfangen, etwas sind, insofern
sie sich vorzugsweise deutsch ausdrücken und zur Erscheinung bringen?
Ist es etwas, auf das neben ihnen auch nur ein besonderer Accent
gelegt werden muß, damit es nebenbei nicht verloren gehe? Nein, die¬
ses reflerive Abkappen und Einpfropfen des Freiheitsgefühls in den
Sack der BolkSthümlichkcit, wo Alles bunt durcheinander liegt, ist ab¬
gesehen von dem reactionairen Schicksal, dem es stets zur Bellte fällt,
dasselbe alte unheilvolle Verfahren der Theologie, welche mit der Ver-
drehung des menschlichen Subjects in das göttliche Prädicat so vielen
Jammer unter den Menschen angestiftet. Denn consequent folgt daraus,
daß dem Deutschen nicht wesentlicher sei, Mensch zu sein, als viel¬
mehr dem Menschen, daß er ein Deutscher sei, daß das Deutsche an
ihm, nicht ein nur für es und sich selbst nothwendiges Moment, eine
Daseinsart des allgemeinen Menschen neben andern geschichtlichen Ar¬
ten, sondern eine ihn ausmachende Bestimniling, die übergreifende Gat¬
tung selber sei, nicht ein Formelles, das des Inhalts bedarf, sondern
selbst der Inhalt, der dann freilich aller Inhalt ist. Und daß man in
Deutschland noch zu keiner reineren, volksthümlich freien Fassung des
Rationalgefühls, ja des Nationalbegriffs gelangt ist, wird fast täglich
bewiesen. Das nationale Subject kennt nur den Schatten, den oberfläch¬
lichen Außenschein der wirklichen Nation und Politik, weil es in der
Romantik des Volksthums steckt, eS nimmt den Schatten der Nation
für das Wesen der Nation; es wird ihm daher die auftretende wirk¬
liche Nation zum Trug- und Schreckbild, während seine eigene Rela¬
tivität immer unorganischer wird. "Das Volk" kann noch nicht
aufrecht stehen und mit heimlichem Bangen müssen wir Allem entgegensehen,
was ein Stein des Anstoßes für das versuchende werden kann, da es
dabei leider noch stets sich selbst ant meisten verletzt. So können in
unserm zwar poesielosen, aber naturstnrken Lande des Historischen Pro¬
fessors in der Allgem. AugSb. sehr unhistorische Völiereiamina keinen


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Seins. Diese Wah>heil ist so groß, das« es sogar außer dem Reiche
der Freiheit kein wahres Volksthum und Volksleben geben kann. Oder
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Freiheit und ihr privilegirter ^i-i^n« -ni I'i>i-in>,«8»in i! Ist in dem deut¬
schen Nationalgefühl, in der deutschen Tugend, deutschen Treue, deut¬
schen Vaterlandsliebe :e., das Deutsche, als ein von ihnen geschiede¬
nes, für sich selbst bestehendes, besonderes Wesen, die bezwingende Macht
in ihnen, so daß diese nichts sind außer ihm und nur von jenem, als
über ihnen stehend, ihre Weihe empfangen, etwas sind, insofern
sie sich vorzugsweise deutsch ausdrücken und zur Erscheinung bringen?
Ist es etwas, auf das neben ihnen auch nur ein besonderer Accent
gelegt werden muß, damit es nebenbei nicht verloren gehe? Nein, die¬
ses reflerive Abkappen und Einpfropfen des Freiheitsgefühls in den
Sack der BolkSthümlichkcit, wo Alles bunt durcheinander liegt, ist ab¬
gesehen von dem reactionairen Schicksal, dem es stets zur Bellte fällt,
dasselbe alte unheilvolle Verfahren der Theologie, welche mit der Ver-
drehung des menschlichen Subjects in das göttliche Prädicat so vielen
Jammer unter den Menschen angestiftet. Denn consequent folgt daraus,
daß dem Deutschen nicht wesentlicher sei, Mensch zu sein, als viel¬
mehr dem Menschen, daß er ein Deutscher sei, daß das Deutsche an
ihm, nicht ein nur für es und sich selbst nothwendiges Moment, eine
Daseinsart des allgemeinen Menschen neben andern geschichtlichen Ar¬
ten, sondern eine ihn ausmachende Bestimniling, die übergreifende Gat¬
tung selber sei, nicht ein Formelles, das des Inhalts bedarf, sondern
selbst der Inhalt, der dann freilich aller Inhalt ist. Und daß man in
Deutschland noch zu keiner reineren, volksthümlich freien Fassung des
Rationalgefühls, ja des Nationalbegriffs gelangt ist, wird fast täglich
bewiesen. Das nationale Subject kennt nur den Schatten, den oberfläch¬
lichen Außenschein der wirklichen Nation und Politik, weil es in der
Romantik des Volksthums steckt, eS nimmt den Schatten der Nation
für das Wesen der Nation; es wird ihm daher die auftretende wirk¬
liche Nation zum Trug- und Schreckbild, während seine eigene Rela¬
tivität immer unorganischer wird. „Das Volk" kann noch nicht
aufrecht stehen und mit heimlichem Bangen müssen wir Allem entgegensehen,
was ein Stein des Anstoßes für das versuchende werden kann, da es
dabei leider noch stets sich selbst ant meisten verletzt. So können in
unserm zwar poesielosen, aber naturstnrken Lande des Historischen Pro¬
fessors in der Allgem. AugSb. sehr unhistorische Völiereiamina keinen


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[0351] Seins. Diese Wah>heil ist so groß, das« es sogar außer dem Reiche der Freiheit kein wahres Volksthum und Volksleben geben kann. Oder ist die Deutschthüinlichkeit, schon als solche, der auserwählre Born der Freiheit und ihr privilegirter ^i-i^n« -ni I'i>i-in>,«8»in i! Ist in dem deut¬ schen Nationalgefühl, in der deutschen Tugend, deutschen Treue, deut¬ schen Vaterlandsliebe :e., das Deutsche, als ein von ihnen geschiede¬ nes, für sich selbst bestehendes, besonderes Wesen, die bezwingende Macht in ihnen, so daß diese nichts sind außer ihm und nur von jenem, als über ihnen stehend, ihre Weihe empfangen, etwas sind, insofern sie sich vorzugsweise deutsch ausdrücken und zur Erscheinung bringen? Ist es etwas, auf das neben ihnen auch nur ein besonderer Accent gelegt werden muß, damit es nebenbei nicht verloren gehe? Nein, die¬ ses reflerive Abkappen und Einpfropfen des Freiheitsgefühls in den Sack der BolkSthümlichkcit, wo Alles bunt durcheinander liegt, ist ab¬ gesehen von dem reactionairen Schicksal, dem es stets zur Bellte fällt, dasselbe alte unheilvolle Verfahren der Theologie, welche mit der Ver- drehung des menschlichen Subjects in das göttliche Prädicat so vielen Jammer unter den Menschen angestiftet. Denn consequent folgt daraus, daß dem Deutschen nicht wesentlicher sei, Mensch zu sein, als viel¬ mehr dem Menschen, daß er ein Deutscher sei, daß das Deutsche an ihm, nicht ein nur für es und sich selbst nothwendiges Moment, eine Daseinsart des allgemeinen Menschen neben andern geschichtlichen Ar¬ ten, sondern eine ihn ausmachende Bestimniling, die übergreifende Gat¬ tung selber sei, nicht ein Formelles, das des Inhalts bedarf, sondern selbst der Inhalt, der dann freilich aller Inhalt ist. Und daß man in Deutschland noch zu keiner reineren, volksthümlich freien Fassung des Rationalgefühls, ja des Nationalbegriffs gelangt ist, wird fast täglich bewiesen. Das nationale Subject kennt nur den Schatten, den oberfläch¬ lichen Außenschein der wirklichen Nation und Politik, weil es in der Romantik des Volksthums steckt, eS nimmt den Schatten der Nation für das Wesen der Nation; es wird ihm daher die auftretende wirk¬ liche Nation zum Trug- und Schreckbild, während seine eigene Rela¬ tivität immer unorganischer wird. „Das Volk" kann noch nicht aufrecht stehen und mit heimlichem Bangen müssen wir Allem entgegensehen, was ein Stein des Anstoßes für das versuchende werden kann, da es dabei leider noch stets sich selbst ant meisten verletzt. So können in unserm zwar poesielosen, aber naturstnrken Lande des Historischen Pro¬ fessors in der Allgem. AugSb. sehr unhistorische Völiereiamina keinen 4et-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/351>, abgerufen am 24.07.2024.