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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Theinkirche in Prag bestimmten Landespatrone Böhmens und Mäh¬
rens, die h. h. Cyrill und Methud in Lebensgröße im schönsten Mar¬
mor ausgeführt, sind das bedeutendste plastische Werk, welches seit ei¬
ner langen Reihe von Jahren in Oesterreich gefertigt wurde und das
jedes ausländischen Künstlers vom besten Ruft würdig wäre. Se.
Methud ist mit der Stola bekleidet und hält in seiner Linken eine Ta¬
fel mit dem jüngsten Gericht. Se. Cyrill trägt das Buch der Li-
thurgie und in der Rechten das Kreuz. Der Ausdruck der Gesichter,
besonders des Letzteren, sind sehr charakteristisch und der Faltenwurf
der Gewandung zeigt von vollkommenem Verständniß der künstlerischen
Mittel. Weniger gelungen erscheint uns dieses Künstlers heilige Lud-
milla, die erste, christliche Herzogin Böhmens, als Märturin erwürgt.
Sie gleicht eher einer sanft schlafenden, als einer mit Gewalt er¬
würgten. Ueberhaupt wird der Ausdruck des Todes der Plastik nie
so gelingen, wie der Malerei, die durch Licht und Farbe bis zum letz¬
tem Athemzuge folgen kann; auch gewährt diese Figur keinen rechten
Standpunkt des Beschauers. Der von diesem Künstler gelieferte Ent¬
wurf zu einem Monumente für Kaiser Karl IV. wird für alle Zeiten
ein bloßer Entwurf bleiben, indem die Anfertigung dieses Monumen¬
tes für Prag dem dresdner Künstler Hähnel übertragen worden. Die
übrigen plastischen Arbeiten sind von geringem Belange.

Auch die sogenannte historische Kunst hat in Oesterreich kei¬
nen gesunden Boden gefunden und keine Früchte getrieben und es
scheint fast, als habe die Zeit und ihre Verhältnisse sie unmöglich ge¬
macht. Künstler kann der Staat und Einzelne beschäftigen -- aber
eine ganze Kunst läßt sich nicht bei einem Volke, von dem sie aus¬
gehen, in dem sie wurzeln soll -- bestellen, etwa wie man Steuern
eintreibt oder eine Armee recrutirt. Aber übersehen soll man es auch
nicht, daß dieser Kunstzweig, soll er überhaupt im Leben erhalten wer¬
den, nothwendig ebenso vom Allgemeinen, d. h. vom Staate, gehalten
und unterstützt werden muß, wie seine Wirkung für das Allgemeine
berechnet ist. Nur eine fortdauernde Kunstübung kann hier die Mit¬
telmäßigkeit überwachsen und wo die Gelegenheit eine seltene gewor¬
den ist, klage man nicht über das Ungenügende der Leistungen. Wahr¬
lich, man müßte vielmehr die Ausdauer der Künstler bewundern, die
trotz Mangel und Noth der Historienmalerei sich widmen, wenn sie
nicht von der Eitelkeit getragen und aufrecht gehalten würden, ihr
Kunstzweig stehe hoch über der gegenwärtig so beliebten Genremalerei.
Sie übersehen hierbei die schon oft aufgeworfene Frage, ot> überhaupt


14 s

Theinkirche in Prag bestimmten Landespatrone Böhmens und Mäh¬
rens, die h. h. Cyrill und Methud in Lebensgröße im schönsten Mar¬
mor ausgeführt, sind das bedeutendste plastische Werk, welches seit ei¬
ner langen Reihe von Jahren in Oesterreich gefertigt wurde und das
jedes ausländischen Künstlers vom besten Ruft würdig wäre. Se.
Methud ist mit der Stola bekleidet und hält in seiner Linken eine Ta¬
fel mit dem jüngsten Gericht. Se. Cyrill trägt das Buch der Li-
thurgie und in der Rechten das Kreuz. Der Ausdruck der Gesichter,
besonders des Letzteren, sind sehr charakteristisch und der Faltenwurf
der Gewandung zeigt von vollkommenem Verständniß der künstlerischen
Mittel. Weniger gelungen erscheint uns dieses Künstlers heilige Lud-
milla, die erste, christliche Herzogin Böhmens, als Märturin erwürgt.
Sie gleicht eher einer sanft schlafenden, als einer mit Gewalt er¬
würgten. Ueberhaupt wird der Ausdruck des Todes der Plastik nie
so gelingen, wie der Malerei, die durch Licht und Farbe bis zum letz¬
tem Athemzuge folgen kann; auch gewährt diese Figur keinen rechten
Standpunkt des Beschauers. Der von diesem Künstler gelieferte Ent¬
wurf zu einem Monumente für Kaiser Karl IV. wird für alle Zeiten
ein bloßer Entwurf bleiben, indem die Anfertigung dieses Monumen¬
tes für Prag dem dresdner Künstler Hähnel übertragen worden. Die
übrigen plastischen Arbeiten sind von geringem Belange.

Auch die sogenannte historische Kunst hat in Oesterreich kei¬
nen gesunden Boden gefunden und keine Früchte getrieben und es
scheint fast, als habe die Zeit und ihre Verhältnisse sie unmöglich ge¬
macht. Künstler kann der Staat und Einzelne beschäftigen — aber
eine ganze Kunst läßt sich nicht bei einem Volke, von dem sie aus¬
gehen, in dem sie wurzeln soll — bestellen, etwa wie man Steuern
eintreibt oder eine Armee recrutirt. Aber übersehen soll man es auch
nicht, daß dieser Kunstzweig, soll er überhaupt im Leben erhalten wer¬
den, nothwendig ebenso vom Allgemeinen, d. h. vom Staate, gehalten
und unterstützt werden muß, wie seine Wirkung für das Allgemeine
berechnet ist. Nur eine fortdauernde Kunstübung kann hier die Mit¬
telmäßigkeit überwachsen und wo die Gelegenheit eine seltene gewor¬
den ist, klage man nicht über das Ungenügende der Leistungen. Wahr¬
lich, man müßte vielmehr die Ausdauer der Künstler bewundern, die
trotz Mangel und Noth der Historienmalerei sich widmen, wenn sie
nicht von der Eitelkeit getragen und aufrecht gehalten würden, ihr
Kunstzweig stehe hoch über der gegenwärtig so beliebten Genremalerei.
Sie übersehen hierbei die schon oft aufgeworfene Frage, ot> überhaupt


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[0113] Theinkirche in Prag bestimmten Landespatrone Böhmens und Mäh¬ rens, die h. h. Cyrill und Methud in Lebensgröße im schönsten Mar¬ mor ausgeführt, sind das bedeutendste plastische Werk, welches seit ei¬ ner langen Reihe von Jahren in Oesterreich gefertigt wurde und das jedes ausländischen Künstlers vom besten Ruft würdig wäre. Se. Methud ist mit der Stola bekleidet und hält in seiner Linken eine Ta¬ fel mit dem jüngsten Gericht. Se. Cyrill trägt das Buch der Li- thurgie und in der Rechten das Kreuz. Der Ausdruck der Gesichter, besonders des Letzteren, sind sehr charakteristisch und der Faltenwurf der Gewandung zeigt von vollkommenem Verständniß der künstlerischen Mittel. Weniger gelungen erscheint uns dieses Künstlers heilige Lud- milla, die erste, christliche Herzogin Böhmens, als Märturin erwürgt. Sie gleicht eher einer sanft schlafenden, als einer mit Gewalt er¬ würgten. Ueberhaupt wird der Ausdruck des Todes der Plastik nie so gelingen, wie der Malerei, die durch Licht und Farbe bis zum letz¬ tem Athemzuge folgen kann; auch gewährt diese Figur keinen rechten Standpunkt des Beschauers. Der von diesem Künstler gelieferte Ent¬ wurf zu einem Monumente für Kaiser Karl IV. wird für alle Zeiten ein bloßer Entwurf bleiben, indem die Anfertigung dieses Monumen¬ tes für Prag dem dresdner Künstler Hähnel übertragen worden. Die übrigen plastischen Arbeiten sind von geringem Belange. Auch die sogenannte historische Kunst hat in Oesterreich kei¬ nen gesunden Boden gefunden und keine Früchte getrieben und es scheint fast, als habe die Zeit und ihre Verhältnisse sie unmöglich ge¬ macht. Künstler kann der Staat und Einzelne beschäftigen — aber eine ganze Kunst läßt sich nicht bei einem Volke, von dem sie aus¬ gehen, in dem sie wurzeln soll — bestellen, etwa wie man Steuern eintreibt oder eine Armee recrutirt. Aber übersehen soll man es auch nicht, daß dieser Kunstzweig, soll er überhaupt im Leben erhalten wer¬ den, nothwendig ebenso vom Allgemeinen, d. h. vom Staate, gehalten und unterstützt werden muß, wie seine Wirkung für das Allgemeine berechnet ist. Nur eine fortdauernde Kunstübung kann hier die Mit¬ telmäßigkeit überwachsen und wo die Gelegenheit eine seltene gewor¬ den ist, klage man nicht über das Ungenügende der Leistungen. Wahr¬ lich, man müßte vielmehr die Ausdauer der Künstler bewundern, die trotz Mangel und Noth der Historienmalerei sich widmen, wenn sie nicht von der Eitelkeit getragen und aufrecht gehalten würden, ihr Kunstzweig stehe hoch über der gegenwärtig so beliebten Genremalerei. Sie übersehen hierbei die schon oft aufgeworfene Frage, ot> überhaupt 14 s

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/113>, abgerufen am 24.07.2024.