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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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sindung, den Stoss, seinem hochbetagten Genossen zuschob und für sich
den Dialog als ausschließliches Eigenthum in Anspruch nahm. Dies
war ein herber Stoß für das Herz des alten Mannes. Aber es spricht
eben für den reichen Fond seiner Gutmüthigkeit, daß er sich dadurch doch
nicht in seiner Hinneigung zu der Jugend stören ließ, ein Verdienst, das
um so größer ist als damals ein anderer Professor der Aesthetik, Herr
Müller, als pythischen Gott seine Orakelsprüche in dem einzigen Prager
literarischen Blatte (Bohemia) ertönen ließ und gegen alle Bestrebungen
der heranwachsenden Jugend wüthete und menzelte. Die in diesem Pro¬
krustesbette des Professors Müller Gemißhandelten fanden dann immer
in den Eorrespondenzbädern des Professors Gerte Hilfe und Balsam für
ihre verstümmelten Gliedmaßen, und ein auswärtiges Blatt sprach bald
darauf dem jungen Verzweifelnden wieder Muth zu.

Eine Schwache des guten Gerte bestand darin, daß er feinen Na¬
men gern gedruckt und citirt sah. Dies war fast krankhaft bei ihm
und steigerte sich mit den Jahren. Da sich nicht oft Gelegenheit zur
Erfüllung seiner Wünsche bot und eine Zeit lang die Correspondenzen
aus Prag in deutschen Zeitschriften fast ausschließlich von ihm besorgt
wurden, so bediente er sich dieser als Mittel, um seinem unschuldigen
Gelüste genug zu thun. So z. B. schrieb er für die weiland Mitter¬
nachtzeitung Correspondenzen unter dem Pseudonym Hanswurst. Die¬
ser Hanswurst griff nun Professor Gerte in Prag wegen irgend einer
Kleinigkeit an, (natürlich so, daß es nicht weh that) und wollte nun
diesen Namen durch 2<) -- 3l) Zeilen fort. Darauf nahm sich der
Präger Correspondent der Abendzeitung, welches eben wieder unser wohl¬
bekannter Freund war, des verfolgten Gerte an und sprach wieder ein
oder zwei Spalten lang gegen den Hanswurst, der übrigens dabei auch
nicht allzuhart wegkam. Hieraufkam die "Wiener Zeitschrift" und über¬
nahm das versöhnliche Amt des Schiedsrichters zwischen den beiden Par¬
teien und that dies um so gewissenhafter, als der Herr Schiedsrichter
höchst betheiligt in der Sache war. -- Später gab dann Hanswurst zu
diesem versöhnenden Ausspruch seine Einwilligung und die Abendzeitung
machte gleichfalls ihren Frieden. So ging es immer fort und uns jungen
Gelbschnäbeln machte es immer den größten Spaß, wenn wir allwöchent¬
lich bei der Ankunft des Aeitschriften-PacketS in Prag irgend einen neuen
Zug in dem kindischen Spiele des alten Herrn (der natürlich daraus das
größte Geheimniß machte) aufstöberten. Ein fetter Bissen für uns waren
eines Morgens die Briefe eines Reisenden über Prag, die im Leipziger
"Komet" abgedruckt waren. Für dieses Blatt hatte nämlich der alte
Professor gleichfalls Jahre lang Correspondenzen geschrieben, und "Gerte's
Abenteuer einer Neujahrsnacht", "Gerte's letzter April", Gerte's und Uffo
Horn's Vormundschaft" waren bereits so unzählige Male darin vorge¬
kommen, daß die Sache dem Einsender selbst gefährlich schien. Die Kor¬
respondenz nahm also plötzlich die Form des Tagebuchs eines Fremden an,
der Prag besucht. Dieser Fremde kaufte sich gleich in der ersten Spalte
als Quitte l!s Va^uZ" "Gerte's Beschreibung von Prag" und schlug


sindung, den Stoss, seinem hochbetagten Genossen zuschob und für sich
den Dialog als ausschließliches Eigenthum in Anspruch nahm. Dies
war ein herber Stoß für das Herz des alten Mannes. Aber es spricht
eben für den reichen Fond seiner Gutmüthigkeit, daß er sich dadurch doch
nicht in seiner Hinneigung zu der Jugend stören ließ, ein Verdienst, das
um so größer ist als damals ein anderer Professor der Aesthetik, Herr
Müller, als pythischen Gott seine Orakelsprüche in dem einzigen Prager
literarischen Blatte (Bohemia) ertönen ließ und gegen alle Bestrebungen
der heranwachsenden Jugend wüthete und menzelte. Die in diesem Pro¬
krustesbette des Professors Müller Gemißhandelten fanden dann immer
in den Eorrespondenzbädern des Professors Gerte Hilfe und Balsam für
ihre verstümmelten Gliedmaßen, und ein auswärtiges Blatt sprach bald
darauf dem jungen Verzweifelnden wieder Muth zu.

Eine Schwache des guten Gerte bestand darin, daß er feinen Na¬
men gern gedruckt und citirt sah. Dies war fast krankhaft bei ihm
und steigerte sich mit den Jahren. Da sich nicht oft Gelegenheit zur
Erfüllung seiner Wünsche bot und eine Zeit lang die Correspondenzen
aus Prag in deutschen Zeitschriften fast ausschließlich von ihm besorgt
wurden, so bediente er sich dieser als Mittel, um seinem unschuldigen
Gelüste genug zu thun. So z. B. schrieb er für die weiland Mitter¬
nachtzeitung Correspondenzen unter dem Pseudonym Hanswurst. Die¬
ser Hanswurst griff nun Professor Gerte in Prag wegen irgend einer
Kleinigkeit an, (natürlich so, daß es nicht weh that) und wollte nun
diesen Namen durch 2<) — 3l) Zeilen fort. Darauf nahm sich der
Präger Correspondent der Abendzeitung, welches eben wieder unser wohl¬
bekannter Freund war, des verfolgten Gerte an und sprach wieder ein
oder zwei Spalten lang gegen den Hanswurst, der übrigens dabei auch
nicht allzuhart wegkam. Hieraufkam die „Wiener Zeitschrift" und über¬
nahm das versöhnliche Amt des Schiedsrichters zwischen den beiden Par¬
teien und that dies um so gewissenhafter, als der Herr Schiedsrichter
höchst betheiligt in der Sache war. — Später gab dann Hanswurst zu
diesem versöhnenden Ausspruch seine Einwilligung und die Abendzeitung
machte gleichfalls ihren Frieden. So ging es immer fort und uns jungen
Gelbschnäbeln machte es immer den größten Spaß, wenn wir allwöchent¬
lich bei der Ankunft des Aeitschriften-PacketS in Prag irgend einen neuen
Zug in dem kindischen Spiele des alten Herrn (der natürlich daraus das
größte Geheimniß machte) aufstöberten. Ein fetter Bissen für uns waren
eines Morgens die Briefe eines Reisenden über Prag, die im Leipziger
„Komet" abgedruckt waren. Für dieses Blatt hatte nämlich der alte
Professor gleichfalls Jahre lang Correspondenzen geschrieben, und „Gerte's
Abenteuer einer Neujahrsnacht", „Gerte's letzter April", Gerte's und Uffo
Horn's Vormundschaft" waren bereits so unzählige Male darin vorge¬
kommen, daß die Sache dem Einsender selbst gefährlich schien. Die Kor¬
respondenz nahm also plötzlich die Form des Tagebuchs eines Fremden an,
der Prag besucht. Dieser Fremde kaufte sich gleich in der ersten Spalte
als Quitte l!s Va^uZ« „Gerte's Beschreibung von Prag" und schlug


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/322>, abgerufen am 25.07.2024.