Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dem ein oft mehr an die Satyre streifender, wodurch die Gegensätze
gehoben werden und die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Mittel¬
punkt geleitet wird. Und Danhäuser steht um so bedeutender da, als
er sich aus den künstlerischen Wirren, durch welche er hin- und her¬
gezogen wurde, selbstkräftig emporarbeitete und aus einer innersten
Ueberzeugung und ohne Schwanken, obwohl angefeindet und von den
einzelnen Parteien geringgeschätzt, sich diese neue Bahn eröffnet. In
seiner Richtung wurde er für Historienmalerei bestimmt, sie zog ihn
aber weniger an; ihm dünkte, das Leben unserer Tage müßte, um
durch religiöse Stoffe erbaut zu werden, ans eine ganz eigc.le Weise
angegangen werden. In seinem "Praßer" nun machte er den ersten
glücklichen Wurf. Hier gab er, sich anlehnend an die biblische Erzähl
lung, eine Darstellung im modernen Gewände und wer noch der Mei¬
nung ist, es bedürfe, um höhere Gefühle zu erregen und die innerste
Menschennatur zu ergreifen, typischer Formen und lebloser Gestalten,
der trete vor dieses Bild. Wahrlich wenn unser modernes Leben noch
eine poetische Seite hat, so war eS Danhäuser, der sie erkannte. In
einer Reihe der nun folgenden Bilder "der Praßer", "die Testaments¬
eröffnung", "die aufgehobene Pfändung" u. f w. zeigt er feine tief auf¬
fassende poetische Natur.-- Daß er, so selbstständig dastehend -- nicht
ohne Anfeindungen blieb --- ist leicht zu begreifen; allein ihn beirrte
dies nicht in seinem Streben, wenn es ihm gleich die Nuhe und Hei¬
terkeit seines Lebens raubte, und die Mitursache seines frühen Todes
mag geworden sein.

Neben ihm und nach seinem Tode der ausschließliche Liebling des
Publicums ist Waldmüllcr. Zwar der Umkreis seiner Darstellungen
ist ein beschränkter. Ihn trieb die Ohnmacht, unser modernes wechseln¬
des Costüm durch die Kunst zu gestalten -- zu den Bauern, die noch
mehr am hergebrachten Schnitt ihrer Kleidung halten; er weiß aber
durch eine vollendete Technik und ein bestechendes Colorit die Augen
auf sich zu ziehen und die leicht zu täuschende Menge hinzureißen.
Nur hat er das eigentliche Leben auch dieser Menschenklasse nicht auf¬
gegriffen , er bringt uns nur die Hüllen, nicht aber den Kern des
Bauernvolkes und gebraucht sie häufig nur als Modelle zur Dar¬
stellung sentimentaler Empfindeleien, die Niemand bei den Bauern suchen
wird. In den diesjährig ausgestellten Bildern aber: "eine Mutter
mit ihren Kindern" und "kindlicher Schmerz" hat er sich davon freier
gehalten und sehr lobenswerthe Arbeiten geliefert. Die jungem Ta¬
lente, wie: Swoboda, Ritter, Eibl u. f. w. fehlen nach zwei Seiten


155

dem ein oft mehr an die Satyre streifender, wodurch die Gegensätze
gehoben werden und die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Mittel¬
punkt geleitet wird. Und Danhäuser steht um so bedeutender da, als
er sich aus den künstlerischen Wirren, durch welche er hin- und her¬
gezogen wurde, selbstkräftig emporarbeitete und aus einer innersten
Ueberzeugung und ohne Schwanken, obwohl angefeindet und von den
einzelnen Parteien geringgeschätzt, sich diese neue Bahn eröffnet. In
seiner Richtung wurde er für Historienmalerei bestimmt, sie zog ihn
aber weniger an; ihm dünkte, das Leben unserer Tage müßte, um
durch religiöse Stoffe erbaut zu werden, ans eine ganz eigc.le Weise
angegangen werden. In seinem „Praßer" nun machte er den ersten
glücklichen Wurf. Hier gab er, sich anlehnend an die biblische Erzähl
lung, eine Darstellung im modernen Gewände und wer noch der Mei¬
nung ist, es bedürfe, um höhere Gefühle zu erregen und die innerste
Menschennatur zu ergreifen, typischer Formen und lebloser Gestalten,
der trete vor dieses Bild. Wahrlich wenn unser modernes Leben noch
eine poetische Seite hat, so war eS Danhäuser, der sie erkannte. In
einer Reihe der nun folgenden Bilder „der Praßer", „die Testaments¬
eröffnung", „die aufgehobene Pfändung" u. f w. zeigt er feine tief auf¬
fassende poetische Natur.— Daß er, so selbstständig dastehend — nicht
ohne Anfeindungen blieb —- ist leicht zu begreifen; allein ihn beirrte
dies nicht in seinem Streben, wenn es ihm gleich die Nuhe und Hei¬
terkeit seines Lebens raubte, und die Mitursache seines frühen Todes
mag geworden sein.

Neben ihm und nach seinem Tode der ausschließliche Liebling des
Publicums ist Waldmüllcr. Zwar der Umkreis seiner Darstellungen
ist ein beschränkter. Ihn trieb die Ohnmacht, unser modernes wechseln¬
des Costüm durch die Kunst zu gestalten — zu den Bauern, die noch
mehr am hergebrachten Schnitt ihrer Kleidung halten; er weiß aber
durch eine vollendete Technik und ein bestechendes Colorit die Augen
auf sich zu ziehen und die leicht zu täuschende Menge hinzureißen.
Nur hat er das eigentliche Leben auch dieser Menschenklasse nicht auf¬
gegriffen , er bringt uns nur die Hüllen, nicht aber den Kern des
Bauernvolkes und gebraucht sie häufig nur als Modelle zur Dar¬
stellung sentimentaler Empfindeleien, die Niemand bei den Bauern suchen
wird. In den diesjährig ausgestellten Bildern aber: „eine Mutter
mit ihren Kindern" und „kindlicher Schmerz" hat er sich davon freier
gehalten und sehr lobenswerthe Arbeiten geliefert. Die jungem Ta¬
lente, wie: Swoboda, Ritter, Eibl u. f. w. fehlen nach zwei Seiten


155
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183142"/>
          <p xml:id="ID_310" prev="#ID_309"> dem ein oft mehr an die Satyre streifender, wodurch die Gegensätze<lb/>
gehoben werden und die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Mittel¬<lb/>
punkt geleitet wird. Und Danhäuser steht um so bedeutender da, als<lb/>
er sich aus den künstlerischen Wirren, durch welche er hin- und her¬<lb/>
gezogen wurde, selbstkräftig emporarbeitete und aus einer innersten<lb/>
Ueberzeugung und ohne Schwanken, obwohl angefeindet und von den<lb/>
einzelnen Parteien geringgeschätzt, sich diese neue Bahn eröffnet. In<lb/>
seiner Richtung wurde er für Historienmalerei bestimmt, sie zog ihn<lb/>
aber weniger an; ihm dünkte, das Leben unserer Tage müßte, um<lb/>
durch religiöse Stoffe erbaut zu werden, ans eine ganz eigc.le Weise<lb/>
angegangen werden. In seinem &#x201E;Praßer" nun machte er den ersten<lb/>
glücklichen Wurf. Hier gab er, sich anlehnend an die biblische Erzähl<lb/>
lung, eine Darstellung im modernen Gewände und wer noch der Mei¬<lb/>
nung ist, es bedürfe, um höhere Gefühle zu erregen und die innerste<lb/>
Menschennatur zu ergreifen, typischer Formen und lebloser Gestalten,<lb/>
der trete vor dieses Bild. Wahrlich wenn unser modernes Leben noch<lb/>
eine poetische Seite hat, so war eS Danhäuser, der sie erkannte. In<lb/>
einer Reihe der nun folgenden Bilder &#x201E;der Praßer", &#x201E;die Testaments¬<lb/>
eröffnung", &#x201E;die aufgehobene Pfändung" u. f w. zeigt er feine tief auf¬<lb/>
fassende poetische Natur.&#x2014; Daß er, so selbstständig dastehend &#x2014; nicht<lb/>
ohne Anfeindungen blieb &#x2014;- ist leicht zu begreifen; allein ihn beirrte<lb/>
dies nicht in seinem Streben, wenn es ihm gleich die Nuhe und Hei¬<lb/>
terkeit seines Lebens raubte, und die Mitursache seines frühen Todes<lb/>
mag geworden sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_311" next="#ID_312"> Neben ihm und nach seinem Tode der ausschließliche Liebling des<lb/>
Publicums ist Waldmüllcr. Zwar der Umkreis seiner Darstellungen<lb/>
ist ein beschränkter. Ihn trieb die Ohnmacht, unser modernes wechseln¬<lb/>
des Costüm durch die Kunst zu gestalten &#x2014; zu den Bauern, die noch<lb/>
mehr am hergebrachten Schnitt ihrer Kleidung halten; er weiß aber<lb/>
durch eine vollendete Technik und ein bestechendes Colorit die Augen<lb/>
auf sich zu ziehen und die leicht zu täuschende Menge hinzureißen.<lb/>
Nur hat er das eigentliche Leben auch dieser Menschenklasse nicht auf¬<lb/>
gegriffen , er bringt uns nur die Hüllen, nicht aber den Kern des<lb/>
Bauernvolkes und gebraucht sie häufig nur als Modelle zur Dar¬<lb/>
stellung sentimentaler Empfindeleien, die Niemand bei den Bauern suchen<lb/>
wird. In den diesjährig ausgestellten Bildern aber: &#x201E;eine Mutter<lb/>
mit ihren Kindern" und &#x201E;kindlicher Schmerz" hat er sich davon freier<lb/>
gehalten und sehr lobenswerthe Arbeiten geliefert. Die jungem Ta¬<lb/>
lente, wie: Swoboda, Ritter, Eibl u. f. w. fehlen nach zwei Seiten</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 155</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] dem ein oft mehr an die Satyre streifender, wodurch die Gegensätze gehoben werden und die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Mittel¬ punkt geleitet wird. Und Danhäuser steht um so bedeutender da, als er sich aus den künstlerischen Wirren, durch welche er hin- und her¬ gezogen wurde, selbstkräftig emporarbeitete und aus einer innersten Ueberzeugung und ohne Schwanken, obwohl angefeindet und von den einzelnen Parteien geringgeschätzt, sich diese neue Bahn eröffnet. In seiner Richtung wurde er für Historienmalerei bestimmt, sie zog ihn aber weniger an; ihm dünkte, das Leben unserer Tage müßte, um durch religiöse Stoffe erbaut zu werden, ans eine ganz eigc.le Weise angegangen werden. In seinem „Praßer" nun machte er den ersten glücklichen Wurf. Hier gab er, sich anlehnend an die biblische Erzähl lung, eine Darstellung im modernen Gewände und wer noch der Mei¬ nung ist, es bedürfe, um höhere Gefühle zu erregen und die innerste Menschennatur zu ergreifen, typischer Formen und lebloser Gestalten, der trete vor dieses Bild. Wahrlich wenn unser modernes Leben noch eine poetische Seite hat, so war eS Danhäuser, der sie erkannte. In einer Reihe der nun folgenden Bilder „der Praßer", „die Testaments¬ eröffnung", „die aufgehobene Pfändung" u. f w. zeigt er feine tief auf¬ fassende poetische Natur.— Daß er, so selbstständig dastehend — nicht ohne Anfeindungen blieb —- ist leicht zu begreifen; allein ihn beirrte dies nicht in seinem Streben, wenn es ihm gleich die Nuhe und Hei¬ terkeit seines Lebens raubte, und die Mitursache seines frühen Todes mag geworden sein. Neben ihm und nach seinem Tode der ausschließliche Liebling des Publicums ist Waldmüllcr. Zwar der Umkreis seiner Darstellungen ist ein beschränkter. Ihn trieb die Ohnmacht, unser modernes wechseln¬ des Costüm durch die Kunst zu gestalten — zu den Bauern, die noch mehr am hergebrachten Schnitt ihrer Kleidung halten; er weiß aber durch eine vollendete Technik und ein bestechendes Colorit die Augen auf sich zu ziehen und die leicht zu täuschende Menge hinzureißen. Nur hat er das eigentliche Leben auch dieser Menschenklasse nicht auf¬ gegriffen , er bringt uns nur die Hüllen, nicht aber den Kern des Bauernvolkes und gebraucht sie häufig nur als Modelle zur Dar¬ stellung sentimentaler Empfindeleien, die Niemand bei den Bauern suchen wird. In den diesjährig ausgestellten Bildern aber: „eine Mutter mit ihren Kindern" und „kindlicher Schmerz" hat er sich davon freier gehalten und sehr lobenswerthe Arbeiten geliefert. Die jungem Ta¬ lente, wie: Swoboda, Ritter, Eibl u. f. w. fehlen nach zwei Seiten 155

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/121
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/121>, abgerufen am 24.07.2024.