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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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ten ihr ganzes bisheriges Lehm, und Treiben durch ihr Auftreten verdächtigt,
folglich mußte Alles mit fortgenommen werden, was irgend wie einen
Blick in die innere Seele derselben gestattete: Tagebücher aus der Stu¬
dentenzeit, vertrauliche Briefe von Freunden, Blättchen mit momentanen
Gedanken und Einfallen bekritzelt, u. s. w. Was diese mit Beschlag be¬
legten Papiere für die betreffenden und eine Reihe anderer Personen
für unangenehme Folgen, bestehend in Verhören, Verhaftungen und tau¬
senderlei Vexationen, gehabt, darüber berichte ich Ihnen spater. Für
jetzt nur so viel, daß diese Haussuchungen zur Constatirung der Anklage¬
punkte auch nicht das Geringste geliefert. Man sucht sich jetzt auf die
Weise in Besitz des Klagematerials zu setzen, daß man fortwährend Per¬
sonen, welche das Fest mitgemacht, verhört. Es scheint aber, daß auch
dieser Ausweg nicht zum Ziele führen wolle.


II
Der Krawall in Ci>in.

Die rumultarischen Austritte in Cöln am Rhein machen um so
mehr von sich reden, weil sie in ihren Ursachen die größte Aehnlichkeit
mit der dreitägigen Emeute gemein haben, welche 1835 am 3. 4. und
5. August in Berlin stattfand. Friedrich Wilhelm III. war zu Anfang
der dreißiger Jahre (l839 wenn wir nicht irren) von einer schmerzlichen
Krankheit genesen, und das Volk hatte damals, um seine Freude zu be¬
thätigen, am Geburtstage des Königs (d. 3. Aug.) auf den Straßen der
Residenz, namentlich aber im Thiergarten geschossen und gefeucrwerkt, was,
obwohl es gegen das Polizeigesetz, stillschweigend, der besonderen Veran¬
lassung wegen, gestattet wurde; da es sich aber in jedem Jahre, an dem
betreffenden Tage wiederholte, und zwar in einem stärkeren und zügello¬
seren Maße, so daß Kleidungsstücke beschädigt und Pferde wild gemacht
wurden, beschloß die Polizei 1835 dem Unfug zu steuern. Es wurde nun
der bezügliche Gesetzesparagraph: "Daß es nicht erlaubt auf öffentlichen
Straßen, Platzen, aus den Häusern ze., zu schießen und zu feuerwcrkcn,"
ohne specielle Bezugnahme auf den besondern Tag und Fall) vor dem
3. Aug. in die Berliner Zeitungen (mit Petitschrift) abgedruckt. Weder
in Berlin, noch in einer andern preuß. Stadt dürfte man jedoch schwerlich
einen Einwohner finden, der jenes Verbot nicht kennt, und so hatte man
vielleicht besser gethan, ganz speciell, durch in die Augen fallende Mauer¬
anschläge dem Publicum der Residenz zu instnuiren, daß fernerhin auch
das Schießen und Feuerwerken am Geburtstage des Königs nicht
mehr gestattet sei. So zogen denn die blitz- und knalllustigen Berliner
am 3- August 1835 mit Pistolen und Feuerwerkskörpern durch die Stra¬
ßen nach dem Thiergarten und Abends ging der beklagenswerthe Krawall
auf dem Exercierplatz vor dem Brandenburger Thore los. -- Ein paar
Dutzend Gensd'armen konnten mit der Volksmasse von ein paar Tausend
Menschen natürlich nicht fertig werden, man mußte die bewaffnete Macht


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ten ihr ganzes bisheriges Lehm, und Treiben durch ihr Auftreten verdächtigt,
folglich mußte Alles mit fortgenommen werden, was irgend wie einen
Blick in die innere Seele derselben gestattete: Tagebücher aus der Stu¬
dentenzeit, vertrauliche Briefe von Freunden, Blättchen mit momentanen
Gedanken und Einfallen bekritzelt, u. s. w. Was diese mit Beschlag be¬
legten Papiere für die betreffenden und eine Reihe anderer Personen
für unangenehme Folgen, bestehend in Verhören, Verhaftungen und tau¬
senderlei Vexationen, gehabt, darüber berichte ich Ihnen spater. Für
jetzt nur so viel, daß diese Haussuchungen zur Constatirung der Anklage¬
punkte auch nicht das Geringste geliefert. Man sucht sich jetzt auf die
Weise in Besitz des Klagematerials zu setzen, daß man fortwährend Per¬
sonen, welche das Fest mitgemacht, verhört. Es scheint aber, daß auch
dieser Ausweg nicht zum Ziele führen wolle.


II
Der Krawall in Ci>in.

Die rumultarischen Austritte in Cöln am Rhein machen um so
mehr von sich reden, weil sie in ihren Ursachen die größte Aehnlichkeit
mit der dreitägigen Emeute gemein haben, welche 1835 am 3. 4. und
5. August in Berlin stattfand. Friedrich Wilhelm III. war zu Anfang
der dreißiger Jahre (l839 wenn wir nicht irren) von einer schmerzlichen
Krankheit genesen, und das Volk hatte damals, um seine Freude zu be¬
thätigen, am Geburtstage des Königs (d. 3. Aug.) auf den Straßen der
Residenz, namentlich aber im Thiergarten geschossen und gefeucrwerkt, was,
obwohl es gegen das Polizeigesetz, stillschweigend, der besonderen Veran¬
lassung wegen, gestattet wurde; da es sich aber in jedem Jahre, an dem
betreffenden Tage wiederholte, und zwar in einem stärkeren und zügello¬
seren Maße, so daß Kleidungsstücke beschädigt und Pferde wild gemacht
wurden, beschloß die Polizei 1835 dem Unfug zu steuern. Es wurde nun
der bezügliche Gesetzesparagraph: „Daß es nicht erlaubt auf öffentlichen
Straßen, Platzen, aus den Häusern ze., zu schießen und zu feuerwcrkcn,"
ohne specielle Bezugnahme auf den besondern Tag und Fall) vor dem
3. Aug. in die Berliner Zeitungen (mit Petitschrift) abgedruckt. Weder
in Berlin, noch in einer andern preuß. Stadt dürfte man jedoch schwerlich
einen Einwohner finden, der jenes Verbot nicht kennt, und so hatte man
vielleicht besser gethan, ganz speciell, durch in die Augen fallende Mauer¬
anschläge dem Publicum der Residenz zu instnuiren, daß fernerhin auch
das Schießen und Feuerwerken am Geburtstage des Königs nicht
mehr gestattet sei. So zogen denn die blitz- und knalllustigen Berliner
am 3- August 1835 mit Pistolen und Feuerwerkskörpern durch die Stra¬
ßen nach dem Thiergarten und Abends ging der beklagenswerthe Krawall
auf dem Exercierplatz vor dem Brandenburger Thore los. — Ein paar
Dutzend Gensd'armen konnten mit der Volksmasse von ein paar Tausend
Menschen natürlich nicht fertig werden, man mußte die bewaffnete Macht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/315>, abgerufen am 04.07.2024.