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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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"Freilich!" erwiderte sie, "ist IV Jahre Postillon gewesen, bis et
sich was Hübsches gespart und wir uns dies Häuschen kaufen konn¬
ten. Nun hat er das Ding behalten und zieht Sonntags damit er
die Schenken wo Tanz ist und da kommt mancher Batzen ein."

"Wo ist er denn jetzt?"

"Draußen im Felde; wenn Ihr mit ihm reden wollt, will ich ihn
rufen" und dabei öffnete sie ein Fenster und rief mit gellender Stimme
uach dem Feld hinaus. Nicht lange so wurden schwere Tritte hörbar
und durch die niedere Thüre trat Frieden's Herculesgestalt herein;
seine Wasserstiefeln und Lederhosen trugen leider Spuren einer eklen
Feldarbeit an sich, seine muskulösen Arme waren entblößt, das Haar
hing verworren und kraus um seine Schläfe und auf seiner Stirn
waren die Bibelworte zu lesen: Im Schweiße eures Angesichts sollt
ihr euer Brod erwerben. Vergeblich suchte ich in diesem gutmüthigen
AlltagSgesicht einen Zug, von dem man aus ein schwärmerisches Ge¬
müth hätte schließen können, ich glaube, selbst Lavater's guter Wille
wäre air diesen Bierlippen und dieser Branntweinsnase gescheitert.
Nachdem er mich etwas linkisch gegrüßt, redete ich ihn freundlich an:

"Eure Frau hat Euch da hereingerufen, als ob ich Euch was
Wichtiges zu sagen hätte, indessen müßt Ihr mir's verzeihen, ich wollte
blos wissen, ob Ihr vielleicht das Waldhorn hier verkaufet und wie
theuer?"

"Nun schaun's," erwiderte er mit einfältigen Lächeln, "das ist
halt ein neckisch Ding: da drinnen in der Stadt kriegen's viel schönre
und bessre und das möcht' i nit gern hergeben, denn i Hab's so lieb!"

Ah! dachte ich, es hat manche schöne Stunde mit dir genossen
und daß du'S nicht hergibst, gefällt mir, "'s ist wohl ein Erbstück?"
fragte ich weiter.

"Nee! i Hab's 'renat auf dem Jahrmarkt g'kauft und dann hat's
zehn Jahr mit mir auf einem Bock gesessen, und drum kann i mich
nit von ihm trennen."

Das ist sehr prosaisch gelogen, dachte ich bei mir selbst; wahrlich
mein Held zieht sich mit Postillonswitz aus der Inquisition.

"Ich höre," fuhr ich weiter fort, "Ihr verdient Euch manchmal
Geld mit Eurer Musik?"

"O ja! Auf Märkten, auf Hochzeiten und Tanzböden und wenn
i so blasen geh."

Diese letzte Aeußerung fiel mir auf; was konnte er unter dem


„Freilich!" erwiderte sie, „ist IV Jahre Postillon gewesen, bis et
sich was Hübsches gespart und wir uns dies Häuschen kaufen konn¬
ten. Nun hat er das Ding behalten und zieht Sonntags damit er
die Schenken wo Tanz ist und da kommt mancher Batzen ein."

„Wo ist er denn jetzt?"

„Draußen im Felde; wenn Ihr mit ihm reden wollt, will ich ihn
rufen" und dabei öffnete sie ein Fenster und rief mit gellender Stimme
uach dem Feld hinaus. Nicht lange so wurden schwere Tritte hörbar
und durch die niedere Thüre trat Frieden's Herculesgestalt herein;
seine Wasserstiefeln und Lederhosen trugen leider Spuren einer eklen
Feldarbeit an sich, seine muskulösen Arme waren entblößt, das Haar
hing verworren und kraus um seine Schläfe und auf seiner Stirn
waren die Bibelworte zu lesen: Im Schweiße eures Angesichts sollt
ihr euer Brod erwerben. Vergeblich suchte ich in diesem gutmüthigen
AlltagSgesicht einen Zug, von dem man aus ein schwärmerisches Ge¬
müth hätte schließen können, ich glaube, selbst Lavater's guter Wille
wäre air diesen Bierlippen und dieser Branntweinsnase gescheitert.
Nachdem er mich etwas linkisch gegrüßt, redete ich ihn freundlich an:

„Eure Frau hat Euch da hereingerufen, als ob ich Euch was
Wichtiges zu sagen hätte, indessen müßt Ihr mir's verzeihen, ich wollte
blos wissen, ob Ihr vielleicht das Waldhorn hier verkaufet und wie
theuer?"

„Nun schaun's," erwiderte er mit einfältigen Lächeln, „das ist
halt ein neckisch Ding: da drinnen in der Stadt kriegen's viel schönre
und bessre und das möcht' i nit gern hergeben, denn i Hab's so lieb!"

Ah! dachte ich, es hat manche schöne Stunde mit dir genossen
und daß du'S nicht hergibst, gefällt mir, „'s ist wohl ein Erbstück?"
fragte ich weiter.

„Nee! i Hab's 'renat auf dem Jahrmarkt g'kauft und dann hat's
zehn Jahr mit mir auf einem Bock gesessen, und drum kann i mich
nit von ihm trennen."

Das ist sehr prosaisch gelogen, dachte ich bei mir selbst; wahrlich
mein Held zieht sich mit Postillonswitz aus der Inquisition.

„Ich höre," fuhr ich weiter fort, „Ihr verdient Euch manchmal
Geld mit Eurer Musik?"

„O ja! Auf Märkten, auf Hochzeiten und Tanzböden und wenn
i so blasen geh."

Diese letzte Aeußerung fiel mir auf; was konnte er unter dem


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[0160] „Freilich!" erwiderte sie, „ist IV Jahre Postillon gewesen, bis et sich was Hübsches gespart und wir uns dies Häuschen kaufen konn¬ ten. Nun hat er das Ding behalten und zieht Sonntags damit er die Schenken wo Tanz ist und da kommt mancher Batzen ein." „Wo ist er denn jetzt?" „Draußen im Felde; wenn Ihr mit ihm reden wollt, will ich ihn rufen" und dabei öffnete sie ein Fenster und rief mit gellender Stimme uach dem Feld hinaus. Nicht lange so wurden schwere Tritte hörbar und durch die niedere Thüre trat Frieden's Herculesgestalt herein; seine Wasserstiefeln und Lederhosen trugen leider Spuren einer eklen Feldarbeit an sich, seine muskulösen Arme waren entblößt, das Haar hing verworren und kraus um seine Schläfe und auf seiner Stirn waren die Bibelworte zu lesen: Im Schweiße eures Angesichts sollt ihr euer Brod erwerben. Vergeblich suchte ich in diesem gutmüthigen AlltagSgesicht einen Zug, von dem man aus ein schwärmerisches Ge¬ müth hätte schließen können, ich glaube, selbst Lavater's guter Wille wäre air diesen Bierlippen und dieser Branntweinsnase gescheitert. Nachdem er mich etwas linkisch gegrüßt, redete ich ihn freundlich an: „Eure Frau hat Euch da hereingerufen, als ob ich Euch was Wichtiges zu sagen hätte, indessen müßt Ihr mir's verzeihen, ich wollte blos wissen, ob Ihr vielleicht das Waldhorn hier verkaufet und wie theuer?" „Nun schaun's," erwiderte er mit einfältigen Lächeln, „das ist halt ein neckisch Ding: da drinnen in der Stadt kriegen's viel schönre und bessre und das möcht' i nit gern hergeben, denn i Hab's so lieb!" Ah! dachte ich, es hat manche schöne Stunde mit dir genossen und daß du'S nicht hergibst, gefällt mir, „'s ist wohl ein Erbstück?" fragte ich weiter. „Nee! i Hab's 'renat auf dem Jahrmarkt g'kauft und dann hat's zehn Jahr mit mir auf einem Bock gesessen, und drum kann i mich nit von ihm trennen." Das ist sehr prosaisch gelogen, dachte ich bei mir selbst; wahrlich mein Held zieht sich mit Postillonswitz aus der Inquisition. „Ich höre," fuhr ich weiter fort, „Ihr verdient Euch manchmal Geld mit Eurer Musik?" „O ja! Auf Märkten, auf Hochzeiten und Tanzböden und wenn i so blasen geh." Diese letzte Aeußerung fiel mir auf; was konnte er unter dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/160>, abgerufen am 24.07.2024.