Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band. Dann trug ich ihm auch klagend vor, Wie ich so gar ein armes Blut, Und bat darauf um Haus und Hof, Um Bett und Schrein, um Geld und Gut, Um Garten, Feld und Rebenland, Um eine ganze Heimath traut, Darin ich Dich empfangen könnt' Als reichgeschmückte Herzensbraut. Der Herr läßt sich zwar darauf nicht ein, verspricht ihm aber -- Alles soll besonders blühn Für Euch, und schöner wo Ihr geht, Dieweil Euch in mein Paradies Ein eigen Pförtlcin offen steht. So führe deine junge Braut Getrost in deine Heimath ein; Brautführer foll mein lieblichster Und allerschönster Frühling sein. In dieser Weise lebt und webt der Dichter stets in der Natur. Dann trug ich ihm auch klagend vor, Wie ich so gar ein armes Blut, Und bat darauf um Haus und Hof, Um Bett und Schrein, um Geld und Gut, Um Garten, Feld und Rebenland, Um eine ganze Heimath traut, Darin ich Dich empfangen könnt' Als reichgeschmückte Herzensbraut. Der Herr läßt sich zwar darauf nicht ein, verspricht ihm aber — Alles soll besonders blühn Für Euch, und schöner wo Ihr geht, Dieweil Euch in mein Paradies Ein eigen Pförtlcin offen steht. So führe deine junge Braut Getrost in deine Heimath ein; Brautführer foll mein lieblichster Und allerschönster Frühling sein. In dieser Weise lebt und webt der Dichter stets in der Natur. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183263"/> <lg xml:id="POEMID_6" prev="#POEMID_5" type="poem"> <l> Dann trug ich ihm auch klagend vor,<lb/> Wie ich so gar ein armes Blut,<lb/> Und bat darauf um Haus und Hof,<lb/> Um Bett und Schrein, um Geld und Gut,<lb/> Um Garten, Feld und Rebenland,<lb/> Um eine ganze Heimath traut,<lb/> Darin ich Dich empfangen könnt'<lb/> Als reichgeschmückte Herzensbraut.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_645"> Der Herr läßt sich zwar darauf nicht ein, verspricht ihm aber<lb/> unter Andern»:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_7" type="poem"> <l> — Alles soll besonders blühn<lb/> Für Euch, und schöner wo Ihr geht,<lb/> Dieweil Euch in mein Paradies<lb/> Ein eigen Pförtlcin offen steht.<lb/> So führe deine junge Braut<lb/> Getrost in deine Heimath ein;<lb/> Brautführer foll mein lieblichster<lb/> Und allerschönster Frühling sein.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_646" next="#ID_647"> In dieser Weise lebt und webt der Dichter stets in der Natur.<lb/> Es stehen jedoch diejenigen Gedichte, welche er selbst unier der Ueber¬<lb/> schrift: „Natur" gibt, im Ganzen seinen erotischen Producten nach.<lb/> Auch bei Keller sieht man, daß nur der Mensch selbst, keineswegs aber<lb/> die Natur ein vollkommen ausreichender Gegenstand für die Kunst ist.<lb/> Es gibt wohl in der neuern Lyrik überhaupt nur wenige Gedichte, die<lb/> sich mit ihr ausschließlich beschäftigen und dennoch den Stempel der<lb/> Vollendung an der Stirn tragen, wie z. B. das Gedicht vom Fichten-<lb/> baum, der einsam auf einer Höhe im kalten Norden von einer Palme<lb/> träumt, die tief im Süden trauernd hinwelkt. Der Eindruck, den die¬<lb/> ses Gedicht macht, liegt doch wohl nur darin, daß Heine hier in die<lb/> Natur eine ganz menschliche Seele mit all ihrem Schmerz und Seh¬<lb/> nen hineingelegt hat und zwar in einer Weise, die, von der Allegorie<lb/> oder wohl gar von der Fabel und selbst von der gewöhnlichen Natur-<lb/> bilderei weit entfernt, durchaus keine Reflexion aufkommen läßt, son¬<lb/> dern nur die vollkommne Einheit des Menschenherzens mit der Natur<lb/> abspiegelt. Diese Einheit ist aber für die meisten Poeten sehr schwer<lb/> herauszustellen; selbst die Blicke des sinnigsten Naturbeschauers schwei¬<lb/> fen häusig über die Föhrenstille hinaus, und Gottfried Keller hat sich<lb/> in solchen Augenblicken, was seiner Dichternatur sonst fern liegt, oft<lb/> mit sehr störenden politischen und religiösen Reflexionen zu helfen ge¬<lb/> sucht. Die Conservativen, die Orthodoren, und die Leute, die „am</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
Dann trug ich ihm auch klagend vor,
Wie ich so gar ein armes Blut,
Und bat darauf um Haus und Hof,
Um Bett und Schrein, um Geld und Gut,
Um Garten, Feld und Rebenland,
Um eine ganze Heimath traut,
Darin ich Dich empfangen könnt'
Als reichgeschmückte Herzensbraut.
Der Herr läßt sich zwar darauf nicht ein, verspricht ihm aber
unter Andern»:
— Alles soll besonders blühn
Für Euch, und schöner wo Ihr geht,
Dieweil Euch in mein Paradies
Ein eigen Pförtlcin offen steht.
So führe deine junge Braut
Getrost in deine Heimath ein;
Brautführer foll mein lieblichster
Und allerschönster Frühling sein.
In dieser Weise lebt und webt der Dichter stets in der Natur.
Es stehen jedoch diejenigen Gedichte, welche er selbst unier der Ueber¬
schrift: „Natur" gibt, im Ganzen seinen erotischen Producten nach.
Auch bei Keller sieht man, daß nur der Mensch selbst, keineswegs aber
die Natur ein vollkommen ausreichender Gegenstand für die Kunst ist.
Es gibt wohl in der neuern Lyrik überhaupt nur wenige Gedichte, die
sich mit ihr ausschließlich beschäftigen und dennoch den Stempel der
Vollendung an der Stirn tragen, wie z. B. das Gedicht vom Fichten-
baum, der einsam auf einer Höhe im kalten Norden von einer Palme
träumt, die tief im Süden trauernd hinwelkt. Der Eindruck, den die¬
ses Gedicht macht, liegt doch wohl nur darin, daß Heine hier in die
Natur eine ganz menschliche Seele mit all ihrem Schmerz und Seh¬
nen hineingelegt hat und zwar in einer Weise, die, von der Allegorie
oder wohl gar von der Fabel und selbst von der gewöhnlichen Natur-
bilderei weit entfernt, durchaus keine Reflexion aufkommen läßt, son¬
dern nur die vollkommne Einheit des Menschenherzens mit der Natur
abspiegelt. Diese Einheit ist aber für die meisten Poeten sehr schwer
herauszustellen; selbst die Blicke des sinnigsten Naturbeschauers schwei¬
fen häusig über die Föhrenstille hinaus, und Gottfried Keller hat sich
in solchen Augenblicken, was seiner Dichternatur sonst fern liegt, oft
mit sehr störenden politischen und religiösen Reflexionen zu helfen ge¬
sucht. Die Conservativen, die Orthodoren, und die Leute, die „am
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |