Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.nehme" hatte, fiel mir der von den Eltern am schwersten; aber fast Die ersten Tage meines GvmnasiallebenS verflossen mir sehr trau¬ 40 >
nehme» hatte, fiel mir der von den Eltern am schwersten; aber fast Die ersten Tage meines GvmnasiallebenS verflossen mir sehr trau¬ 40 >
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183328"/> <p xml:id="ID_921" prev="#ID_920"> nehme» hatte, fiel mir der von den Eltern am schwersten; aber fast<lb/> ebenso viel Thränen erpreßte mir der von den Großeltern. Großpapa<lb/> sagte mir: „Junge, Du bist glücklich zu schätzen, weil man Dir Gele¬<lb/> genheit gibt, etwas zu lernen; Du kannst ein Gelehrter und ein Pfar¬<lb/> rer werden. Ich wollte, daß es mir in meiner Jugend ebenso gut<lb/> worden wäre. —" Als mir die Großmutter die Hand zum Abschiede<lb/> reichte, fühlte ich ein leises Zittern in derselben. Sie sagte aber zu<lb/> mir: „Bleibe ein guter Junge, und vergiß Gott und die Mutter Got¬<lb/> tes nicht, und sie werden Dick) auch nicht vergessen. Bete jeden Abend<lb/> einige Vaterunser zu dem heiligen Geist, damit er Dich erleuchte, und<lb/> Du gut lernest, wie eS ein wackerer Student soll." Nachdem sie also ge¬<lb/> sprochen, drückte sie mir einige Stücke Geld in die Hand. Ich sträubte<lb/> mich sie anzunehmen, aber sie sagte: „Behalte es nur, die Studenten<lb/> brauchen immer Geld. Verwende es nur nützlich und gewöhne Dir<lb/> nicht das Naschen an." — Ich nahm endlich die Münze an, denn<lb/> in Wahrheit hatte ich mich nur geweigert, um eine Form zu erfüllen.<lb/> Als ich das Haus verließ, weinte ich heftig; aber ungeachtet meines<lb/> Schmerzes war es, sobald ich mich unbemerkt glaubte, mein erstes<lb/> Geschäft die Hand zu offnen, um zu sehen, was mir Großmama ge¬<lb/> schenkt hatte. — Es war sehr viel; meine kühnsten Erwartungen<lb/> wurden übertreffen; eS waren zwei Thaler und zwar in Achtgroschen¬<lb/> stücken. Ich war sehr erfreut über diese Gabe, denn ich hatte noch<lb/> selten so viel Geld unter den Händen gehabt. —</p><lb/> <p xml:id="ID_922" next="#ID_923"> Die ersten Tage meines GvmnasiallebenS verflossen mir sehr trau¬<lb/> rig und einförmig. Ich weinte oft und dachte an meine Heimath, an<lb/> meine Eltern und Großeltern. Als die Lectionen ihren Anfang nah¬<lb/> men, war ich in den Lehrstunden ruhiger, weil mir da Zerstreuung und<lb/> Beschäftigung genug geboten wurde. — Aber wenn ich wieder zu Hanse<lb/> in meinem engen Stübchen und Zumpt's lateinische Grammatik vor<lb/> mir hatte, um die Declination von mensa und Zliläius zu lernen, da<lb/> wurde ich wieder traurig, da wurden meine Augen feucht und schwere<lb/> Thränen fielen auf die Seiten des Buches nieder. Ich saß oft lange<lb/> Zeit vor der lateinischen Grammatik, und schaute mit träumerischen But-<lb/> ter hinein, sah aber statt der trocknen Gelehrsamkeit nur lauter lieb¬<lb/> liche Gebilde auf den Blättern, z. B. das väterliche Haus mit den<lb/> Pappeln und Espen, »reine Eltern und Spielkameraden, mit denen ich<lb/> Sonntags über die Wiese gesprungen, den treuen Nero, unsern Ket¬<lb/> tenhund, dem ich sehr gewogen, und der bei meinen: Abschiede von der<lb/> Heimath fast Thränen vergossen hatte, und endlich und ganz besonders</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 40 ></fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
nehme» hatte, fiel mir der von den Eltern am schwersten; aber fast
ebenso viel Thränen erpreßte mir der von den Großeltern. Großpapa
sagte mir: „Junge, Du bist glücklich zu schätzen, weil man Dir Gele¬
genheit gibt, etwas zu lernen; Du kannst ein Gelehrter und ein Pfar¬
rer werden. Ich wollte, daß es mir in meiner Jugend ebenso gut
worden wäre. —" Als mir die Großmutter die Hand zum Abschiede
reichte, fühlte ich ein leises Zittern in derselben. Sie sagte aber zu
mir: „Bleibe ein guter Junge, und vergiß Gott und die Mutter Got¬
tes nicht, und sie werden Dick) auch nicht vergessen. Bete jeden Abend
einige Vaterunser zu dem heiligen Geist, damit er Dich erleuchte, und
Du gut lernest, wie eS ein wackerer Student soll." Nachdem sie also ge¬
sprochen, drückte sie mir einige Stücke Geld in die Hand. Ich sträubte
mich sie anzunehmen, aber sie sagte: „Behalte es nur, die Studenten
brauchen immer Geld. Verwende es nur nützlich und gewöhne Dir
nicht das Naschen an." — Ich nahm endlich die Münze an, denn
in Wahrheit hatte ich mich nur geweigert, um eine Form zu erfüllen.
Als ich das Haus verließ, weinte ich heftig; aber ungeachtet meines
Schmerzes war es, sobald ich mich unbemerkt glaubte, mein erstes
Geschäft die Hand zu offnen, um zu sehen, was mir Großmama ge¬
schenkt hatte. — Es war sehr viel; meine kühnsten Erwartungen
wurden übertreffen; eS waren zwei Thaler und zwar in Achtgroschen¬
stücken. Ich war sehr erfreut über diese Gabe, denn ich hatte noch
selten so viel Geld unter den Händen gehabt. —
Die ersten Tage meines GvmnasiallebenS verflossen mir sehr trau¬
rig und einförmig. Ich weinte oft und dachte an meine Heimath, an
meine Eltern und Großeltern. Als die Lectionen ihren Anfang nah¬
men, war ich in den Lehrstunden ruhiger, weil mir da Zerstreuung und
Beschäftigung genug geboten wurde. — Aber wenn ich wieder zu Hanse
in meinem engen Stübchen und Zumpt's lateinische Grammatik vor
mir hatte, um die Declination von mensa und Zliläius zu lernen, da
wurde ich wieder traurig, da wurden meine Augen feucht und schwere
Thränen fielen auf die Seiten des Buches nieder. Ich saß oft lange
Zeit vor der lateinischen Grammatik, und schaute mit träumerischen But-
ter hinein, sah aber statt der trocknen Gelehrsamkeit nur lauter lieb¬
liche Gebilde auf den Blättern, z. B. das väterliche Haus mit den
Pappeln und Espen, »reine Eltern und Spielkameraden, mit denen ich
Sonntags über die Wiese gesprungen, den treuen Nero, unsern Ket¬
tenhund, dem ich sehr gewogen, und der bei meinen: Abschiede von der
Heimath fast Thränen vergossen hatte, und endlich und ganz besonders
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