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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Nacht. Dann ober stürzte sie hinein in das kleine Gemach, Thränen
strömten aus ihren Augen, ich vernahm sogar ein leises Schluchzen.

"Sie weinen, mein Fräulein?" sagte ich mich ihr nähernd, "Sie
weinen und tragen doch das süße Bewußtsein im Herzen, einen Men¬
schen glücklich gemacht zu haben?"

"O wenn ich's trüge!" rief sie leidenschaftlich, "wenn ich's tra¬
gen könnte! O, ihr Männer, ihr könnt nicht fühlen, welche Qual eS
ist für ein Frauenherz, sich geliebt zu sehen, leidenschaftlich geliebt und
nicht wieder lieben zu können! Ein Leben sich geweiht, Treue sich ge¬
lobt zu sehen und nicht mit erglühen zu können im gleichen Gefühle,
-eine Marmorstatue bei dem lebenswarmen Hauche der veredelnden
Gottheit!"

"Sie lieben ihn also nicht?" forschte ich dringend.

"Fragen Sie nicht ! Fragen Sie nicht weiter: hier bin ich unglück¬
lich, hier ist die wunde Stelle meines Herzens."

Ich hielt es jetzt für schicklicher mich zu entfernen, ich schied, doch
bat ich, wiederkommen zu dürfen und schluchzend ward mir die Bitte
gewährt. So stieg ich denn hinab zu dein kleinen schlummernden
Städtchen, ernst und trübe gestimmt, denn immer inniger fühlte ich mich
angezogen von jenem sonderbaren Wesen und dieses Wesen schluchzte
und weinte, weil es sich unglücklich geliebt wußte und nicht wieder
lieben konnte! Edles, edles Mädchenherz! --

Am Abend desselben Tages. Bei aller verschmähten Liebe! Beim
höllischen Elemente! Ich wollt', ich wüßt' was Aergeres, daß ich's
fluchen -- Als ich mit obigem Stück meines Tagebuches zu Ende
gekommen, machte ich mich auf den Weg nach der Wohnung des nächt¬
lichen Virtuosen. Das einsame Häuschen erkannte ich natürlich wie^
der, ja ich bemerkte sogar, indem ich durch die Fenster schielte, drinnen
aus einem Tische ein Waldhorn und einen schwarzen Damenshawl.
Bescheiden klopfte ich hierauf an die Thüre und eine nette Frau in
Bauerntracht fragte nach meinem Begehren : ich bat um einen Trunk
Milch und trat keck in die Unterftube, wo ich, den Gegenständen mei-
ner Neugier nahe, allein blieb, bis die Frau mit dem Glas in der
Hand wieder eintrat.

"Wohl bekomm's!" rief sie mir zu. Ich dankte und erkundigte
mich nach dem Eigenthümer des Horns: "'s gehört Frieden, meinem
Manne," benachrichtigte sie mich gleichgiltig, ich aber warf ihr einen
Blick zu, der ihr sage" sollte: Armes Weib, wenn du wüßtest!

"Euer Mann versteht sich wohl auf das Instrument?"
-


S,re,iz5petr. III. Is4<>. M

Nacht. Dann ober stürzte sie hinein in das kleine Gemach, Thränen
strömten aus ihren Augen, ich vernahm sogar ein leises Schluchzen.

„Sie weinen, mein Fräulein?" sagte ich mich ihr nähernd, „Sie
weinen und tragen doch das süße Bewußtsein im Herzen, einen Men¬
schen glücklich gemacht zu haben?"

„O wenn ich's trüge!" rief sie leidenschaftlich, „wenn ich's tra¬
gen könnte! O, ihr Männer, ihr könnt nicht fühlen, welche Qual eS
ist für ein Frauenherz, sich geliebt zu sehen, leidenschaftlich geliebt und
nicht wieder lieben zu können! Ein Leben sich geweiht, Treue sich ge¬
lobt zu sehen und nicht mit erglühen zu können im gleichen Gefühle,
-eine Marmorstatue bei dem lebenswarmen Hauche der veredelnden
Gottheit!"

„Sie lieben ihn also nicht?" forschte ich dringend.

„Fragen Sie nicht ! Fragen Sie nicht weiter: hier bin ich unglück¬
lich, hier ist die wunde Stelle meines Herzens."

Ich hielt es jetzt für schicklicher mich zu entfernen, ich schied, doch
bat ich, wiederkommen zu dürfen und schluchzend ward mir die Bitte
gewährt. So stieg ich denn hinab zu dein kleinen schlummernden
Städtchen, ernst und trübe gestimmt, denn immer inniger fühlte ich mich
angezogen von jenem sonderbaren Wesen und dieses Wesen schluchzte
und weinte, weil es sich unglücklich geliebt wußte und nicht wieder
lieben konnte! Edles, edles Mädchenherz! —

Am Abend desselben Tages. Bei aller verschmähten Liebe! Beim
höllischen Elemente! Ich wollt', ich wüßt' was Aergeres, daß ich's
fluchen — Als ich mit obigem Stück meines Tagebuches zu Ende
gekommen, machte ich mich auf den Weg nach der Wohnung des nächt¬
lichen Virtuosen. Das einsame Häuschen erkannte ich natürlich wie^
der, ja ich bemerkte sogar, indem ich durch die Fenster schielte, drinnen
aus einem Tische ein Waldhorn und einen schwarzen Damenshawl.
Bescheiden klopfte ich hierauf an die Thüre und eine nette Frau in
Bauerntracht fragte nach meinem Begehren : ich bat um einen Trunk
Milch und trat keck in die Unterftube, wo ich, den Gegenständen mei-
ner Neugier nahe, allein blieb, bis die Frau mit dem Glas in der
Hand wieder eintrat.

„Wohl bekomm's!" rief sie mir zu. Ich dankte und erkundigte
mich nach dem Eigenthümer des Horns: „'s gehört Frieden, meinem
Manne," benachrichtigte sie mich gleichgiltig, ich aber warf ihr einen
Blick zu, der ihr sage» sollte: Armes Weib, wenn du wüßtest!

„Euer Mann versteht sich wohl auf das Instrument?"
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[0159] Nacht. Dann ober stürzte sie hinein in das kleine Gemach, Thränen strömten aus ihren Augen, ich vernahm sogar ein leises Schluchzen. „Sie weinen, mein Fräulein?" sagte ich mich ihr nähernd, „Sie weinen und tragen doch das süße Bewußtsein im Herzen, einen Men¬ schen glücklich gemacht zu haben?" „O wenn ich's trüge!" rief sie leidenschaftlich, „wenn ich's tra¬ gen könnte! O, ihr Männer, ihr könnt nicht fühlen, welche Qual eS ist für ein Frauenherz, sich geliebt zu sehen, leidenschaftlich geliebt und nicht wieder lieben zu können! Ein Leben sich geweiht, Treue sich ge¬ lobt zu sehen und nicht mit erglühen zu können im gleichen Gefühle, -eine Marmorstatue bei dem lebenswarmen Hauche der veredelnden Gottheit!" „Sie lieben ihn also nicht?" forschte ich dringend. „Fragen Sie nicht ! Fragen Sie nicht weiter: hier bin ich unglück¬ lich, hier ist die wunde Stelle meines Herzens." Ich hielt es jetzt für schicklicher mich zu entfernen, ich schied, doch bat ich, wiederkommen zu dürfen und schluchzend ward mir die Bitte gewährt. So stieg ich denn hinab zu dein kleinen schlummernden Städtchen, ernst und trübe gestimmt, denn immer inniger fühlte ich mich angezogen von jenem sonderbaren Wesen und dieses Wesen schluchzte und weinte, weil es sich unglücklich geliebt wußte und nicht wieder lieben konnte! Edles, edles Mädchenherz! — Am Abend desselben Tages. Bei aller verschmähten Liebe! Beim höllischen Elemente! Ich wollt', ich wüßt' was Aergeres, daß ich's fluchen — Als ich mit obigem Stück meines Tagebuches zu Ende gekommen, machte ich mich auf den Weg nach der Wohnung des nächt¬ lichen Virtuosen. Das einsame Häuschen erkannte ich natürlich wie^ der, ja ich bemerkte sogar, indem ich durch die Fenster schielte, drinnen aus einem Tische ein Waldhorn und einen schwarzen Damenshawl. Bescheiden klopfte ich hierauf an die Thüre und eine nette Frau in Bauerntracht fragte nach meinem Begehren : ich bat um einen Trunk Milch und trat keck in die Unterftube, wo ich, den Gegenständen mei- ner Neugier nahe, allein blieb, bis die Frau mit dem Glas in der Hand wieder eintrat. „Wohl bekomm's!" rief sie mir zu. Ich dankte und erkundigte mich nach dem Eigenthümer des Horns: „'s gehört Frieden, meinem Manne," benachrichtigte sie mich gleichgiltig, ich aber warf ihr einen Blick zu, der ihr sage» sollte: Armes Weib, wenn du wüßtest! „Euer Mann versteht sich wohl auf das Instrument?" - S,re,iz5petr. III. Is4<>. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/159>, abgerufen am 24.07.2024.