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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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meistens in einer besondern, philosophischen Sphäre. Wenn Hegel den
Consmutionalismus als die beste Regicrungsfornr bezeichnen konnte,
so ist ein Theil derjenigen, die ihm ihren Entwickelungsprozcß verdan¬
ken, weit über diese Lehre des Meisters hinausgegangen. Nicht blos
gegen diese oder jene Form des Staates, sondern gegen das ganze
Wesen des Staates richtet sich ihre Negation. Die Kunst der philo¬
sophischen Dialektik und Auflösung macht sich in ihnen-vorzugsweise
geltend und sie verzichten bei ihrer Arbeit (was unsere Liberalen
nicht thun) natürlich von vornherein auf jede sogenannte populäre und
praktische Wirkung. Bruno Bauer hat für diese Auffassung der Poli¬
tik große Anregung gegeben, er erhob die Kritik auf ihre höchste und
unabhängigste Höhe und sein Bruder Edgar, jetzt ein Festungsgefangener
in Magdeburg, stellte in seinem, durch Preußen so streng behan¬
delten, Buche "Streit der Kritik mit dem Staat und der Kirche" das
Verhältniß der Kritik zu den beiden, unsere Zustände gegenwärtig be¬
herrschenden politischen Mächten dar. Mit den Bauer's ungefähr auf
gleicher Linie, obgleich unabhängig von ihnen, steht Ludwig Buhl.
Er ist der verkörperte Radikalismus auf dem Gebiete der staatsrecht¬
lichen Verhältnisse und er hat das Verdienst, daß er sich nicht mit ei¬
ner allgemeinen Dialektik begnügt, sondern daß er seine Studien auf
die praktischen, thatsächlichen Verhältnisse richtet. Seine Schrift über
die Verfassungsfrage, sein Buch "Die Herrschaft des Gebiets- und
Bodenprivilegiums in Preußen", seine jüngste Broschüre über die Ge¬
meindeverfassung sind bedeutend und verdienen jedenfalls beachtet zu
werden.

Auf dem nationalökonomischen Gebiete ist der Kampf, sind die
Gegensätze nicht geringer. Die büreaukratische Ftnanzwirthschaft ist mit
den Anforderungen der Bourgeoisie und des dieselben vertretenden
Liberalismus in Kampf gerathen, es handelt sich um die Steuerver¬
theilung, um Staats- oder Privatbanken, um die Resultate und um
die Verfassung des Zollvereines. Während die Bureaukratie den schwan¬
kenden, unsichern Zustand des selten" "zwo, vor allen Dingen aber ihre
VerwalttmgSmacht zu erhalten sucht, fordert die Bourgeoisie Antheil
und Bethätigung an der finanziellen, nationalökonomischen, handels¬
rechtlichen Entwickelung des Landes, sie fordert es aber in ihrem In¬
teresse, nicht im Interesse deS Volkes, denn die Masse hat nichts von
diesen Interessen zu hoffen. In Folge dessen hat sich bei uns eine
nationalökonomische Kritik gebildet, welche sich bemüht, den Egoismus
des bürgerlichen Liberalismus auf diesem Gebiete nachzuweisen und


meistens in einer besondern, philosophischen Sphäre. Wenn Hegel den
Consmutionalismus als die beste Regicrungsfornr bezeichnen konnte,
so ist ein Theil derjenigen, die ihm ihren Entwickelungsprozcß verdan¬
ken, weit über diese Lehre des Meisters hinausgegangen. Nicht blos
gegen diese oder jene Form des Staates, sondern gegen das ganze
Wesen des Staates richtet sich ihre Negation. Die Kunst der philo¬
sophischen Dialektik und Auflösung macht sich in ihnen-vorzugsweise
geltend und sie verzichten bei ihrer Arbeit (was unsere Liberalen
nicht thun) natürlich von vornherein auf jede sogenannte populäre und
praktische Wirkung. Bruno Bauer hat für diese Auffassung der Poli¬
tik große Anregung gegeben, er erhob die Kritik auf ihre höchste und
unabhängigste Höhe und sein Bruder Edgar, jetzt ein Festungsgefangener
in Magdeburg, stellte in seinem, durch Preußen so streng behan¬
delten, Buche „Streit der Kritik mit dem Staat und der Kirche" das
Verhältniß der Kritik zu den beiden, unsere Zustände gegenwärtig be¬
herrschenden politischen Mächten dar. Mit den Bauer's ungefähr auf
gleicher Linie, obgleich unabhängig von ihnen, steht Ludwig Buhl.
Er ist der verkörperte Radikalismus auf dem Gebiete der staatsrecht¬
lichen Verhältnisse und er hat das Verdienst, daß er sich nicht mit ei¬
ner allgemeinen Dialektik begnügt, sondern daß er seine Studien auf
die praktischen, thatsächlichen Verhältnisse richtet. Seine Schrift über
die Verfassungsfrage, sein Buch „Die Herrschaft des Gebiets- und
Bodenprivilegiums in Preußen", seine jüngste Broschüre über die Ge¬
meindeverfassung sind bedeutend und verdienen jedenfalls beachtet zu
werden.

Auf dem nationalökonomischen Gebiete ist der Kampf, sind die
Gegensätze nicht geringer. Die büreaukratische Ftnanzwirthschaft ist mit
den Anforderungen der Bourgeoisie und des dieselben vertretenden
Liberalismus in Kampf gerathen, es handelt sich um die Steuerver¬
theilung, um Staats- oder Privatbanken, um die Resultate und um
die Verfassung des Zollvereines. Während die Bureaukratie den schwan¬
kenden, unsichern Zustand des selten« «zwo, vor allen Dingen aber ihre
VerwalttmgSmacht zu erhalten sucht, fordert die Bourgeoisie Antheil
und Bethätigung an der finanziellen, nationalökonomischen, handels¬
rechtlichen Entwickelung des Landes, sie fordert es aber in ihrem In¬
teresse, nicht im Interesse deS Volkes, denn die Masse hat nichts von
diesen Interessen zu hoffen. In Folge dessen hat sich bei uns eine
nationalökonomische Kritik gebildet, welche sich bemüht, den Egoismus
des bürgerlichen Liberalismus auf diesem Gebiete nachzuweisen und


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[0285] meistens in einer besondern, philosophischen Sphäre. Wenn Hegel den Consmutionalismus als die beste Regicrungsfornr bezeichnen konnte, so ist ein Theil derjenigen, die ihm ihren Entwickelungsprozcß verdan¬ ken, weit über diese Lehre des Meisters hinausgegangen. Nicht blos gegen diese oder jene Form des Staates, sondern gegen das ganze Wesen des Staates richtet sich ihre Negation. Die Kunst der philo¬ sophischen Dialektik und Auflösung macht sich in ihnen-vorzugsweise geltend und sie verzichten bei ihrer Arbeit (was unsere Liberalen nicht thun) natürlich von vornherein auf jede sogenannte populäre und praktische Wirkung. Bruno Bauer hat für diese Auffassung der Poli¬ tik große Anregung gegeben, er erhob die Kritik auf ihre höchste und unabhängigste Höhe und sein Bruder Edgar, jetzt ein Festungsgefangener in Magdeburg, stellte in seinem, durch Preußen so streng behan¬ delten, Buche „Streit der Kritik mit dem Staat und der Kirche" das Verhältniß der Kritik zu den beiden, unsere Zustände gegenwärtig be¬ herrschenden politischen Mächten dar. Mit den Bauer's ungefähr auf gleicher Linie, obgleich unabhängig von ihnen, steht Ludwig Buhl. Er ist der verkörperte Radikalismus auf dem Gebiete der staatsrecht¬ lichen Verhältnisse und er hat das Verdienst, daß er sich nicht mit ei¬ ner allgemeinen Dialektik begnügt, sondern daß er seine Studien auf die praktischen, thatsächlichen Verhältnisse richtet. Seine Schrift über die Verfassungsfrage, sein Buch „Die Herrschaft des Gebiets- und Bodenprivilegiums in Preußen", seine jüngste Broschüre über die Ge¬ meindeverfassung sind bedeutend und verdienen jedenfalls beachtet zu werden. Auf dem nationalökonomischen Gebiete ist der Kampf, sind die Gegensätze nicht geringer. Die büreaukratische Ftnanzwirthschaft ist mit den Anforderungen der Bourgeoisie und des dieselben vertretenden Liberalismus in Kampf gerathen, es handelt sich um die Steuerver¬ theilung, um Staats- oder Privatbanken, um die Resultate und um die Verfassung des Zollvereines. Während die Bureaukratie den schwan¬ kenden, unsichern Zustand des selten« «zwo, vor allen Dingen aber ihre VerwalttmgSmacht zu erhalten sucht, fordert die Bourgeoisie Antheil und Bethätigung an der finanziellen, nationalökonomischen, handels¬ rechtlichen Entwickelung des Landes, sie fordert es aber in ihrem In¬ teresse, nicht im Interesse deS Volkes, denn die Masse hat nichts von diesen Interessen zu hoffen. In Folge dessen hat sich bei uns eine nationalökonomische Kritik gebildet, welche sich bemüht, den Egoismus des bürgerlichen Liberalismus auf diesem Gebiete nachzuweisen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/285>, abgerufen am 24.07.2024.