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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Metrum zuerst von Franz Ladislaus Czelakowsky an die Stelle des
italienischen Sonetts gehest, und hat wie der Ueberscher behauptet,
das Gute, daß es den Dichter hinsichtlich des Reimes nicht so sehr be¬
engt, als jenes, und ihn doch ebenso sehr, ja noch mehr nöthigt, die
Sehne seines Bogens straff anzuziehen, damit er den Pfeil in voller
Kraft abschnellen könne.

Stute hat nur zwei Worte auf seinen Psalter gelegt: Heimach
und Religion, er dankt


Inbrünstig dem Geschick,
Daß er Czech und Katholik. (S. 36.)

Das religiöse Element geht jedoch bei ihm ganz im nationalen
auf, das letztere aber tritt hier ziemlich frei von allem Fanatismus
auf. Charakteristisch für den Verfasser ist jenes, Heimweh, das uns
bei dem Anschauen vergangener Herrlichkeit und historischen Glanzes
mitten in der Heimath ergreifen kann, und das in Böhmen zu Hause
zu sein scheint. Da ist kein Platz in ganz Böhmen, wo dieser Prie¬
ster sich nicht niederwürfe und unter Thränen den Woden küßte; keine
Wolke kann über ganz Böhmen und Mähren stehen, die er nicht besingt.

In den Gedichten, welche betitelt sind: Mein Rufen (diese Ueber¬
schrift soll wahrscheinlich ursprünglich eine religiöseBedeutung haben)sehen
wir den Dichter im Lande umhergehen und die Städte Böhmens und
Mährens bei Namen aufrufen, als fürchtete er, daß plötzlich eine von
ihnen verschwunden und in die große heilige Nacht der böhmischen
Geschichte zurückgesunken sei. Er jubelt, wenn er noch Alles wieder
findet, wie er es vor Kurzem verlassen. "Du hier Olmütz, Du dort
Brunn!" (S.97.) Vor Prag, das "kein Czech jemals innig zu lie¬
ben satt" wird, betet er den Geist des Czcchenthums an. Kein Städt¬
chen, kein Ort wird übersehen, bald steht der Dichter genau "auf
Böhmens Grenze", bald "oberhalb Mährisch Tribau" u. s. w. Ein
ungemein liebliches Gefühl ist es für ihn, auf die "Heimath" hinzu¬
blicken, wenn in ihren Auen sich das Czechenvolk "gleich Bienen er¬
gießt". Die Heimath nimmt der Dichter mit in den Himmel:

"Theestunden in Lindenhain" ist der barocke Titel einer Samm¬
lung, die außer Gedichte auch Novellen und Schauspiele enthält.
'


GrenzHottn. "II. Isis. 32

Metrum zuerst von Franz Ladislaus Czelakowsky an die Stelle des
italienischen Sonetts gehest, und hat wie der Ueberscher behauptet,
das Gute, daß es den Dichter hinsichtlich des Reimes nicht so sehr be¬
engt, als jenes, und ihn doch ebenso sehr, ja noch mehr nöthigt, die
Sehne seines Bogens straff anzuziehen, damit er den Pfeil in voller
Kraft abschnellen könne.

Stute hat nur zwei Worte auf seinen Psalter gelegt: Heimach
und Religion, er dankt


Inbrünstig dem Geschick,
Daß er Czech und Katholik. (S. 36.)

Das religiöse Element geht jedoch bei ihm ganz im nationalen
auf, das letztere aber tritt hier ziemlich frei von allem Fanatismus
auf. Charakteristisch für den Verfasser ist jenes, Heimweh, das uns
bei dem Anschauen vergangener Herrlichkeit und historischen Glanzes
mitten in der Heimath ergreifen kann, und das in Böhmen zu Hause
zu sein scheint. Da ist kein Platz in ganz Böhmen, wo dieser Prie¬
ster sich nicht niederwürfe und unter Thränen den Woden küßte; keine
Wolke kann über ganz Böhmen und Mähren stehen, die er nicht besingt.

In den Gedichten, welche betitelt sind: Mein Rufen (diese Ueber¬
schrift soll wahrscheinlich ursprünglich eine religiöseBedeutung haben)sehen
wir den Dichter im Lande umhergehen und die Städte Böhmens und
Mährens bei Namen aufrufen, als fürchtete er, daß plötzlich eine von
ihnen verschwunden und in die große heilige Nacht der böhmischen
Geschichte zurückgesunken sei. Er jubelt, wenn er noch Alles wieder
findet, wie er es vor Kurzem verlassen. „Du hier Olmütz, Du dort
Brunn!" (S.97.) Vor Prag, das „kein Czech jemals innig zu lie¬
ben satt" wird, betet er den Geist des Czcchenthums an. Kein Städt¬
chen, kein Ort wird übersehen, bald steht der Dichter genau „auf
Böhmens Grenze", bald „oberhalb Mährisch Tribau" u. s. w. Ein
ungemein liebliches Gefühl ist es für ihn, auf die „Heimath" hinzu¬
blicken, wenn in ihren Auen sich das Czechenvolk „gleich Bienen er¬
gießt". Die Heimath nimmt der Dichter mit in den Himmel:

„Theestunden in Lindenhain" ist der barocke Titel einer Samm¬
lung, die außer Gedichte auch Novellen und Schauspiele enthält.
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[0247] Metrum zuerst von Franz Ladislaus Czelakowsky an die Stelle des italienischen Sonetts gehest, und hat wie der Ueberscher behauptet, das Gute, daß es den Dichter hinsichtlich des Reimes nicht so sehr be¬ engt, als jenes, und ihn doch ebenso sehr, ja noch mehr nöthigt, die Sehne seines Bogens straff anzuziehen, damit er den Pfeil in voller Kraft abschnellen könne. Stute hat nur zwei Worte auf seinen Psalter gelegt: Heimach und Religion, er dankt Inbrünstig dem Geschick, Daß er Czech und Katholik. (S. 36.) Das religiöse Element geht jedoch bei ihm ganz im nationalen auf, das letztere aber tritt hier ziemlich frei von allem Fanatismus auf. Charakteristisch für den Verfasser ist jenes, Heimweh, das uns bei dem Anschauen vergangener Herrlichkeit und historischen Glanzes mitten in der Heimath ergreifen kann, und das in Böhmen zu Hause zu sein scheint. Da ist kein Platz in ganz Böhmen, wo dieser Prie¬ ster sich nicht niederwürfe und unter Thränen den Woden küßte; keine Wolke kann über ganz Böhmen und Mähren stehen, die er nicht besingt. In den Gedichten, welche betitelt sind: Mein Rufen (diese Ueber¬ schrift soll wahrscheinlich ursprünglich eine religiöseBedeutung haben)sehen wir den Dichter im Lande umhergehen und die Städte Böhmens und Mährens bei Namen aufrufen, als fürchtete er, daß plötzlich eine von ihnen verschwunden und in die große heilige Nacht der böhmischen Geschichte zurückgesunken sei. Er jubelt, wenn er noch Alles wieder findet, wie er es vor Kurzem verlassen. „Du hier Olmütz, Du dort Brunn!" (S.97.) Vor Prag, das „kein Czech jemals innig zu lie¬ ben satt" wird, betet er den Geist des Czcchenthums an. Kein Städt¬ chen, kein Ort wird übersehen, bald steht der Dichter genau „auf Böhmens Grenze", bald „oberhalb Mährisch Tribau" u. s. w. Ein ungemein liebliches Gefühl ist es für ihn, auf die „Heimath" hinzu¬ blicken, wenn in ihren Auen sich das Czechenvolk „gleich Bienen er¬ gießt". Die Heimath nimmt der Dichter mit in den Himmel: „Theestunden in Lindenhain" ist der barocke Titel einer Samm¬ lung, die außer Gedichte auch Novellen und Schauspiele enthält. ' GrenzHottn. «II. Isis. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/247>, abgerufen am 24.07.2024.